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"Die Verbraucher auf Biomilch umstellen"

13.12.2016

Anfang Dezember trafen sich Landwirte, Berater aus Landwirtschaftskammer und Verbänden sowie einige Vertreter der Bio-Molkereien zur 7. Düsser Öko-Milchviehtagung. Sie warfen gemeinsam einen Blick auf den Milchmarkt, auf Absatz und Erzeugung. In diesem Bericht geht es um die Marktentwicklung im Handel und die Erwartungen der Molkereien, die aus dem Umsteller-Boom 2016/17 resultieren.

Zusammen mit der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, der Landesanstalt für Landwirtschaft Hessen und den vier Ökoanbauverbänden Bioland, Naturland, Biokreis und Demeter hatte die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen ins Landwirtschaftszentrum Haus Düsse nach Bad Sassendorf eingeladen. "Die 160 Anmeldungen zum 7. Düsser Öko-Milchviehtag zeigen, dass die Themen rund um die Ökomilchviehhaltung nach wie vor auf großes Interesse stoßen!", betonte Johannes Frizen, Präsident der Landwirtschaftskammer NRW, in seiner Begrüßungsansprache. Die bedenkliche Situation auf den konventionellen Betrieben und das konstant hohe Preisniveau für Ökomilch hätten zu einer beeindruckenden Umstellungswelle geführt. "Für das Jahr 2017 soll es ein Plus von 30 % an Ökomilcherzeugern geben. Ich kann nur hoffen, dass die aufnehmenden Molkereien auf diese extreme Entwicklung verantwortlich reagieren und nicht ihrerseits die Preise verfallen lassen“, so Frizen in Richtung der Molkereivertreter.

Frizen betonte außerdem das Ergebnis einer Auswertung von Kennzahlen der Ökomilcherzeugung: Hiernach seien den Landwirten Milchpreis und Effizienz wichtiger als die EU-Prämien für die Ökobetriebe. "Die Ökoleitbetriebe in NRW und der Ökoversuchsbetrieb der Landwirtschaftskammer NRW in Haus Riswick mit seiner fundierten Aus- und Fortbildung im Ökolandbau zeigen immer wieder einen hohen Sachverstand der Akteure im Biobereich auf. Das bedeutet auch, dass alle Partner entlang der Wertschöpfungskette "Milch" bemüht sind, sich gemeinsam und konsequent gemäß der Ökomaßstäbe weiterzuentwickeln", zeigte sich der Präsident zuversichtlich.

Jörn Bender, Biokreis e.V und derzeit Vorsitzender der Landesvereinigung Ökologischer Landbau NRW, LVÖ, freute sich über den breiten Veranstalter- und Teilnehmerkreis an der Tagung. "Der Spagat über Landes- und Organisationsgrenzen hinweg ist möglich. Der Ökolandbau selbst macht ja auch keinen Halt an der Landesgrenze", betonte Bender und sprach damit Futterbau, Milchaufholung und Vermarktung der Produkte an. Auch die Öko-Anbauverbände hätten im letzten halben Jahr eine massive Nachfrage nach Umstellungsberatung erfahren. Die Sorge, ob auch die richtigen Betriebe umstellen und es nicht zu viele sind, habe sich rund acht Monate nach der großen Umstellertagung auf Haus Düsse im März dieses Jahres (nachzulesen in der LZ-Ausgabe 11-2016) und zahlreiche Beratungsgespräche weiter zerstreut. "Es gibt das optimistische Weiter so", meinte  der LVÖ-Vorsitzende. Dabei sei der Entschluss zur Umstellung nicht allein der besseren ökonomischen Situation geschuldet. "Es ist eine Entscheidung für eine grundlegend andere Bewirtschaftungsform!"

Infotainment für die Milch

Dr. Jan Niessen ist Marketingleiter bei Bioland. Als solcher hat er sich der Entwicklungen und Potenziale der Absatzförderung von Bioprodukten angenommen. Niessen zeigte zunächst die große Diskrepanz zwischen heimischer Nachfrage nach Bioprodukten und dem heimischen Markt. "Die Importe von Bioprodukten von derzeit 30 % - die es immer, auch nach einem Bio-Boom in Deutschland, geben wird -  zeigen deutlich das große Potenzial auf dem Biomarkt. Auf dem Milchmarkt fehlten im Jahr 2016 280 Mio. kg Milch!", rechnete der Marketingexperte vor.

