Aufgrund der gestiegenen Nachfrage aus der Praxis, bedingt durch vermehrte Ökoschweinehaltung, führt die Landwirtschaftskammer NRW seit 2011 einen Sortenversuch inklusive einer Öko-Wertprüfung zur Sortenzulassung von beim BSA angemeldeten Stämmen aus ökologischer Züchtung zur Wintergerste auf ökologischen Flächen durch.
Wintergerste lässt sich auch im Ökolandbau gut anbauen, wenn eine gute Saatbettbereitung erfolgt, geeignete Vorfrüchte, wie Körnerleguminosen, gewählt werden, zum richtigen Zeitpunkt gestriegelt wird und geeignete blattgesunde, lang-strohige und standfeste Sorten mit schneller Jugendendwicklung angebaut werden. Durch die frühere Ernte bietet die Wintergerste ausreichend Zeit zur Unkrautbekämpfung von Wurzelunkräutern und für den Anbau von Zwischenfrüchten. Zudem können Arbeitsspitzen entzerrt werden.
Die Erträge der Wintergerste lagen 2024 am Standort Kerpen mit im Mittel 54,1 dt/ha auf einem geringen bis mittleren Niveau: Es waren 30,7 dt/ha weniger als 2023, siehe dazu Tabelle 1. Die Werte der Standorte aus Niedersachsen und Hessen liegen noch nicht vor. Über die Jahre zeigten sich die Sorten SU Midnight mit 101 % und KWS Exquis mit 102 % relativen Ertrags überdurchschnittlich. KWS Flemming liegt mit 99 % sowie die zweizeilige Sorte Normandy (100 %) im Mittelfeld, wobei Normandy nur in diesem Jahr mithalten konnte. Von den neueren Sorten zeigten sich die Sorten RGT Mela (103 %) und Integral (112 %) ertraglich sehr gut.
Die Proteingehalte lagen 2024 mit im Mittel 9,5 % höher als in den Jahren davor. Daher hatten eher die neuen Sorten höhere Proteingehalte aufzuweisen, wie Adalina und Lioba je 10,1 % sowie Integral 9,2 %. Das Hektolitergewicht als Maß für die Kornqualität sollte bei Wintergerste bei mehr als 62 kg/100 l liegen. Hohe Feuchtegehalt und große Schalenanteile reduzieren das Hektolitergewicht, Trockenheit und hohe Stärkegehalte hingegen erhöhen es. Im Jahr 2024 fiel das Hektolitergewicht insgesamt mit im Mittel 55,4 kg/100 l niedriger aus. Auch die Tausendkornmassen waren 2024 mit im Mittel 38,0 g niedriger als in den anderen Jahren. Die Sorte Normandy hatte als zweizeilige Wintergerste die höchsten TKM mit 45,7 g im Mittel über die Jahre.
Nachstehend folgt die Darstellung der Sorten anhand der letzten drei Jahre im Öko-LSV des ABG 3.
KWS Flemming (KWS-Lochow, 2019) ist seit 2020 in der Prüfung und steht im Mittel dreier Jahre mit guten 99 % Relativertrag im Sortiment. Sie scheint auch ertragsstabil zu sein. Die Proteingehalte liegen über dem Durchschnitt bei 7,9 %. Diese Sorte soll sehr blattgesund sein. Bei mittlerer bis längerer Pflanzenlänge soll sie dennoch nur mittel lageranfällig sein, etwas Ährenknicken und auch stärkeres Halmknicken wurden schon beobachtet. 2024 war sie vergleichsweise gut. Sie ist für die Normalsaat und etwas Spätsaat geeignet und kann angebaut und in die engere Wahl genommen werden.
Esprit (DSV, 2020): Eine neuere Sorte aus 2020 steht seit vier Jahren in der Prüfung. Sie erreicht in NRW 95 % Relativertrag, da sie 2024 sehr abfiel. In anderen Bundesländern stand sie in den Vorjahren gut. Die Proteingehalte liegen bei geringeren 7,4 %. Im Bestand präsentierte sie sich im April mittellang, aufrecht und etwas ungleich, später Ende Mai war sie dann sehr lang, dicht und gleichmäßig. Diese Sorte ist sehr standfest, etwas mehr Halmknicken kann vorkommen. Von Seiten des Bundessortenamts wird sie wie folgt beschrieben: mittlere-gute Reife (6) und Pflanzenlänge (6), mittlere Neigung zu Lager (5), gering bis mittlere Neigung zu Halm- (4) und Ährenknicken (4), recht gesund (Mehltau 4, Netzflecken 4, Rhynchosporium 4, Ramularia 4), allerdings Zwergrost etwas höher (6), Gelbmosaikvirus Typ 1. Bei den Ertragsparametern fällt sie gut bis sehr gut aus: Kornertrag Stufe 1 = 7, Stufe 2 sogar 8; TKM 6, Eiweißgehalt gering (2).
