Von der stetigen Ausdehnung des Marktvolumens profitiert der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel (LEH) in besonderer Weise. Etwa 60% des Gesamtumsatzes entfallen auf diesen Vermarktungsbereich. Aber auch der Naturkosthandel sowie die Fachgeschäfte, beispielsweise Metzgereien und Bäckereien, verzeichnen weiterhin Umsatzzuwächse, die jedoch 2021 nicht das Niveau von 2020, dem Corona-bedingten Boomjahr, erreichen.
Branchenspezialisten zufolge stagniert bei den Bio-Läden, Bio-Supermärkten und Bio-Lieferdiensten der Umsatz in den ersten drei Quartalen 2021 im Vergleich zum Vorjahrszeitraum. Einzig die Hofläden erzielen erneut ein Plus von etwa 4 % gegenüber dem Vergleichszeitraum 2020. Das ist deshalb bemerkenswert, weil gerade den Hofläden in der Vergangenheit immer wieder einmal das langsame Aussterben vorausgesagt wurde. Die jüngsten Zahlen widerlegen diese These deutlich.
Insgesamt wird die Nachfrage nach den Erzeugnissen des Ökolandbaus auch zukünftig groß sein und weiterwachsen. Da auch die politischen Weichenstellungen und noch viel stärker der gesellschaftliche Diskurs die nachhaltige Lebensmittelproduktion fördern, ist grundsätzlich von einer kontinuierlichen Marktentwicklung auszugehen. Das Thema der Preisgerechtigkeit gewinnt jedoch gleichzeitig und in steigendem Maße an Bedeutung. Schon jetzt gibt es Produktionsbereiche, in denen zumindest zeitweise die zu erzielenden Erzeugerpreise kaum noch eine Kostendeckung ermöglichen. Ein Augenmerk muss also darauf liegen, sowohl bei den Marktpartnern als auch bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern ein noch stärkeres Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Bio seinen Preis hat. Und dieser Preis muss für viele Bioerzeugnisse zukünftig noch deutlich über dem liegen, den wir augenblicklich kennen. Eine Erkenntnis bleibt aber bestehen: Die Einstiegsmöglichkeiten für neue Erzeuger sind weiterhin grundsätzlich gut.
Die Bio-Schweinehalter in NRW freuen sich derzeit über stabile und sehr gute Preise mit steigender Tendenz. Die Agrarmarkt Informations-Gesellschaft mbH (AMI) wies für Oktober 2021 einen Preis von netto 3,93 €/kg Schlachtgewicht (SG) für pauschal abgerechnete Tiere aus, Schweine der Handelsklasse E wurden mit 4,01 €/kg SG angegeben. 25 kg schwere Bio-Ferkel wurden in diesem Zeitraum mit etwa 150 € gehandelt. Auch hier gibt es eine weiterhin positive Preistendenz. Seit mehreren Jahren steigt außerdem die Nachfrage des Handels nach Bio-Schweinefleisch, jedoch muss berücksichtigt werden, dass der Markt für Bioschweinefleisch mit etwa 1 % am Gesamtvolumen noch sehr klein ist. Langfristig kann auch durchaus die Frage gestellt werden, in welchem Ausmaß zukünftig Schweinefleisch in Deutschland konsumiert wird. Alle Experten rechnen mit einem deutlichen Rückgang. Die Bio-Branche wird diese Entwicklung eines Tages auch zu spüren bekommen, allerdings deutlich nach der im konventionellen Schweinemarkt.
