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Kommt die Kichererbse auf unsere Äcker?

14.06.2021

Kichererbsen bereichern als Humus, Falafel oder in Eintöpfen unseren Speiseplan – nicht nur in der vegetarischen oder veganen Küche. Bisher stammen die wertvollen Hülsenfrüchte in der Regel aus dem Ausland. Jetzt bauen die ersten Bio-Betriebe Kichererbsen wieder auf heimischen Äckern an. Und das funktioniert– wie Beispiele aus ganz Deutschland zeigen.

Heute stammen nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO rund 66 % der Welternte aus Indien. Dort ist vor allem der violett blühende Desi-Typ mit seinen kleineren, dunklen Samen zu finden. Auch wenn dieser Typ bei uns weitgehend unbekannt ist, macht er 70 bis 85 % der weltweiten Produktion von Kichererbsen aus. Die übrigen 15 bis 30 % gehören zum dem im Mittelmeerraum bevorzugten Kabuli-Typ, für den weiße Blüten und cremefarben-hellen Samen charakteristisch sind. Das sind in der Regel auch die Kichererbsen, die wir aus unseren Läden kennen.

Und hierzulande steigt die Nachfrage: Nach Zahlen der FAO importierten wir im Jahr 2018 rund 14 400 t Kichererbsen – und damit rund 3,5-mal so viel wie 2010. Vor diesem Hintergrund einer steigenden Nachfrage kommt auch der Anbau der Kichererbse wieder zurück nach Deutschland. Auch wenn das Statistische Bundesamt diese Hülsenfrucht bisher nicht separat erfasst: Viele Anzeichen sprechen dafür, dass die Kirchererbse bei uns wieder auf dem Vormarsch ist. Gerade auch im biologischen Anbau.

Wachsendes Interesse

Dr. Carola Blessing, in Baden-Württemberg für die Eiweißinitiative zuständig, koordiniert am Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) aktuell Anbauversuche mit verschiedenen Sorten von Kichererbsen. Denn nach wie vor braucht es mehr Informationen darüber, welche Sorten sich an welchen Standorten eignen und wie Aussaat und Ernte optimal zu gestalten sind. Gleichzeitig stellt sie ein stark wachsendes Interesse an dieser Hülsenfrucht fest. Allein 150 Personen haben an einem vom LTZ organisierten Online-Seminar zum Kichererbsenanbau teilgenommen. "Mit so einer großen Resonanz hatten wir nicht gerechnet." Insgesamt sieht sie ein großes Potenzial für den heimischen Kichererbsen-Anbau. Natürlich immer an geeigneten, das heißt trockenen, gut wasserdurchlässigen und warmen Standorten.

Kichererbsen made in Sachsen-Anhalt

In Sachsen-Anhalt baut Jonas Schulze-Niehoff auf seinem Bioland-Betrieb Kichererbsen an: „Unsere Kichererbsenflächen steigen rasant: 2018 waren es noch 0,9 ha, 2019 dann 10 ha und im Jahr 2020 bereits 32 ha". In seinen Fruchtfolgen fährt er Futtererbsen und Ackerbohne zurück und ersetzt sie durch Kichererbsen. „Denn die stickstoffsammelnde Hülsenfrucht passt wunderbar in den ökologischen Landbau". Seine Innovation spricht sich herum: „Auch ein Nachbarbetrieb wird dieses Jahr zehn Hektar anbauen."  Allerdings gibt es einen Wertmutstropfen: Noch existiert kein Produkt "Deutsche Kichererbse". Bisher werden nur internationale Preise bezahlt. „Da besteht dringender Handlungsbedarf.“ Die Zukunft des Kichererbsen-Anbaus in Deutschland wird also entscheidend davon abhängen, ob es in den nächsten Jahren gelingt, den Anbau weiter zu professionalisieren und gleichzeitig den Markt zu entwickeln. Das heißt am Ende auch, dass Verbraucherinnen und Verbraucher bereit sein müssen, für Bio-Kichererbsen aus Deutschland etwas höhere Preises zu bezahlen. Dafür will Schulze-Niehoff auch neue Wege beschreiten: Seit kurzem verarbeitet eine Berliner Firma einen Teil seiner Kichererbsen zu "Kofu" – einer veganen, gluten- und sojafreien Art Kichererbsen-Tofu.

