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Wie Stickstoffauswaschung im Ökolandbau verhindern? Ein Fachinterview...

30.04.2021

Stickstoffauswaschung im Ökolandbau

Die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen betreut seit 2012 insgesamt 32 Modellbetriebe im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL, siehe dazu die Infos hier). Ziel ist es vor allem, Konzepte zu entwickeln, mit denen die Auswaschung von Stickstoff ins Grundwasser verringert werden kann. Pascal Gerbaulet betreut die sieben beteiligten Bio-Betriebe. Nach seiner Erfahrung besteht auch auf Bio-Betrieben großes Potenzial, Stickstoffverluste einzudämmen. Das gilt vor allem für Gemüsebaubetriebe, die einen hohen Stickstoffbedarf haben. Die Herausforderung im Ökolandbau besteht darin, dass sich die eingebrachten Stickstoffmengen, etwa nach Umbruch von Kleegras und Zwischenfrüchten oder bei Wirtschaftsdüngern, weniger exakt steuern lassen als im konventionellen Bereich. Gerbaulet plädiert deshalb dafür, auch Bio-Betriebe häufiger die Stickstoffgehalte im Boden untersuchen lassen. Besonders wichtig ist aus seiner Sicht die ausreichende Bindung des Stickstoffs nach einem Kleegrasumbruch, weil hier sehr große Mengen in kurzer Zeit frei werden. Deshalb sollten auf Kleegras Kulturen mit hohem Stickstoffbedarf folgen und geeignete Zwischenfrüchte, die die Restmengen vor dem Winter binden. Neben einer geeigneten Fruchtfolge sieht Gerbaulet vor allem in der Nutzung von Zwischenfrüchten den wichtigsten Hebel, um die Auswaschung von Stickstoff zu vermeiden. 

Interview mit Pascal Gerbaulet, Berater Wasserrahmenrichtlinie der Landwirtschaftskammer NRW

Seit 2014 betreut die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (NRW) ein Projekt zur Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), zu dem  insgesamt 32 Modellbetriebe in ganz NRW gehören. Pascal Gerbaulet betreut die sieben beteiligten Öko-Betriebe des Projekts. Alle Betriebe arbeiten in Gebieten mit rotem Grundwasserkörper, das heißt, der Nitratgehalt des Grundwassers liegt hier über 50 Milligramm pro Liter Wasser. Die Ausrichtung der Betriebe ist unterschiedlich und reicht vom Acker- und Futterbau bis zu intensivem Gemüsebau. Im Projekt werden vor allem Strategien entwickelt und geprüft, mit denen Betriebe die Auswaschung von Stickstoff (N) auf ihren Flächen nachhaltig verringern können.

Herr Gerbaulet, Sie betreuen das WRRL-Projekt der Landwirtschaftskammer seit fast sieben Jahren. Wo liegen die größten Unterschiede zwischen den untersuchten konventionellen und Bio-Betrieben?

Unser Ziel ist es nicht, im Projekt die beiden Systeme zu vergleichen. Wir wollen beide Bewirtschaftungsformen unabhängig voneinander besser machen in Bezug auf Stickstoffverluste durch Auswaschung. Es war sehr wichtig, erstmals Öko-Betriebe in ein Auswaschungsprojekt einzubeziehen. Bislang hat man den Ökolandbau in Bezug auf N-Auswaschung immer ausgeklammert.

Warum war das wichtig? Öko-Betriebe gelten doch gerade in Bezug auf die N-Auswaschung als besonders vorteilhaft.

Auch im Ökolandbau gibt es Probleme mit N-Verlusten. Es gibt natürlich grundsätzlich ein geringeres Düngeniveau als im konventionellen Bereich. Aber wir haben im Ökolandbau das Problem, dass die N-Mengen viel schwerer zu kalkulieren sind, etwa beim Umbruch von Kleegras und Zwischenfrüchten oder bei der Ausbringung von Wirtschaftsdünger. Das System ist also deutlich komplizierter. Deshalb müssen wir viel genauer hinschauen und mehr steuern. Nehmen Sie nur mal den Kleegrasumbruch. Da können auf leichten Sandböden innerhalb von zwei Monaten bis zu 200 Kilogramm N pro Hektar freiwerden. Da geht es richtig ab und der Nährstoff muss dann entsprechend genutzt werden, um nicht verloren zu gehen.

