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Eigene Wege ins Wachstum

06.08.2021

„Kennst du hier in der Gegend noch jemanden, der ähnlich vorgeht wie wir?“ Auch seine Partnerin und Ehefrau Carmen Coenen-Trippen muss diese Frage verneinen. „Kartoffelkult“, so die Namensgebung für den Betrieb mit Alleinstellungsmerkmalen in der regionalen Vermarktung, gibt es seit 2013. Damals übernahm der Betriebsleiter den elterlichen Betrieb, auf dem er schon ein paar Jahre als starke Stütze aushalf. Als gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann in der Sparte Landhandel hatte er nach jeweils einem Praxisjahr auf Betrieben mit Kartoffelanbau in Kleve und Schleswig-Holstein zusätzlich den staatlich geprüften Agrarbetriebswirt abgeschlossen. Zurück in Rommerskirchen, arbeitete er auf dem Betrieb mit und entschied sich schließlich, den elterlichen Ackerbaubetrieb mit Schwerpunkt im Kartoffelanbau und kleiner Flächenausstattung von 50 ha im Vollerwerb zu übernehmen.

Touristik trifft Handel

Ende Juni 2021, gerade erst von einer Urlaubsreise zurück, macht das Ehepaar Trippen schnell klar: „Reisen muss einfach sein. Früher sind wir im Januar oft auch weiter weggeflogen.“ Offenheit dafür, Dinge anders anzupacken, auch wenn es zunächst eher unbequem oder riskant erscheint, verbindet beide von Beginn an. Von ihren gemeinsamen Reisen bringen sie ungewöhnliche Ideen in die rheinische Region mit. Süßkartoffelsorten und neue Gemüsearten werden immer wieder neu in Betracht gezogen. Denn in der Heimat mache gerade der Klimawandel manche Kulturen, wie Physalis und Süßkartoffeln, erst möglich.

Heinrich Trippen und Carmen Coenen-Trippen beobachten den regionalen Handel an Urlaubsorten und stellen fest, dass schon in Nachbarländern wie Frankreich die Uhren anders ticken. „Selbst bei großen Discounterketten findet man selbstverständlich Süßkartoffeln in Angebot, die aus der Region stammen. Und der Anbaubetrieb ist für jeden Verbraucher kenntlich gemacht“, erzählt Carmen Coenen-Trippen.


 

Nachfrage schaffen

Ganz anders stellt sich die Situation für den eigenen Betrieb dar. Die Metropole Köln liegt zwar keine 30 km entfernt, dennoch ist die Nachfrage aus dem Handel nach regionalen Produkten keine Option. Ein festes Standbein wurde der Anbau von Qualitätskartoffeln für die Herstellung von Pommes Frites. Heinrich Trippen baute gezielt Absatzwege für seine Qualitätskartoffeln auf. Seit 2015 baut er mit Lady Anna auf 22 ha eine Sorte mit hohem Vermarktungswert an. Die Sorte bringt neben einer hohen Grundvergütung oft Boni für zusätzliche Qualitätskriterien ein.

Ein weiteres gemeinsames Hobby des Paares gab den Ausschlag, ganz eigene Vermarktungswege zu finden. Der Betriebsleiter blickt zurück auf das Jahr 2011, als er Carmen Coenen, die Touristikmanagement in Köln studierte, kennenlernte. Die Großstadt Köln lockte mit einer Fülle von neuen Lokalen und Restaurants. Ein Angebot, das beide gerne annahmen. Nahe der Küche, an der Theke, nutzten sie die Chance, ins Gespräch zu kommen. Ein kultiges Kölner Burgerlokal wurde damals der erste Abnehmer für ihre Qualitätskartoffeln. „Dort suchten sie dringend Kartoffeln aus der Region für ihre selbstgemachten Pommes“, so Heinrich Trippen. Eine geschäftliche Verbindung, die sich gut entwickelte und die er weiter ausgebaut hat.