Für die in Deutschland erzeugte Bio-Milch müssten die Landwirte vehementer einstehen und ihre eigene Meinung über den Mehrwert der Bio-Milch zu den Verbrauchern tragen. "Nur Abliefern reicht nicht, die Landwirte müssen um die Kunden werben. Zum Beispiel ist es wichtig, den Verbrauchern Bio als Lebenseinstellung zu vermitteln, in der Naturschutz, Tierwohl und auch soziale Standards eine Selbstverständlichkeit sind und nicht erst per Initiative verschrieben werden müssen", meinte Niessen. "Die Kunden müssen denken: Ja, Biobauern erfüllen meine Erwartungen  am besten!" Parallel zur Imagepflege müsse sich eine Vertriebsdynamik entwickeln. "Die Bio-Milch steht im Wettbewerb zu anderer Mehr-Wert-Milch, wie gentechnikfreier Milch, Weidemilch oder den regionalen Molkereiprodukten. Welche zusätzlichen Pluspunkte der Bio-Milch kann man kommunizieren, damit sie aus der Menge der anderen Mehrwertmilch herausragt?"

Von 2014 zu 2015 habe es ein Umsatzwachstum von 10 % für Bio-Frischprodukte  gegeben; besonders große Zuwächse habe es im Lebensmitteleinzelhandel gegeben, wo der Kunde die Wahl habe zwischen vielerlei Frischwaren. "Im Naturkosthandel war der Zuwachs nicht so frappierend, da es da per se nur Bioprodukte gibt." Hier spiele eher die Konkurrenz zu veganen Produkten eine Rolle, wobei sich dieser Trend vermutlich nicht ewig halte. "Ich empfehle, eng mit dem LEH zusammenzuarbeiten und die Bio-Milch und Milchprodukte gemeinsam zu bewerben. Dem LEH ist daran gelegen, die Wertigkeit von Bio-Milch und anderen Bio-Frischprodukten zu unterstreichen“, wusste Dr. Jan Niessen zu berichten. So seien in Werbeflyern nie die Preise rot durchgestrichen und günstigere druntergedruckt, was sofort an Ramschware denken lasse. Man könne bio und regional gemeinsam bewerben oder auch kurze redaktionelle Beiträge in den Werbeflyern abdrucken, die das "Mehr an Wertigkeit" von Bio-Milch erklärten. "Solche Aktionen bringen richtig was!", zeigte sich der Marketingfachmann überzeugt.

Der Spruch der CMA in den 1980er-Jahren – "Die Milch macht’s!" – sei heutzutage der falsche Ansatz. Es müsse heißen: "Trinkt die richtige, also Bio-Milch!", da sie Erzeuger, Umwelt, Natur und Verbraucher ernst nehme. "Was außerdem wirklich zieht, ist das Argument "Faire Preise für unsere Bauern". So sei die Marketing-Maßnahme von Alnatura, die auf den Milchpackungen deutlich macht, dass "das Mehr auch wirklich beim Bauern ankommt" und damit den höheren Preis rechtfertigt, richtungsweisend und clever. "Es gibt viele Wege, die Kunden auf die Bio-Milch zu prägen. Alle Medien können genutzt werden, wie Social Media, Interaktionen auf Internetseiten oder Videos. Allgemeine Infos für Verbraucher schön aufgemacht, die einfache Lösungen bieten: Kauft Bio-Milch und alles wird gut. Das ist es, was den Verbraucher anspricht", appellierte Niessen an die Kreativität der Landwirte und auch Molkereien. "Jetzt müssen wir nur noch die Verbraucher auf Bio-Milch umstellen!", endete der Bioland-Marketing-Fachmann.

Viele sollen sich Bio leisten können

Wie entwickeln sich Molkereiprodukte in der Naturkostbranche am Beispiel "Alnatura"? Dr. Manon Haccius, Alnatura Produktions- und Handels GmbH, sieht ihr Unternehmen als Mittler zwischen Einzelhandel und Erzeugern, das die kleinen Stimmungen der Landwirtschaft an die Kunden weitergeben möchte. "Alnatura hat eine Vision: Warum ist Bio gut? Weil Bio sinnvoll ist für die Menschen und die Erde. Und Alnatura hat eine Mission: Was möchten wir erreichen? Wir möchten Leistungen erbringen in bester Bio-Qualität und diese ästhetisch ansprechend und zu einem günstigen Preis anbieten können", fasste Haccius die Unternehmensphilosophie knapp zusammen.

