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Fleisch selber vermarkten – worauf kommt es an?

30.09.2021

„Wer in die Direktvermarktung von Fleisch einsteigt, muss seine Nische im Markt finden. Dabei sollte man immer vom Markt zum Produkt denken, denn im Prinzip verkauft man in volle Schränke, die Kunden warten nicht auf ein neues Angebot, sondern man muss versuchen, ein Stück vom Markt von anderen Anbietern abzugreifen“, so Leonie Hagenkamp von der Landwirtschaftskammer NRW. Das zeige auch der Blick auf den Fleischmarkt. Der Selbstversorgungsgrad bei Fleisch liege in Deutschland bei 117 % bei rückläufigem Fleischkonsum, der 2020 bei 57,3 kg pro Kopf lag. Der Verzehr von Schweinefleisch sei dabei von 2019 zu 2020 um 940 g pro Person zurückgegangen, Rindfleisch um 40 g und Geflügelfleisch habe um 180 g zu gelegt. Dazu kommen pflanzliche Fleischersatzprodukte, die um 39 % von 2019 zu 2020 zugenommen hätten. Immerhin 10 % der Bevölkerung geben an, vegetarisch zu essen, 2 % seien Veganer, die gar keine tierischen Produkte mehr verzehren, und 55 % seien Flexitarier. „Das sind Menschen, die auch mal auf Fleisch verzichten, aber wenn sie Fleisch essen, achten sie darauf, wo es herkommt“, so Leonie Hagenkamp. „Das sind interessanterweise nicht nur die jungen Leute in der Stadt, sondern Menschen, die großen Wert auf eine artgerechte Haltung und die Herkunft legen.“

Immerhin 20 % des erzeugten Fleischs gehe in die Fütterung der rund 40 Mio. Haustiere in Deutschland, auch dies könne eine Nische sein, wie die Expertin anhand eines Betriebs im Allgäu zeigte, der Hundesnacks herstelle.

Grundsätzlich sei die Vermarktung von Rindfleisch etwas einfacher zu kommunizieren, da es sich hier oft um Weidehaltung handelt und die Kunden dies auf dem Hof erleben könnten.

Trotz dieses Potenzials wies Leonie Hagenkamp auf das sich ändernde Einkaufsverhalten der Verbraucher und die schrumpfenden Haushaltsgrößen hin. Die Vorratshaltung ginge zurück, viele Verbraucher hätten zum Beispiel keine große Tiefkühltruhe mehr. Der Außer-Haus-Konsum nehme weiter zu, bequeme, bereits küchenfertig zubereitete Produkte lägen im Trend und Koch- oder Grillevents am Wochenende, die mit Freunden zelebriert würden, nähmen zu. Darauf müsse man sich in der Direktvermarktung einstellen.


Viele Gesetze

Natürlich sind auch bei der Fleischvermarktung rechtliche Vorgaben zu beachten. Leonie Hagenkamp ging zunächst auf die Frage der Gewerblichkeit ein, die einmal aus steuerlicher Sicht und zum anderen aus geweberechtlicher Sicht betrachtet werden muss. Werden hier bestimmte Umsatzanteile überschritten, muss ein Gewerbe angemeldet werden. Hier könne die Beratung der Kammer und der Steuerberater sowie die zuständigen Ämter weiterhelfen.

Werden alte Gebäude umgebaut oder neue errichtet, ist nach Baurecht eine Baugenehmigung einzureichen, so die Expertin. Weiterhin müsse das Handwerksrecht beachtet werden. Lebensmittelverarbeitung ist den Handwerksberufen, wie zum Beispiel dem Metzger, vorbehalten. Werde die Direktvermarktung „in unerheblichen Umfang“, also mit einer Arbeitszeit unter 1 665 h/Jahr oder unter einem Umsatz/Gewinn von 50 000 € durchgeführt,  ist dies möglich. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, zum Beispiel einen Metzger auch in Teilzeit einzustellen.

Wer leere Verpackungen befüllt, muss sich laut Verpackungsgesetzt kostenlos registrieren unter www.verpackungsregister.org. Alternativ könne man auch am Dualen System gegen eine mengenabhängige Lizenzgebühr teilnehmen. „Dabei stellt sich die Frage, ob der Landwirt der Befüller der Verpackungen ist oder vielleicht der Metzger, der das Fleisch zerlegt. Hier sollte man auf jeden Fall das Gespräch suchen und sich nicht den Metzger verärgern, den man unter Umständen mühsam gefunden hat, indem man ihm die Gebühren aufbrummt“, so der Rat von Leonie Hagenkamp.