SU Midnight (B. Eckenhoff, 2021) ist recht neu und steht seit drei Jahren im Sortiment. Diese Sorte startet im Mittel mit guten 101 % Relativertrag. Vom BSA ist sie auch ertraglich sehr gut eingestuft (Stufe 1 = 8, Stufe 2 = 8). Die Proteingehalte sind mit 7,9 % im Durchschnitt (BSA Boniturnote 2). Das Hektolitergewicht (61,1 kg/100l) und die Tausendkornmasse (42,3 g) sind gut. Im Bestand ist sie gering-mittel dicht (BSA Boniturnote 4). In den Jahren 2023 und 2024 konnte stärkeres Halmknicken beobachtet werden. Weitere Eigenschaften laut BSA sind: mittlere Reife (5), etwas längere Pflanzenlänge (6), geringere bis mittlere Neigung zu Lager (4), Halm- (5) und Ährenknicken (5), recht gesund (Mehltau 3, Netzflecken 5, Rhychosporium 4, Ramularia 5, Zwergrost 4, Gelbmosaik Typ1+). Diese Sorte kann angebaut werden.
KWS Exquis (KWS-Lochow, 2022) ist eine weitere neuere Sorte. Sie steht im Mittel dreier Jahre mit guten 102 % Relativertrag und schwankt nur leicht um den Mittelwert. Für eine kurze Sorte war die Massebildung niedriger, der Bodenbedeckungsgrad aber recht gut. Laut BSA ist sie ganz gut eingestuft (Stufe 1 = 8, Stufe 2 = 7). Die Proteingehalte liegen mit 7,7 % im Durchschnitt (BSA Boniturnote 3). Das Hektolitergewicht ist mittelgut (62,8 kg/100l), die TKM mit 41,1 g etwas unter dem Durchschnitt. Im Bestand ist sie mittel bis dicht (BSA Boniturnote 6). Etwas mehr Halmknicken war in den beiden letzten Jahren zu verzeichnen. Weitere Eigenschaften laut BSA sind: mittlere Reife (5), etwas kürzer Pflanzenlänge (4), geringere bis mittlere Neigung zu Lager (5), Halm- (4) und Ährenknicken (4), recht gesund (Mehltau 4, Netzflecken 4, Rhychosporium 5, Ramularia 4, Zwergrost 3, Gelbmosaik Typ1). Diese Sorte kann angebaut werden.
Melia (IG, 2019) ist ebenfalls recht neu im Prüfsortiment. Sie kommt im Mittel dreier Jahre auf 97 % Relativertrag in NRW und schwankt etwas stärker auch an den anderen Standorten und über die Jahre. Seitens des BSA ist sich im Ertrag mit 6 in Stufe 1 und 7 in Stufe 2 eingetragen und sollte daher eher auf extensivere Standorte passen. Die Proteingehalte liegen etwas über dem Durchschnitt (8,0 %, BSA Boniturnote 2). Mit 62,6 kg/100 l sind das Hektolitergewicht und die Tausendkornmasse mit 43,4 g höher. Im Bestand ist sie eher geringer dicht (BSA Boniturnote 4). Weitere Eigenschaften laut BSA sind: mittlere Reife (5), längere Pflanzenlänge (7), mittlere Neigung zu Lager (5), Halm- (5) und etwas mehr Ährenknicken (6), recht gesund (Mehltau 3, Netzflecken 5, Rhychosporium 4, Ramularia 4, etwas mehr Zwergrost 6, Gelbmosaik Typ1).
Die Verwendung von ökologisch erzeugtem Saat- und Pflanzgut ist grundsätzlich gemäß EU-Bioverordnung vorgeschrieben. Der Saatgutbezug kann über die Ökosaatgutvermehrer aus NRW, wie Bioland-Z-Saatgutliste, erhältlich beim Bioland Landesverband NRW, erfolgen. Die Verfügbarkeit einzelner Sorten finden Sie im Überblick unter www.organicXseeds.de.