Möglichst viele Menschen sollen sich Bioprodukte leisten können und die Bauern sollen einen fairen Preis bekommen. "Fair, öko, tiergerecht und nachhaltig sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sowohl die Biolandwirte, als auch der Handel sollten klare, glaubwürdige Kriterien definieren und diese entschieden umsetzen", empfahl die Marktexpertin mit Blick auf die Genossenschaften, die diese Kriterien allen ihren Betrieben schmackhaft machen müssten. So dürfe man nicht aus Verzweiflung Biobauer werden – "die Landwirte müssen den Zusatznutzen über Bio hinaus erkennen." So habe Alnatura zusammen mit dem Nabu, eine Initiative für mehr Biobauern gestartet und über ein Beratungsangebot 15 landwirtschaftliche Betriebe mit insgesamt 3 500 ha umgestellt. "Das ist immerhin ein Siebtel der in 2015 umgestellten Fläche", betonte Manon Haccius. Über derlei Unternehmensaktivitäten mache man sich unabhängig von der Politik.

Seit zehn Jahren arbeitet das Öko-Unternehmen mit der Upländer Bauernmolkerei zusammen und unterstützt mit Aktionen für einen fairen Milchpreis die Biomilch-Lieferanten. Die Molkerei zahlt einen Preis X an die Landwirte für die Milch, die die Molkerei verarbeitet, und wir legen noch 5 Cent obendrauf." Das gehe aber nur so lange gut, wie der Biobereich vom konventionellen Milchpreis abgekoppelt und nicht zuviel Biomilch auf dem Markt sei. Mittlerweile gebe es eine Zusammenarbeit mit 19 Molkereien in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Alnatura sei breit in der Biomilchbranche vernetzt. "im Jahr 2015/16 haben wir 25 Mio. l Biomilch vermarktet", so Manon Haccius, 1 l frische Alnatura-Vollmilch koste 1,15 €. Dabei punkte das Unternehmen auch mit vielen Spezialmilchprodukten, wie Schaf- und Ziegenmilch oder lactosefreier Milch.

Im Durchschnitt seien 4 % der in Deutschland eingekauften Produkte Bioprodukte; Eier ragten mit 11,5 % weit oben raus, und auch Konsummilch liege mit 6,3 % über dem Durchschnitt. "Aber Quark, Butter und Käse sind mit um die 3 % beziehungsweise bei Käse knapp 2,3 % weit hinter dem Durchschnitt zurück. Da ist noch jede Menge Spielraum!", betonte die Marktexpertin. Insofern empfahl sie den Biolandwirten und Molkereien, mehr gute, leckere, schöne Verarbeitungsprodukte auf den Markt zu bringen, und das zu bezahlbaren Preisen. "Die Wachstumschancen eines attraktiv verarbeiteten Erzeugnisses sind ungleich größer als für unverarbeitete Produkte, wie Trinkmilch."

Söbbeke, Upländer und BMI

Wie schätzen die Biomolkereien die Entwicklungen auf dem Markt ein? Was sind die Herausforderungen für die Zukunft? Und welchen Herausforderungen müssen sich die abliefernden Betriebe stellen? Zu diesen Fragen nahmen Matthias Flothmann, Molkerei Söbbeke GmbH, Josef Jacobi, Upländer Bauernmolkerei GmbH, und Sebastian Kraus, Bayerische Milchindustrie e.G, BMI, Stellung.

  • Söbbeke möchte seine Markenbildung vorantreiben und den Export vor allem gen Frankreich intensivieren. Die Unternehmensphilosophie stelle den Genuss in den Vordergrund, daher gebe es auch die Vielfalt an verarbeiteten Produkten. Flothmann fürchtet auch bei Bio einen Preisverfall, sollte es in Zukunft mehr Milch als Produkte geben. "Wir mussten umstellungswilligen Betrieben rigoros absagen, obwohl wir die Menge gut hätten verdoppeln können. Die Verarbeitungskapazitäten sind da. Aber die Aufnahmekapazität des deutschen Marktes passt nicht dazu." Söbbeke denke darüber nach, ein A- und B-Preismodell einzuführen.