So geht’s los

Doch wie baut man konkret den neuen Betriebszweig auf? „Zunächst sollte man ein Ziel definieren, am besten schriftlich, denn das braucht man unter Umständen später ohnehin für einen Business-Plan und so lässt sich dann auch der Erfolg kontrollieren.“ Oft sei eine höheren Wertschöpfung aus der Tierhaltung oder vielleicht eine bessere Nutzung alter Gebäude ein Ziel.

„Schwieriger ist die Frage zu beantworten, welche Nutzung der Kunde vom neuen Betriebszweig hat. Dazu muss man sich über seine Zielgruppe klar werden. Will ich Familien oder Senioren ansprechen? Oder vielleicht spezielle Grillpakete anbieten? Dann ergibt sich daraus auch oft schon ein Kommunikationskonzept. Griller bekommen zum Beispiel ein passgenaues Angebot für das Grillen am Wochenende mit Freunden. Wie mache ich die Kunden glücklich – das ist die Frage, die dahintersteht“, so Leonie Hagenkamp.

Dann braucht man eine Geschäftsstruktur. Dazu zählen zum Beispiel der Produktkatalog, aber auch die richtigen Partner, wie der Metzger oder Familienmitglieder mit besonderen Fähigkeiten. „Man muss nicht alles selber machen. Unternehmer sein heißt auch, Aufgaben abzugeben, zum Beispiel beim Vertrieb oder bei der Werbung.“ Damit der neuen Betriebszweig auch Gewinn einfahren kann, sollte man Kosten und mögliche Umsätze gegenüberstellen. Und schließlich sollte alles in der Frage münden: „Was macht meine Fleischvermarktung einzigartig und wie hebt sie sich von anderen ab“, so die Beraterin.


Ganz oder zerlegt?

Mögliche Produkte und ihre Absatzwege bei Fleisch stellte Carina Steinhaus, Landwirtschaftskammer NRW, im Anschluss vor. Die Vermarktungsvielfalt gehe von ganzen oder halben Tieren oder Fleischpaketen über Einzelstücke bis zu verarbeiteten Wurstwaren. Dementsprechend vielfältig sei auch die Vermarktung, angefangen bei festen Abholterminen bis zum täglich geöffneten Hofladen. „Die Grundlage ist aber in jeden Fall die Qualität Ihrer Produkte und hier spielt der Metzger eine zentrale Rolle. Das geht vom Schlachten über das Zerlegen bis zum Vakuumieren und zur Kennzeichnung. Denken Sie an die Kühlung, auch während des Transports“, so der dringende Rat der Beraterin.

Würden ganze oder halbe Tiere vermarktet, sei der organisatorische Aufwand nicht so groß und der Kundenbon hoch, pro Kunde werde also ein relativ hoher Betrag eingenommen. Der organisatorische Aufwand sei geringer, weil zum Beispiel nur einen Termin gebe, an dem die Kunden die Ware abholen. Vorteil sei hier, dass das Tier komplett verwertet werde. Allerdings müsse man hierbei auch Kunden finden, die Lagermöglichkeiten für größere Fleischmengen hätten. Carina Steinhaus nannte hier Beispiele von Betrieben, die zum Beispiel unter „share a pig“, als teile ein Schwein, Fleisch anbieten und die Kunden organisieren sich selber bei der Aufteilung der Schweine.

Steht die Vermarktung von Fleischpaketen im Vordergrund, können auch individuelle Kundenwünsche eher berücksichtigt werden. Auch hier gebe es einen hohen Kundenbon, so die Expertin. Als Beispiele nannte sie spezielle Sonntags-Pakete oder Familienpakete. „Der Abholtermin kann mit einer Hofführung kombiniert werden, das erhöht die Kundenbindung.“ Kundenwünsche können noch stärker beim Verkauf von Einzelteilen berücksichtigt werden. Hier sei die Preisgestaltung deutlich differenzierter je nach Art der Teilstücke. Zu bedenken sei der höhere Aufwand, da ein Tier auf viel mehr Kunden aufgeteilt werden müsse und unter Umständen nicht das gesamte Tier vermarktet werden könnte. „Dabei stellt sich zum Beispiel die Frage, wer es bekommt das Filet?“ Viele Betriebe vermarkten so über eine Frischetheke, so die Beraterin. Eine Alternative könnte ein Verkaufsautomat sein, in dem zum Beispiel Grillfleisch am Wochenende angeboten würde.