Julia (DSV, 2022) ist im zweiten Jahr im Sortiment. Sie startet mit mittleren 100 % relativen Ertrags. Die Proteingehalte liegen bei etwas besser mit 8,6 %. Das Hektolitergewicht ist mit 59,1 kg/100 l etwas niedriger, ebenso wie die TKM mit 39,6 g. Stärkeres Halmknicken war 2023 und 2024 zu verzeichnen. Weitere Eigenschaften laut Bundessortenamt sind: Ährenschieben (4), mittlere Reife (5), mittlere Pflanzenlänge (5), geringe Neigung zu Lager (3), mittlere Neigung zu Halm- (5) und etwas mehr Ährenknicken (4), relativ gesund (Mehltau 4, Netzflecken 4, Rhychosporium 5, Ramularia 4, Zwergrost 5, Gelbmosaik Typ1), Bestandesdichte (4), höhere Kornzahl/Ähre (7), mittlere-gute Tausendkornmasse (6), sehr hoher Kornertrag (Stufe 1 und 2 jeweils 9), mittleres Hektolitergewicht (5), geringer Proteingehalt (2). Weitere Ergebnisse bleiben abzuwarten.
Winnie (Saatzucht Josef Breun, 2022) ist auch recht neu. Diese Sorte liegt im Mittel zweier Jahre bei 100 % relativen Ertrags. Die Proteinwerte sind anfänglich bei mittleren 7,8 %. Das Hektolitergewicht liegt bei höheren 63,5 kg/100 l und die TKM ebenfalls höher bei 43,3 g. Winnie scheint standfest zu sein und es konnten kein Halm- oder Ährenknicken beobachtet werden. Weitere Eigenschaften laut Bundessortenamt sind: späteres Ährenschieben (6), mittlere-spätere Reife (6), mittlere-lange Pflanzenlänge (7), geringe-mittlere Neigung zu Lager (4), und Halm- (4) und mittleres Ährenknicken (5), relativ gesund (Mehltau 4, Netzflecken 5, etwas mehr Rhychosporium 6, Ramularia 4, etwas weniger Zwergrost 3, Gelbmosaik Typ1), Bestandesdichte (4), mittlere-höhere Kornzahl/Ähre (6), gute Tausendkornmasse (7), hoher-sehr hoher Kornertrag (Stufe 1 und 2 jeweils 8), mittleres-gutes Hektolitergewicht (6), geringer Proteingehalt (2). Weitere Ergebnisse bleiben abzuwarten.
RGT Mela (W. von Borries-Eckendorf GmbH, 2022) ist ebenfalls recht neu in der Prüfung. Sie startet mit guten 103 % Relativertrag. Die ersten Proteinwerte liegen bei guten 8,2 %. Auch das Hektolitergewicht (62,4 kg/100 l) und die Tausendkornmasse (43,3 g) sind höher. Diese längere Sorte hat eine gute Massebildung und mittlere bis hohe Bodenbedeckungsgrade. Weitere Eigenschaften laut Bundessortenamt sind: Ährenschieben (5), mittlere Reife (5), mittlere-lange Pflanzenlänge (7), mittlere Neigung zu Lager (5), Halm- (5) und Ährenknicken (5), relativ gesund (Mehltau 4, etwas mehr Netzflecken 6, Rhychosporium 4, Ramularia 5, Zwergrost 5, Gelbmosaik Typ1), Bestandesdichte (4), mittel-gute Kornzahl/Ähre (6), bessere Tausendkornmasse (7), guter Kornertrag (Stufe 1 und 2 jeweils 7), mittelgutes Hektolitergewicht (6), gering-mittlerer Proteingehalt (3). Diese Sorte kann ausprobiert werden.
Integral (Secobra Recherches S.A.S., 2023) ist ganz neu im Prüfsortiment. Sie kommt im ersten Jahr auf sehr gute 112 % Relativertrag. Der Proteingehalt liegt bei guten 9,2 %, Hektolitergewicht (57,5 kg/100 l) und Tausendkornmasse (38,7 g) sind schlechter im Vergleich. Im Bestand sah diese Sorte nur mittelgut aus und war zum Zeitpunkt des Schossens etwas dünner. Dennoch war die Massebildung gut (6), aber vergleichsweise niedriger als bei anderen Sorten, die Bodenbedeckung war sehr gut in NRW. Weitere Eigenschaften laut Bundessortenamt sind: Ährenschieben (4), mittlere Reife (5), mittlere Pflanzenlänge (5), mittlere Neigung zu Lager (5), Halm- (4) und Ährenknicken (5), relativ gesund (mehr Mehltau 6, Netzflecken 5, Rhychosporium 5, Ramularia 4, Zwergrost 5, Gelbmosaik Typ1), Bestandesdichte (4), mittel Kornzahl/Ähre (5), gute Tausendkornmasse (6), guter Kornertrag (Stufe 1 = 6 und 2 = 7), mittelgutes Hektolitergewicht (6), gering-mittlerer Proteingehalt (3).Weitere Ergebnisse bleiben abzuwarten.