Pionier in Rheinland-Pfalz

Zu den Pionieren des ökologischen Kichererbsen-Anbaus in Deutschland gehören sicher auch Uli Zerger und Markus Reisle vom Gerbachhof in der Nordpfalz. Seit 2015 testet der Bioland-Hof in Bolanden-Weierhof den Anbau. 2020 wurden auf 1,7 ha Kichererbsen kommerziell angebaut, 2021 bereits 4 ha. Der Agrarwissenschaftler Reisle sieht in den Kichererbsen eine interessante Kultur für den ökologischen Anbau. Sie lässt sich gut in Fruchtfolgen integrieren und braucht im Unterschied zur Linse auch keine Stützfrucht wie beispielsweise Gerste. Aufgrund der klimatischen Veränderungen und der hohen Trockenheitstoleranz interessieren sich gerade viele Landwirtinnen und Landwirte dafür. „Im Moment ist das fast so eine Art Hype", so Reisle, „weil alle händeringend nach trockenheitsresistenten Kulturen suchen." Und die Nachfrage? „Unsere Erntemengen können wir gut über direkte Kanäle an Unverpacktläden und Bio-Läden in der Region vermarkten." Seit diese Läden heimische Kichererbsen verkaufen, steigern sie damit ihre Umsätze. Allerdings kämpft Markus Reisle mit dem gleichen Problem wie sein Bioland-Kollege aus der Magdeburger Börde: „Für Kichererbsen aus Deutschland gibt es noch keinen etablierten Marktpreis. Der muss sich erst bilden – das ist eine Chance, aber auch eine Herausforderung für alle Marktakteure.“

Baden-Württemberg: Aufbau von Wertschöpfungsketten

Auch in den wärmsten Regionen im Südwesten beginnen Bio-Betriebe mit dem Anbau von Kichererbsen. Der Agraringenieur Dr. Nicolas Carton aus Freiburg hat sich zum Ziel gesetzt, zusammen mit regionalen Bio-Betrieben eine Wertschöpfungskette für ökologisch angebaute Kichererbsen und andere Hülsenfrüchte aufzubauen. Denn durch Kooperationen können die Betriebe gemeinsam anbautechnische Lösungen finden und bei Trocknung, Reinigung und Lagerung sowie der Vermarktung Synergien nutzen. Dieses Jahr gilt als Pilot-Phase und vier südbadische Betriebe sind mit dabei. Das fängt alles noch im kleinen Rahmen an. Aber der aus Lothringen stammende Agrarwissenschaftler ist überzeugt, dass so eine nachhaltige Entwicklung beginnen sollte. Gleichzeitig kann der zweisprachige Experte auch Erfahrungen aus seinem Heimatland nutzen: „Denn vor allem in Südfrankreich bauen traditionell viele Landwirte Kichererbsen an."

Quelle: Andreas Greiner / Copyright BLE

 

Das Landwirtschaftliche Technologiezentrum Augustenberg teste verschiedene Sorten auf ihre Anbaueignung.

Foto: Dr. Carola Blessing

Kompakte Infos zur Kichererbse
  • Der Kichererbsen-Anbau ist in trocken-warmen Regionen auch in Deutschland möglich – immer mehr Betriebe zeigen das.
  • Gerade für den Ökolandbau ist diese Leguminose eine interessante Kultur – jedoch sind die Ertragsschwankungen hoch und die Risiken nicht zu unterschätzen.
  • Die Nachfrage nach Bio-Kichererbsen wird weiter steigen, so die einhellige Meinung verschiedener Expertinnen und Experten.
  • Allerdings müssen für die Kichererbsen aus Deutschland noch faire Preise gefunden werden, die Verbraucherinnen und Verbraucher akzeptieren und auch für die produzierenden Betriebe auskömmlich sind.
  • Die Marktentwicklung wird deshalb neben den pflanzenbaulichen Themen die entscheidende Herausforderung sein für den weiteren Vormarsch der Kichererbse bei uns.

 

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