Die NRW-Biomilcherzeugung stagniert seit etwa zwei Jahren und beträgt in etwa
91 500 t jährlich, was einem Biomilchanteil von rund 2,7 % entspricht. Dadurch, dass die Verarbeitungskapazitäten der in NRW Bio-Milch aufholenden Molkereien ausgeschöpft und nennenswerte Ausweitungen nicht in Sicht sind, entwickelt sich das Angebot nicht weiter. Dabei wären eigentlich die Zeichen auf Wachstum gestellt, denn es zeigt sich doch von Nachfrageseite her weiterhin ein wachsender Bedarf. Anlass zur Sorge bieten jedoch die ausgezahlten Erzeugerpreise: Zwar liegen diese seit mehreren Jahren sehr stabil bei netto etwa 48 bis 49 Ct/kg., jedoch werden gleichzeitig Produktionskosten von 60 bis 65 Cent/kg ermittelt. Daraus ergibt sich ein erheblicher Handlungsdruck.
Der Bio-Getreidemarkt ist im Grundsatz gut entwickelt und innerhalb der üblichen Schwankungen weitgehend kalkulierbar. Die Erzeugerpreise, die zwischenzeitlich sowohl im Konsum- als auch im Futtergetreidebereich unter Druck geraten waren, haben sich allgemein und auf breiter Front erholt. Insgesamt ist für dieses „Brot und Butter – Geschäft“ des ökologischen Ackerbaus wenig Überraschendes für die Zukunft zu erwarten. Allerdings ist die von der augenblicklich hohen Teuerungsrate stark betroffene Transport-Logistik noch zu erwähnen. Dort kann es punktuell zu Einschränkungen bei der Verfügbarkeit beziehungsweise der Handelbarkeit von Getreide und damit auch bei der Wirtschaftlichkeit in der Vermarktung kommen.
Ein Nachfragesog wird bei Bio-Eiweißfuttermitteln entstehen. Die zum 1. Januar 2022 in Kraft tretende neue EU-Öko-Verordnung schreibt eine 100 % Bio-Fütterung vor. Um die in den letzten Jahren stark gewachsenen Tierbestände in Ökobetrieben ausreichend zu versorgen, bedarf es einer deutlichen Steigerung bei Leguminosen. Dies wird, so die Prognose, auch zu steigenden Preisen führen.
Die Nachfrage nach Bio-Gemüse war in den ersten drei Quartalen des Jahres 2021 Jahres sehr hoch. Die AMI registrierte eine um rund 11 % im Vergleich zum Vorjahr gestiegene Einkaufsmenge in Deutschland. Es ist davon auszugehen, dass im bevölkerungsreichen NRW ein Großteil des Umsatzes standfand. Obwohl es auch hier in der Vergangenheit einen erheblichen Corona-Effekt gab, weist vieles darauf hin, dass die Nachfrage auch weiterhin ansteigt. Das Frischesegment ist von jeher ein Gradmesser für den Bio-Konsum gewesen und auch jetzt verbinden die Verbraucherinnen und Verbraucher Obst und Gemüse in besonderer Weise mit dem Öko-Landbau. Allerdings gilt auch hier: Sobald es Übermengen durch Produktionsausweitungen gibt - wie zum Beispiel bei Biomöhren in den Niederlanden - drückt das auf den Erzeugerpreis. Für alle Bereiche gilt mehr denn je: Bio-Erzeuger in Europa, schließt euch zusammen.
Dr. Karl Kempkens, Georg Pohl,
Landwirtschaftskammer NRW
Die Landwirtschaftskammer bietet eine umfassende Umstellungsberatung an. Mit einem kostenlosen Betriebs-Check im Rahmen der Bio-Offensive kann jeder Betrieb Hinwiese darauf erhalten, ob grundsätzlich eine Umstellung im jeweiligen Fall möglich ist.
Für den 8. März 2022 ist in Haus Düsse, Bad Sassendorf, ein Umstellertag unter dem Motto: „Umstellen auf Öko-Landbau – Eine Chance für meinen Betrieb?“ geplant, bei dem die wichtigsten Aspekte des Einstiegs in den Ökolandbau für interessierte Betriebe beleuchtet werden. Nähere Informationen bei Georg Pohl, E-Mail: georg.pohl@lwk.nrw.de, oder unter Telefon: 0221/ 53 40-272.