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Das Rückgrat des Ökolandbaus ist die Milch

06.12.2021

Zur 12. NRW-Ökomilchviehtagung trafen sich am 30. November und 1. Dezember jeweils rund 55 Interessierte zum Austausch über die Entwicklung der Ökomilchviehhaltung und die Herausforderungen der nächsten 20 Jahre. Während auch dieses Jahr die Teilnahme erneut nur virtuell via Zoom möglich war, kamen die Moderation sowie ein Rundgang durch den Düsser Milchviehstall live aus dem gleichnamigen Landwirtschaftszentrum der Kammer Nordrhein-Westfalen.

In deren Namen sowie im Namen der in NRW führenden Öko-Anbauverbände, die die Ökomilchviehtagung zum zwölften Mal gemeinsam organisiert hatten, begrüßte Ute Rönnebeck die aus ganz NRW zugeschalteten Zuhörer. „Die Milchviehhaltung ist das Rückgrat des ökologischen Landbaus in Deutschland - und nicht nur der Ökolandwirtschaft: Ein Fünftel der gesamten EU-Milchmenge kommt aus Deutschland, das sind 33,2 Mio. t Kuhmilch jährlich“, betonte die Vorsitzende der Landesvereinigung Ökologischer Landbau NRW e.V. die wirtschaftliche Schwergewichtigkeit dieses Produktions­zweiges. Auch wenn der Anteil der Biomilch am deutschen Milchmarkt bei lediglich 3,9 % und, seit dem sogenannten Bio-Boom 2016, die Zuwächse auch bei der Umstellung auf den Ökolandbau auf niedrigem Niveau lägen, biete der Bio-Milchmarkt Stabilität und Planungssicherheit.

Ob die seit Jahren recht stabilen Milchpreise um die 50 Cent dauerhaft kostendeckend blieben, sei eine sehr betriebsindividuelle Rechnung. „Deshalb müssen wir angesichts steigender Preise, zum Beispiel für Futtermittel und Energie, Anpassungsstrategien entwickeln und solche Perspektiven schaffen, die auch die Umstellung auf den Ökolandbau wieder interessanter machen“, schloss Ute Rönnebeck und betonte, dass Praxis, Wissenschaft und Beratung dieses Ziel gemeinsam verfolgen müssen.

Die klimaneutrale Kuh?

Prof. Dr. Gerold Rahmann, Thünen-Institut für Ökologischen Landbau Trenthorst, befasste sich mit den Herausforderungen, die die Vernetzung von Tierwohl, Klima, Verbrauchern und Wirtschaftlichkeit, die samt und sonders die Ökorinderhaltung von morgen bestimmen, mit sich bringt. „Zurzeit scheint das Klima der eigentliche Schwerpunkt jeglichen Wirtschaftens zu werden. Um eine klimaneutrale Biomilchkuh zu haben, müssten wir die Viehbesatzdichte auf fünf Kühe pro 10 ha reduzieren und gleichzeitig 100 % betriebseigenes Futter füttern, 100 % betriebseigenes Stroh einstreuen und auf 20 % der Fläche Gehölze, wie Kurzumtriebsplantagen, anbauen, die die schädlichen Klimagase ausgleichen“, brachte es der Professor provokativ auf den Punkt. Dann müsse der Milchauszahlungspreis allerdings von 50 Cent auf mindestens 2 € pro Liter klettern. Statt der 4 Mio. Milchkühe gäbe es dann nur noch 1 Mio. - „Kühe in Deutschland abzuschaffen, könnte politisches Ziel werden!“

Auf der anderen Seite sei die Milch das umsatzstärkste Einzelprodukt und trage mit 23 % zu den gesamten Erlösen in der Landwirtschaft bei. „Nur die Veredelung hat in der Summe der Jahre 2017/18 bis 2019/20 mehr Einkommen erwirtschaftet als die Milch, die also das zweithöchste Ergebnis erzielt hat! Und trotzdem plagen die Öko-Milchviehbauern dieselben Zukunftssorgen wie die konventionellen Kollegen, nämlich unter anderem hohe Auflagen und Investitionen, unsichere Hofnachfolge und die künftige Marktentwicklung. Ich bin mir aber sicher, dass es sich für einen Betrieb ökonomisch lohnt, umzustellen - vorausgesetzt, er ist nicht vorher schon als konventioneller Betrieb gescheitert“, so Prof. Dr. Rahmann.