Wie können Betriebe solche großen Mengen optimal verwerten?

Grundsätzlich muss man auch im Ökolandbau keine Angst haben vor großen N-Mengen. Entscheidend ist für mich immer: Was bleibt übrig bis zum Beginn der Sickerperiode im Herbst und Winter? Deshalb geht es vor allem darum, diese Mengen mit den richtigen Kulturen zu entziehen beziehungsweise festzulegen. Das ist mit den stark N-zehrenden Kulturen im Gemüsebau relativ leicht zu schaffen. Im Futterbau kann das auch Mais sein, der bis zu 200 Kilogramm N pro Hektar benötigt. Gut geeignet ist aber auch ein Sommergetreide oder Kartoffeln. Da der N-Bedarf dieser Kulturen begrenzt ist, sollte hier aber frühzeitig nach der Ernte, also Ende August oder Anfang September, eine gute Zwischenfrucht folgen, die große Mengen an überschüssigem Stickstoff aufnehmen kann.

Der Kleegrasumbruch sollte also besser im zeitigen Frühjahr erfolgen?

Ja, auf jeden Fall! In Lehrbüchern findet man zum Teil noch die Empfehlung, im Herbst vor Winterweizen umzubrechen. Da kriege ich Bauchschmerzen. Das mag auf sehr schweren, kalten Böden funktionieren. Da wird spät im Jahr so gut wie kein Stickstoff mehr mineralisiert. Aber auf leichteren, auswaschungsgefährdeten Standorten wie bei uns in NRW ist der Umbruch vor dem Winter in den meisten Regionen problematisch. Denn der Winterweizen kann die großen, freiwerdenden N-Mengen nicht aufnehmen, sodass ein Großteil über die feuchten Wintermonate verloren geht. Dagegen ist es kein Problem, wenn das Kleegras bei Umbruch im zeitigen Frühjahr mineralisiert. Denn dieser Stickstoff bleibt erstmal im Oberboden und damit für die nachfolgende Kultur verfügbar. Ein Nachteil ist natürlich, dass Sommergetreide weniger Ertrag bringt und das Kleegras einen Großteil der Winterfeuchte aufnimmt. Aber um den Stickstoff im System zu halten, gibt es aus meiner Sicht keine Alternative.

Was sind im Ökolandbau die größten Stellschrauben zur Minimierung der Auswaschung?

Am einfachsten zu händeln ist der Stickstoff, der vor der Auswaschungsphase zum Winter nicht da ist. Je größer die N-Mengen im Boden und je später wir im Jahr sind, desto schwieriger wird es, den Stickstoff zu halten. Wenn man in der Kultur alles richtig macht, ist das schon mal die halbe Miete. Das heißt, die Düngung muss auf den Entzug abgestimmt sein und die Reststickstoffmengen müssen am Jahresende gebunden sein. Auch die Mischung aus N-zehrenden und N-mehrenden Kulturen in der Fruchtfolge muss stimmen. Erst dann kommen andere Werkzeuge zur N-Bindung und angepassten Düngung. Und da haben sich Zwischenfrüchte als besonders effektiv erwiesen.

Worauf sollten Bio-Betriebe beim Zwischenfruchtanbau achten?

Bei der Auswahl der Zwischenfrucht kommt es natürlich darauf an, welche Funktion sie erfüllen soll und ob sie in die Fruchtfolge und zu den natürlichen Voraussetzungen des Betriebs passt. Geht es um Speicherung großer N-Mengen, sollte man Varianten wählen, die viel Biomasse bilden. Früh etablierte Reinsaaten aus Sandhafer können zum Beispiel bis zu 100 Kilogramm N pro Hektar binden. In Kombination mit Phacelia sind wir sogar auf bis zu 150 Kilogramm N pro Hektar gekommen. Entscheidend ist aber die rechtzeitige Aussaat bis spätestens Mitte September und genügend Wasser. Für spezialisierte Betriebe mit entsprechender Technik kann der Streifenanbau von Gemengen mit zwei Partnern sinnvoll sein, weil sich jede Kultur getrennt in Einzelsaat besser entwickelt als im gemischten Anbau. Damit tatsächlich hohe N-Mengen gebunden werden, muss der Bestand gut entwickelt sein. In trockenen Sommern ist deshalb eine Beregnung notwendig. Beide Maßnahmen, der Streifenanbau und die Beregnung, machen den Zwischenfruchtanbau zwar teurer. Aber gerade für spezialisierte Gemüsebaubetriebe lohnt sich der Aufwand. Denn jedes Kilogramm Stickstoff, das als Dünger zugekauft werden muss, kostet sechs Euro.