Fleisch zu eigener Wurst zu verarbeiten, ist der höchste Veredlungsgrad, so Carina Steinhaus, und mit hohem Arbeitszeitaufwand verbunden. Neben Räumen und Maschinen für die Verarbeitung fielen hier auch Kosten für Zutaten und Verpackung an. Vorteile seien die Lagerfähigkeit von Wurstwaren zum Beispiel im Glas und die Möglichkeit, unbeliebte Teilstücke zu verarbeiten. Als Fazit fasst Carina Steinhaus zusammen: „Verkaufen Sie das, was gebraucht wird und nicht das, was Sie gerade haben.“

 


Wie kommt das Fleisch zu den Kunden?

Auch bei den Vermarktungswegen gibt es viele Möglichkeiten. Dies geht vom Großabnehmer über Marktschwärmereien, einem Marktstand, einem eigenen Hofladen bis zum Onlinehandel, um nur einige Beispiele zu nennen. Wichtigste Kriterien sind dabei der organisatorische Aufwand - gibt es zum Beispiel gebündelte Abholzeiten aus einem Kühlanhänger heraus -  bis zum baulichen Aufwand, beispielsweise für einen Hofladen. Damit einher gehen auch der Arbeitszeitaufwand und die Frage, wie viele Kunden man auf dem Hof haben möchte. „Bestellungen können zum Beispiel über eine Bestellkarte oder über einen Onlineshop erfolgen, um die Mengen besser planen zu können“, so Carina Steinhaus. „Die meisten Betriebe nutzen hier mehrere Kanäle, da sollten Sie schauen, was zu Ihnen und Ihrem Betrieb passt.“

Eine besondere Renaissance habe der Marktverkauf durch Corona erfahren. Neben den Investitionen für einen Marktwagen sei die Wahl des geeigneten Markts von Bedeutung und die Standgebühr, die zu entrichten sei. „Auf Wochenmärkten finden Sie häufig eine anderen Kundenstruktur als im Hofladen.“

Relativ neu ist der Vermarktungsweg Marktschwärmerei, bei dem Kunden online bestellen und zu einem festen Termin an einem bestimmten Ort bei mehreren Anbietern ihre Ware abholen können. „Der große Vorteil ist, dass die Kunden zuerst zahlen und erst danach die Ware bereitgestellt wird. Der zeitliche Aufwand ist mit einem Termin pro Woche gut planbar. Nicht vergessen sollte man aber die Kosten, denn 8,35 % des Umsatzes gehen an die Gastgeber und 10 % an das Marktschwärmer-Team für die Organisation.“

Wie sag ich es dem Kunden?

Hat ein Betriebe festgelegt, wie er sein Fleisch vermarkten will, muss er in die Kommunikation einsteigen. „Der Kunde muss erfahren, dass es Sie gibt und Sie müssen aus ihren Kunden Fans machen“, so Carina Steinhaus. „Welche Alleinstellungsmerkmale hat der Betrieb? Das kann beispielsweise das Schwarzbrot nach Uromas Rezept oder die einzige Milch aus Düsseldorf sein.“ Dahinter stehen die Wertigkeit und die Geschichte eines Produktes.

Der deutsche Wein erlebte in den 1970er-Jahren eine große Imagekrise und war als Massenprodukt, das zu schwer und zu süß ist, verschrien. Anhand dieses Beispiels erläuterte Carina Steinhaus, was Fleischvermarkter von den Winzern lernen können:„Die Winzer haben zunächst an der Qualität ihrer Produkte gearbeitet und ihre Kommunikation verbessert, in dem sie auf das Handwerk in den Weingütern und auf die Person des Winzers gesetzt haben. Daraus sind eigene Marken für jedes Weingut entstanden und der einzelne Winzer hebt sich von der Masse ab.“ Dazu seien atmosphärische Eindrücke, wie Weinverkostungen und Betriebsbesuche, gekommen, die nachhaltig für heimischen Wein begeistern.

Um eine eigene Marke zu etablieren, müsse man eine Marke mit entsprechender Imagewerbung aufbauen, Geschichten erzählen, unverwechselbar werden und Trends nutzen. „Dazu reicht es nicht, ein schönes Logo und eine Internetseite zu erstellen, sondern man muss immer wieder emotionale Bilder in den Köpfen der Kunden schaffen. Die Frage ‚was machen wir besser?‘ steht dabei im Vordergrund. Das sind oft kleine Dinge, die uns banal erscheinen, die aber beim Kunden ankommen. Das kann auch die Hofgeschichte sein und ganz wichtig ist es, Gesichter zu zeigen.“

Die Direktvermarktung passe nicht auf jeden Betrieb und die Fleischvermarktung bleibe eine Nische, so die Beraterin. Wer Interesse an einem Einstieg habe, könne gerne die Beratung der Kammer in Anspruch nehmen. 

Natascha Kreuzer,

Landwirtschaftskammer NRW

 

Weitere Informationen

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