Thomas Schulte hat "Bock auf Ziegen". Und deshalb hat er das, was er sich in seiner landwirtschaftlichen Ausbildung in der Theorie erarbeitet hat, nach Abschluss derselben ohne Umschweife in die Tat umgesetzt und einen Milchziegenbetrieb gegründet.
Stallgebäude und Flächen waren schon da, den landwirtschaftlichen Betrieb der Familie Schulte gibt es bereits seit mehr als 60 Jahren. "Mein Vater hat zuletzt Mutterkühe im Nebenerwerb gehalten; das tun wir auch heute noch", erklärt Thomas Schulte seinen landwirtschaftlichen Familienhintergrund. 2001 sei der Hof Biobetrieb geworden und habe seine Produkte die ersten 15 Jahre unter dem Verbandslabel von Biokreis e.V. vermarktet; seit 2016 gehört der Biohof Schulte zu Bioland.
Den Haupterwerb bestritt Familie Schulte mit ihren Biorindern nicht, sodass Sohn Thomas zunächst zum Metallbauer ausgebildet wurde. "Ich wusste aber, dass ich Landwirt werden wollte. Und so habe ich den Staatlich geprüften Agrarwirt eben auch noch gemacht!", ist der 33-Jährige bis heute froh über diesen Berufswechsel und nicht wenig stolz darüber, aus dieser Überzeugung heraus schon während der Ausbildung an der Verwirklichung seines eigentlichen Traums gearbeitet zu haben: Milchziegen zu halten. "Ich konnte diese Idee sogar insofern nutzen, als ich den bei der Ausbildung vorgesehenen Businessplan so geschrieben habe, dass ich ihn nur noch in die Tat umzusetzen brauchte!", lacht Thomas Schulte.
Vorgesehen war es, aus dem Nebenerwerbsbetrieb mit Mutterkühen einen Vollerwerbsbetrieb mit Milchziegen zu machen. Da fügte es sich günstig, dass es eine bestehende Liefergemeinschaft gab, die weitere Mitgliedsbetriebe suchte. "Und rein zufällig lag unser Hof hier in Warstein-Belecke auf der Route des Milchwagens, der auf seinem Weg zu den Betrieben zwischen Brilon und Werl keinen Umweg zu fahren brauchte, um auch noch unsere Ziegenmilch aufzuholen." Die einzige Voraussetzung für den Start als Milchziegenhof und Mitglied in der Liefergemeinschaft waren mindestens 100 Ziegen. "Also habe ich schon während meiner Ausbildungszeit 100 Lämmer gekauft und bald 100 junge Ziegen gemolken - so, wie ich es in meinem Businessplan durchkalkuliert und aufgeschrieben hatte", erzählt Thomas Schulte weiter. Praktisch war und ist dabei wohl auch, dass seine Ehefrau Judith Schulte-Strotdrees auf einem Biobetrieb groß geworden ist und außerdem, der seinen ähnlich, eine Ausbildung zur Staatlich geprüften Landwirtin genossen hat, sodass heute beide voll für die Ziegenmilch arbeiten.
Die schnell größer werdende Nachfrage nach der Milch seiner Bunten Edelziegen habe schon drei Jahre nach Betriebsgründung zur Erweiterung der Herde und zum Bau eines neuen Stalles für 400 Ziegen geführt. "Da die Ziegen zu 80 % behornt sind, haben wir reichlich Platz pro Tier eingeplant. Jeder Ziege stehen 1,8 m² Stallfläche und 40 cm Fressplatzbreite zur Verfügung. Außerdem bietet der Stall noch 200 m² erhöhte Liegefläche und entspricht damit voll den beim Ökolandbau vorgeschriebenen Stallmaßen."
Thomas Schulte hat die Milch seiner Ziegen von Anfang an an die Organic Goatmilk Coöperatie, OGC, gegeben, eine niederländische Genossenschaft von insgesamt gut 60 Bio-Ziegenmilchproduzenten.
(Mehr darüber finden Sie hier: Ökolandbau NRW: Nachhaltiges Wachstum gepaart mit Lebensqualität)
Das wiederum impliziert auch die Mitgliedschaft des Ziegenhofs bei Bioland, sämtliche 15 deutsche Lieferanten sind für dieses Biolabel zertifiziert. "Die Coöperatie beliefert bis zu 20 Molkereien in Belgien, Deutschland, Frankreich und den Niederlanden und ist sogar Weltmarktführer für Bioziegenmilch, die teils bis China vermarktet wird", erklärt der junge Milchziegenhalter.