Spaß am Probieren

Es habe sich mittlerweile in Köln herumgesprochen, dass es einen zuverlässigen Lieferanten nicht nur für gute Kartoffeln gibt. Schließlich wechselten die Köche auch mal den Arbeitgeber und griffen dankbar auf eine gute Lieferadresse zurück. Und Speisekarten, auf denen der regionale Anbauer entsprechend hervorgehoben werden kann, sind für Kölner Restaurants zwar noch kein „Muss“, aber doch ein gutes Aushängeschild. Darüber hinaus sind zwei Wiederverkäufer in Köln und in Düsseldorf hinzugekommen: Metzgereien, für die das hochwertige Angebot aus der Region passt. Und mit den Apps der „Marktschwärmer“ und der „Frischepost“ haben sich weitere Vermarkter in Köln aufgetan, die der Betrieb in den vergangenen beiden Jahren gerne beliefert hat. Der eigene Hofladen wurde gerade um einen Verkaufsautomaten reicher. So können Kunden auch unabhängig von den Öffnungszeiten versorgt werden.

„Es muss auch Spaß machen“, erklärt Heinrich Trippen zum Gemüsegarten, nur etwa 50 m vor der eigenen Haustür. Auf mittlerweile 1,2 ha wird hier probiert und experimentiert, was der Markt hergibt. Anders als im klassischen Gemüsebaubetrieb wächst hier alles im Freiland. Mit schwarzer, biologisch abbaubarer Folie aus Maisstärke wird nicht nur das Unkraut in Schach gehalten. Die Folie hat einen wärmenden Effekt. Für alle wärmeliebenden Kulturarten, wie Süßkartoffeln, ist das besonders wichtig. Überhaupt gilt im Gemüseanbau der Grundsatz: Kein chemischer Pflanzenschutz! „Alles geht in die Direktvermarktung, da muss die Qualität stimmen und wir machen keine Kompromisse beim Geschmack!“, macht der Betriebsleiter klar.


 

Handarbeit hat ihren Preis

„Alles wird vermarktet, darauf legen wir besonderen Wert“, erläutert Trippen weiter. In Reihen gesät, kommt eine breite Palette von Kulturen und Sorten aufs Feld. Sieben verschiedene Süßkartoffelsorten sind es in diesem Jahr. Lila, weiße und auch zwei der bekannten orangen Sorten stehen im Anbau. Daneben Spitzkohl, Spinat, dicke Bohnen, Buschbohnen, Knoblauch, Topinambur und andere Nachtschattengewächse, wie Auberginen, Zucchini, Kürbisse, Gurken und Tomaten bis hin zu Physalis, Minze und Kurkuma. Nach dem Rezept der Großmutter eingelegte Gurken, ohne künstliche Zusatzstoffe, seien sehr gut angekommen. „Wir kochen 2 000 Gläser Gurken pro Jahr ein.“

Eine alte Pflanzmaschine kommt im Gemüsegarten wie auf dem Kartoffelacker für besondere und alte Sorten noch zum Einsatz. Geerntet wird per Hand mit Hilfe von zwei Hilfskräften. Das gilt auch für alte und besondere Kartoffelsorten, die auf 1 ha Ackerfläche in großer Vielfalt angebaut werden. „Es macht einfach Freude, die Unterschiede zu erleben.“ Man merkt es dem Betriebsleiter beim Gang über den Kartoffelacker an, dass die große Vielfalt in Kraut und vor allem in Form der geernteten Knollen es ihm angetan haben. Neben alten Sorten, wie La Ratte, Odenwälder Blaue oder Bamberger Hörnchen, kommen auch Neuzüchtungen, wie Glorietta oder Heidemarie, aufs Feld. 14 Sorten sind alljährlich fest eingeplant, weitere kommen von Jahr zu Jahr dazu. Rotschalige oder auch rotfleischige Knollen stehen bei Kunden hoch im Kurs. Sie sollen wegen ihres Gehalts an sekundären Pflanzenstoffen besonders gesund sein, weiß Heinrich Trippen. Den Schutzmittelaufwand halten sie so gering wie möglich. „Da müssen wir immer dranbleiben und alle mögliche Prognosemodelle nutzen.“

Kooperativ, flexibel und innovativ

Maschinen- und Flächentausch sind für den Betrieb mit kleiner Flächenausstattung wichtig und für Heinrich Trippen scheint dies selbstverständlich. Kartoffeln stehen in vier- bis fünfjährigem Abstand in der Fruchtfolge mit Weizen, Dinkel, Gerste und Raps. Die Sorte Landy Anna für die Herstellung von Pommes frites werden genauso wie 2,5 ha festkochende Kartoffeln für die Direktvermarktung mit einem All-in-one-Gerät gelegt.