    Flothmann zeigte sich überzeugt, es sei besser, mit einer eigenen Marke in den LEH zu gelangen und sich keiner Handelsmarke zu unterwerfen. "Wir möchten nicht austauschbar sein!" Die Betriebe selber sollten sich streng an die Leitlinien ihrer Verbände halten, die würden regelmäßig in Betriebschecks überprüft.

  • Upländer würde gerne jedem, der umstellen möchte, die Möglichkeit geben, an die Molkerei zu liefern. "Sobald man die Chance hat, in eine Biomolkerei zu kommen, sollte man sie nutzen!" Molkereigründer Josef Jacobi appellierte an die Biolandwirte, sich zu Erzeugergemeinschaften zusammen zu schließen. "Auf keinen Fall sollten die Biomilchviehhalter jetzt uferlos drauflos produzieren, so dass sich die Molkereien gegenseitig die Preise kaputt machen." Upländer habe eine Bedarfsanalyse der nächsten vier Jahre gemacht und daraufhin in drei Stufen fünf, zehn und nochmal zwei Umstellerbetriebe aufgenommen. "Die Warteliste ist lang; wir nehmen aber nur so viele, wie Milch gebraucht wird", schränkte Jacobi ein. Upländer behandelt Übermilch mit Preisabzügen.

    Das Exportgeschäft interessiere Upländer nicht. "In jedem Liter Milch steckt ein schönes Stück Region" – so der Werbeslogan. Das sei das Image der Upländer Molkerei, daher sei man nicht exportorientiert. "Der heimische Markt ist ein sicherer Markt!"

    Die Anforderungen an die Mitgliedsbetriebe seien hoch, zwei  Qualitätsbeauftragte würden nach einem Ampelsystem die Einhaltung aller Richtlinien überprüfen. "Wir bieten eine fundierte Beratung an zur Verbesserung der Standards", so Jacobi.

  • Die Bayerische Milchindustrie, BMI eG, nimmt seit 2013 Biomilch an. Seit mehr als 25 Jahren erzeugt die BMI Molke und Molkepulver, neuerdings auch Biolactose. "Wir haben also ein Zusatzinteresse an Milch", da die Molkerei sich breiter in der Vermarktung aufstellen wolle. So soll ein Markenkonzept für Käse, Quark und Butter entwickelt werden. Außerdem sei die BMI stark im Export, unter anderem von Molkepulver für Babynahrung. "Wir streben die Zertifizierung für den chinesischen Markt an", so Sebastian Kraus. Im Babynahrungsbereich sieht er die Herausforderungen für Molkerei und Landwirte.

    Die Eigenmarke sei für die BMI nicht unangreifbar, Krauss sieht in einem ausgewogenen Mix von Eigenmarke plus Handelsmarken der jeweiligen Partner eher eine Zukunftsstrategie für die Produkte der BMI. "Auch im LEH besteht großes Interesse, Biomolkereien mit ihren eigenen Markennamen ins Sortiment aufzunehmen", wusste Kraus.

    Der Molkerei liegt die Weidehaltung sehr am Herzen. "Das ist ein wesentliches Aufnahmekriterium für uns!" Außerdem sei Silagefütterung nicht erwünscht.

Zu guter Letzt durften die Molkereivertreter noch einen Wunsch ihres Unternehmens an die Landwirte richten:

  • "Die Biolandwirte müssen zusammenhalten und dürfen sich nicht gegeneinander ausspielen. Ein langer Atem bei Verhandlungen hilft, wenn man in eine Richtung arbeitet", so Josef Jacobi.
  • "Auch wir wünschen uns den Zusammenhalt der Biolandwirte und eine enge Zusammenarbeit mit der Molkerei, damit man sich gemeinsam mit der Vermarktung entlang der Wertschöpfungskette beschäftigen kann", so Sebastian Kraus.
  • "Wir wünschen uns, dass sich die konventionellen Milchpreise erholen, damit die Preisunterschiede nicht mehr so groß sind und wir unsere Biomilch noch besser vermarkten können", so Matthias Flothmann.

Quelle: LZ Rheinland Nr. 49 - 2016, Meike Siebel, 08. Dezember 2016

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