Die Milch der deutschen Bioland-Betriebe werde in der Regel auch in deutschen Molkereien weiterverarbeitet, nur manchmal gehe sie nach Holland. "Auch in den Niederlanden setzt derzeit ein Umdenken ein und die dortigen Molkereien verarbeiten lieber regional erzeugte Rohstoffe", hat Thomas Schulte in seiner nun mehrjährigen Mitgliedschaft bei der OGC erfahren und fügt hinzu, dass er zwar nicht ganz genau wisse, wo seine 200 000 l Bio-Ziegenmilch jährlich verarbeitet werden. "Ich weiß aber, dass daraus in Bio-Molkereien Milchpulver für Babynahrung hergestellt wird und zahlreiche kleinere Käsereien Hart- und Weichkäse daraus machen", so der 33-Jährige.
Gemolken wird bei Schultes zweimal am Tag, morgens um 6.30 Uhr und abends um 17.30 Uhr. "Eine AK - also im Normalfall ich - schafft 400 Ziegen in zwei Stunden, natürlich, ohne die Arbeiten für den Futterbau dazuzuzählen. Das bedeutet, dass jede der 36 Ziegen, die in unser Melkkarussell passen, im Schnitt vier Minuten dort bleibt, eine kleine Kraftfutterportion abstaubt und dann der Kollegin Platz macht", fasst Thomas Schulte den Melkvorgang zusammen. Übrigens lassen sich Ziegen durchmelken. "Eine Ziege muss nicht jedes Jahr ablammen, um Milch zu geben. Man kann sie ab der dritten Laktation für gut vier bis fünf Jahre durch- oder dauermelken, bevor man sie wieder decken und trächtig werden lässt."
Der plausible Hintergedanke dabei ist, dass man so die Bocklämmer vermeidet, die nur schwer zu vermarkten sind; manchmal muss der Halter deren Abholung sogar noch bezahlen. Thomas Schulte zieht die Bocklämmer seit zwei Jahren selber groß und gibt sie dann an einen biozertifizierten Schlachthof. "Davor habe ich sie nach Frankreich verkauft; das geht nun leider nicht mehr, sodass ich die kostspielige Mast nun selber tragen muss", berichtet er. Die Milchziegen würden dieses Verlustgeschäft - und das ist es für ihn, da in Deutschland Ziegenfleisch wenig bekannt und nachgefragt ist - wieder wettmachen. "Dabei ist Ziegenfleisch sehr mager und gesund, es hat eine gute Fettzusammensetzung", macht der Landwirt Werbung für diese Fleischherkunft.
150 Milchziegen melkt Schulte durchschnittlich durch, die restlichen 250 Ziegen dienen der eigenen Nachzucht.
Thomas Schulte bewirtschaftet für seine Ziegen und die verbliebenen 30 Limousin-Mutterkühe 50 ha Grünland und baut Ackerfutter, wie Kleegras, an. "Milchziegen werden ähnlich wie Milchkühe gefüttert. Jeden zweiten Tag fahre ich mit dem Mischwagen den Futtertisch entlang und gebe den Tieren Kleegras und Getreide", erklärt der Landwirt und ergänzt eine einfache Rechnung: "Zehn Ziegen sind genauso viel wie eine Kuh: Sie fressen so viel und geben so viel Milch." Und machen ähnlich viel Mist. Auch deshalb hat Schulte eine Futter-Mist-Kooperation mit dem benachbarten Bio-Milchviehbetrieb der Familie Kroll-Fiedler, mit der er auch bei der Fütterung der Biogasanlage kooperiert: Kroll-Fiedlers füttern diese mit dem Ziegenmist, Schulte bekommt die Gärreste als Wirtschaftsdünger für seine Flächen zurück.
Was Thomas Schulte einst als Abschlussarbeit seiner Ausbildung ersonnen hat, funktioniert heute in der Umsetzung ganz offensichtlich in allen Belangen. Jetzt müssen die deutschen Gourmets nur noch das Zicklein-Kotelette als Hauptgang vor dem Ziegengouda schätzen und mögen lernen, damit die ganze Rechnung aufgeht.
Meike Siebel,
Landwirtschaftskammer NRW (Text und Fotos)