Adalina (Natursaaten, 2018 A) ist eine ältere Sorte, die neu mitgeprüft wird. Im ersten Versuchsjahr erreichte sie nur 96 % Relativertrag. Der Proteingehalt lag mit 10,1 % recht hoch, Hektolitergewicht (58,2 kg/ 100 l) und Tausendkornmasse (38,9 g) waren eher geringer als bei anderen Sorten. Im Bestand sah diese Sorte sehr gut aus zum Zeitpunkt des Schossens. So war auch die Massebildung in der Jugendentwicklung sehr hoch in NRW, sie war die beste Sorte des Sortiments, während die Bodenbedeckung zum früheren Zeitpunkt eher im Mittelfeld lag. Adalina wies 2024 stärkeres Halmknicken auf. In Niedersachsen trat mehr Zwergrost auf. Weitere Ergebnisse bleiben abzuwarten.
Lioba (Dottenfelderhof, 2020) ist eine Sorte aus der Ökolandbau-Züchtung. Hier werden Futtersorten mit dem Ziel einer Flugbrandresistenz gezüchtet. Überdies soll die Sorte einen guten Ertrag, gute Standfestigkeit, gute Pflanzengesundheit und Widerstandsfähig gegen Streifenkrankheit sein. Sie startet im ersten Jahr mit 95 % Relativertrag. Der Proteingehalt lag mit 10,1 % recht hoch, Hektolitergewicht (51,8 kg/ 100 l) und Tausendkornmasse (33,0 g) waren geringer als bei anderen Sorten. Im Bestand sah diese Sorte mittelgut aus zum Zeitpunkt des Schossens. Der Bodenbedeckungsgrad zur Bestockung war bei Lioba sehr gut, die Massebildung in der Jugendentwicklung hingegen mittelgut. Sie war im Bestand später eine der längsten Sorten. Mittelstarkes Halmknicken war in 2024 zu verzeichnen. Weitere Ergebnisse bleiben abzuwarten.
Immer wieder kommt auch die Frage nach zweizeiliger Wintergerste für den Ökolandbau auf. In der Regel sind diese ertraglich immer noch geringer, da ja die Kornzahl pro Ähre als ein Ertragsparameter geringer ist, sie werden aber besser. Dafür gleichen diese Sorte mit höherem TKG und HLG aus, sind oft kürzer und standfester und weisen teilweise höhere Proteingehalte auf. In der Wertprüfung ist ein neuer Stamm von einer möglicherweise neuen zweizeiligen Sorte angemeldet, daher steht Normandy im Vergleich mit dabei.
Normandy (Nordic Seed Germany GmbH, 2020) kommt in der Prüfung auf 100 % Relativertrag. Sie schwankt aber stärker in den Jahren und konnte 2024 aufgrund der geringeren Erträge punkten, sonst ist sie eher schlechter im Vergleich. Sie ist vom BSA aber hoch im Ertrag eingestuft (Kornertrag Stufe 1 = 7, Stufe 2 = 7, TKG 8, Bestandesdichte 8). Im Bestand stand sie leider nicht so schön, anfangs mäßig: sehr kurz, ungleich, dicht; später schlechter: sehr kurz, ungleich, dünner im Vergleich zu den anderen Sorten. Im Proteingehalt ist sie mit 3 eingestuft. In der Prüfung liegt sie mit 8,3 % gut. Das Hektolitergewicht ist mit 60,8 kg/100 l eher unter dem Durchschnitt. Die Tausendkornmasse ist mit 45,7 g sehr hoch. Weitere Eigenschaften laut BSA sind: mittel bis später reif (6), Pflanzenlänge kurz (4), mittlere Lagerneigung (5) bei besserer Halm- (4) und Ährenstabilität (4). Diese Sorte ist recht gesund: Mehltau (5), Netzflecken (4), Rhynchosporium (3), Ramularia (5), Zwergrost (3), Gelbmosaik (1).
Von den untersuchten Sorten sind einige abgefallen und nicht mehr für den Anbau zu empfehlen und es kommen bessere Sorten nach. So hat sich aufgrund des guten und stabilen Ertrags die Sorte KWS Flemming herausgestellt und steht nun ganz oben in der Empfehlung. Weiterhin sind auch die neuere Sorte SU Midnight (102 %) und KWS Exquis (102 %) als ertragsstark und ertragsstabil zu empfehlen. Von den ein- bis zweijährig geprüften Sorten könnten die ertragsstärkeren Sorten RGT Mela oder Integral ausprobiert werden.
Alle Tabellen werden bei Vorlage weiterer Ergebnisse aus den benachbarten Bundesländern ergänzt und an dieser Stelle veröffentlicht.
Dr. Claudia Hof-Kautz,
Landwirtschaftskammer NRW