Flexibilität und Managementqualitäten sind auch im Kundenkontakt entscheidend. Einerseits steht fest, dass das Angebot frischer Ware an natürliche Bedingungen gekoppelt ist, die das Ehepaar auch seinen Kunden vermittelt. „Es geht darum, zu erklären, und die Abnehmer daran zu gewöhnen, dass es nicht jederzeit alles gibt!“ Auch im Hofladen überwiegen Gemüse, Kartoffeln und Obst, die nur saisonal angeboten werden. Wichtiges Gebot für den Betrieb ist, „alles so zu vermarkten, wie wir es planen.“

Auf der anderen Seite kommt der Betrieb, wenn möglich, seinen Kunden entgegen. So baut er dicke Bohnen für ein griechischen Restaurant an, das besonderen Wert auf spezielle Qualität legt. Ebenso kooperiert der Landwirt mit den Küchenchefs, die wöchentlich wechselnde Gerichte auf sein saisonales Angebot abstimmen.Und Carmen Coenen-Trippen ist immer auf der Suche nach neuen Kulturarten und Kartoffelsorten, die im nächsten Anbaujahr auf den Acker kommen. In diesem Jahr waren es Ingwerminze und Physalis, deren Anbau neu ausprobiert wurde. „Dabei sind wir immer offen für die Wünsche unserer Kunden und testen, was geht.“


 

Am Puls der Zeit vermarkten

Früher hat Heinrich Trippen die frisch geerntete Ware zweimal pro Woche selbst nach Köln geliefert. „Kontakte zu Köchen und Kunden sind sehr wichtig.“ Diese schafften unter anderem die Gelegenheit, optische Abweichungen von der standardisierten Supermarktware zu erklären. Heute übernimmt ein Fahrer diese Aufgabe, hält die gute Verbindung aufrecht und beliefert zwischen 20 und 25 Restaurants in Köln.

Auch wenn der Absatz über die Marktschwärmer insgesamt sehr aufwändig ist - Bestellungen müssen groß genug sein, dass Arbeitszeit und Aufwand passen -, so sieht Heinrich Trippen auch positive Seiten, etwa von Verköstigungen am Verkaufsstandort. „Die meisten Verbraucher wissen das zu schätzen und stellen viele Fragen.“ Gerade die Marktschwärmer- und Frischepost-Verkaufsapps machten es wirtschaftlich, Gemüse auch in kleineren Mengen anzubauen. „Die Kunden sind bereit, den Mehraufwand zu bezahlen und wir erzielen faire Preise für unsere Produkte.“

Ob bei Endverbrauchern oder Köchen: „Der gute Kontakt und Austausch haben sich gelohnt“, berichtet Trippen aus seiner Erfahrung der letzten Jahre. Und Verbraucher reagierten oft erleichtert und sogar erfreut, wenn sie erfahren, dass optische Abweichungen ein Zeichen für weniger chemischen Pflanzenschutz sind. Trippen weiß, dass schriftliche Hinweise und Erklärungen an der Ware nicht dasselbe bewirken. „Die werden in der Regel nicht gelesen.“ Instagramm, Facebook und Co. bieten dagegen beste Voraussetzungen, auch in Pandemiezeiten den Kundenkontakt zu halten oder sogar weiter auszubauen. „Hier kann man nicht nur das aktuelle frische Angebot einstellen, sondern auch mit kurzen Videos die Kunden abholen und mitnehmen. Das ist sehr wichtig, um zu erklären, was wir machen“, bestätigt das Ehepaar. Dies rechtfertige auf jeden Fall den Zeitaufwand von etwa 1,5 Stunden, die Carmen Coenen-Trippen täglich investiert. Während des Lock-Downs seien die Clips besonders gut angekommen, was die Nachfrage weiter angeschoben habe. Die Köche seien sogar nach Rommerskirchen gefahren, um sich alles vor Ort einmal anzusehen. „Ein Kurzvideo ist hilfreicher als lange Texte“, so ihre Erfahrung.

Mit erhaltenswerten, alten Sorten und ausgefallenen Kulturarten planen die beiden jetzt, ihre Position im System weiter auszubauen. Und sie suchen dabei weiter nach neuen, fairen Vermarktungswegen fernab der großen Supermarktketten. „Sich durch Qualität herausheben und wachsen, um so den Betrieb fit für die Zukunft zu machen.“

Christiane Aumüller-Gruber,

LZ Rheinland 29/2021

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