Tierwohl mit System

Doch nicht nur provokativ, sondern auch in eine konstruktive Richtung gingen Rahmanns Hinweise zu den Maßnahmen, die Öko-Milchviehhalter für die Zukunft treffen müssten, um produktiv und wirtschaftlich zu bleiben. „Der Ökolandbau muss seine zwei wichtigsten Versprechen und Ziele (ein)halten, nämlich Umwelt und Klima zu schützen und Tierschutzstandards zu setzen.“ Das sei - kurz gefasst - über diese Stellschrauben erreichbar:

  • eine raufutterbasierte Fütterung auf der Weide
  • eine Raufutteroptimierung auf dem Acker, also über die Produktion von Proteinen über den Mischfruchtanbau zum Beispiel von Mais und Bohnen
  • eine Raufutteroptimierung auf dem Futtertisch mit gleichzeitiger Minimierung des Kraftfutteranteils
  • die Jungviehaufzucht auf der Weide bei besserem Parasitenmanagement
  • erhöhten Stallkomfort für die Tiere mit viel Licht und Luft
  • die Haltung behornter Tiere auch im Stall, möglich durch gutes Management
  • eine muttergebundene Kälberaufzucht als Verpflichtung
  • die biologische Bullenkälbermast
  • Eigenkontrollen beim Tierwohl „mit System“.

Für wichtig hielt der Referent aus Schleswig-Holstein auch den möglichen Ausstieg aus der Milchproduktion, wenn „Hirn, Hand und Herz“ - also Wissen, Können und Wollen - nicht mehr übereinstimmen. „Der Ökolandbau muss aus dem Image der vermeintlichen „Hedi-Idylle“ heraus und, ganz nach dänischem Vorbild - in den Massenmarkt-Wettbewerb einsteigen“, lautete die abschließend erneut provokativ formulierte Forderung von Prof. Dr. Gerold Rahmann.


Intelligente Lösungen schaffen

Auch bei Andreas Pelzer, Landwirtschaftskammer NRW, ging es in erster Linie um die Interaktionen zwischen Tierwohl und Umweltwirkungen der Milchviehhaltung. Dass es dieses Zusammenspiel gibt, daran bestehen für den Referenten keine Zweifel. „Die Zielkonflikte sind groß! Es geht nun darum, Prioritäten zu setzen und schnell zu Lösungen zu kommen, um eine zukunftsfähige Ausrichtung der Tierhaltung zu finden“, meinte Pelzer.

Dabei nahm er zwei Herausforderungen genauer in den Blick: Digitalisierung und Nachhaltigkeit, die beide gleichermaßen die Produktion beeinflussen. „Die Digitalisierung und Automatisierung ist zwar schon weit, dennoch stehen wir da erst am Anfang, da sich die Robotik zum Beispiel permanent weiterentwickelt. Ich denke an die Vision, wenn Roboter Kollegen werden“, füllte Pelzer den Begriff mit Leben. Der Einsatz künstlicher Intelligenz habe großen Einfluss auf Arbeitszeit und -qualität, ebenso wie auf das Tierwohl und die Umwelt.

Der Begriff der Nachhaltigkeit lasse sich nach Pelzers Auffassung auf Ökonomie, Ökologie, Soziales und das Tierwohl anwenden. „Doch wie können wir die Nachhaltigkeit messen, um sie ins Gesamtkonzept einzuordnen und die Ergebnisse in die Praxis umsetzen?“, fragte Andreas Pelzer. Bei den Umweltwirkungen sei Deutschland zum Beispiel noch nicht da, wo es sein könnte. „Da haben wir mehr Zeit mit Messen von Ammoniak, Methan und Lachgas verbracht, als mit Handeln und der Verhinderung von Emissionen dieser klimarelevanten Gase. Andere Länder, wie die Niederlande, Großbritannien und Dänemark, sind da schon deutlich weiter“, merkte er an und meinte damit zum Beispiel die Flächeneffizienz bei der Futtervorlage im Stall, die in Großbritannien auf Futterinseln und nicht mehr auf Futtertischen gemacht werde, oder den Bau von Hochsilos zur Futterlagerung, statt in Fahrsilos breite Flächen mit wasserdichtem Beton zu versiegeln, oder die Gestaltung von Laufflächen mit strukturreicher Einstreu, um Emissionen zu reduzieren.

Es gebe aber auch im Stall Lösungen für mehr Tierwohl bei geringeren Umweltwirkungen. „Mit Robotern kann man die Laufflächen zum Beispiel stetig sauberhalten, statt sie ab und zu zu reinigen. Das tut der Umwelt und den Klauen gut. Man kann Urin und Kot trennen, wie es in Holland schon praktiziert wird, um die Ammoniakbildung zu verhindern. Und eigentlich bräuchte jeder Kuhstall eine eigene Biogasanlage direkt am Güllelager, um die Nährstoffe herauszufiltern und zu nutzen“, schlug der Milchviehfachmann einige neue Konzepte auch für Deutschland vor. „Ideen und Innovationen sind da, es gibt in Bezug auf Fütterung, Haltung, Technik und Bauen Ansätze, die aber erst zusammengebracht und in Summe in der Lage sind, wirkliche Reduktionen bei den Emissionen und Immissionen zu erreichen“, meinte er. Förderprogramme könnten helfen, diese zu fördern und in Deutschland in die Praxis umzusetzen.

Meike Siebel,

Landwirtschaftskammer NRW

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