Wie wirkt sich der Klimawandel auf die N-Problematik aus?

Der Klimawandel mit den trockeneren Sommermonaten und der längeren Vegetationsdauer verschärft die Problematik. Das beginnt schon damit, dass die Kulturen bei längerer Trockenheit ihr Ertragspotenzial nicht ausschöpfen können und deshalb auch geringere N-Entzüge haben, zumindest dann, wenn es keine Bewässerungsmöglichkeiten gibt. Deshalb haben wir zu Beginn der Sickerperiode häufig höhere Nmin-Werte. Zudem sind die Böden im Schnitt deutlich wärmer und mineralisieren länger, auf leichten Standorten teilweise sogar ganzjährig. Außerdem hatten wir in den letzten Jahren deutlich weniger Sickerwasser, was zu einer geringeren Verdünnung führt und damit zu höheren Nitratgehalten im Grundwasser.

Lohnt sich für Bio-Betriebe der Einsatz von Sensor-Technik bei der Ausbringung von Gülle?

Grundsätzlich gilt natürlich: je exakter man düngt, desto besser. Und gerade im Ökolandbau gilt es, jedes Kilogramm Stickstoff gut zu nutzen. Allerdings ist diese Technik teuer. Aber auch mit einfachen Maßnahmen lässt sich viel erreichen. Wer die Gülle bodennah ausbringt und zügig einarbeitet, sichert damit schon mal den allergrößten Teil des Stickstoffs. Zum Teil gibt es im Ökolandbau noch die Idee der Flächenrotte, bei der der Mist auf der Oberfläche verbleibt. Davon kann man natürlich nur abraten, weil der enthaltene Stickstoff zu einem großen Teil an die Atmosphäre verloren geht. Als sehr günstig hat sich bei unseren Demoanlagen auch im Ökolandbau eine Unterfußdüngung erwiesen, bei der die Gülle konzentriert unter der Mais- oder Kohlreihe abgelegt wurde. Durch die langsamere Umsetzung gibt es eine langanhaltende N-Nachlieferung und eine optimale Ausnutzung des Stickstoffs. So konnten wir mit 80 Prozent der Düngermenge 100 Prozent Ertrag erzielen.

Das Projekt mit den Modellbetrieben läuft seit 2014. Können Sie auf den einzelnen Betrieben bereits erkennen, ob die Maßnahmen zur Verringerung der Auswaschung greifen?

Bis sich die Effekte tatsächlich im Nitratgehalt des Grundwassers zeigen, dauert es natürlich länger als sechs Jahre. Mithilfe von Saugplatten, die wir auf ausgewählten Betrieben auf je zwei Schlägen in 0,8 bis 1,10 Meter Tiefe verlegt haben, können wir aber schon eine Wirkung sehen. Die Werte zeigen, dass sich auch gute Betriebe mit geringer N-Auswaschung im Verlauf des Projekts weiter verbessern konnten. Noch deutlicher zeigen das Tiefenbohrungen bis in 16 Meter Tiefe. Hier messen wir den Stickstoff in Abständen von einem halben Meter. Dabei wurde deutlich, dass von oben weniger Stickstoff nachkommt im Vergleich zu den Vorjahren.

Das heißt, auch Bio-Betriebe haben noch Potenzial, ihre N-Auswaschung weiter zu optimieren?

Ja. Und ich bin fest davon überzeugt, dass die meisten Betriebe gar nicht wissen, wie viel Stickstoff sie auf diese Weise einsparen können. Denn solange ich keine Nmin-Messung mache, sehe ich ja gar nicht, was verloren geht. Wenn ich Weizen nach Kleegras anbaue, habe ich immer einen guten Ertrag durch die sehr großen, freiwerdenden N-Mengen. Ich sehe aber nicht die 50 Kilogramm, die vielleicht über den Winter ausgewaschen wurden. Auf den Modellbetrieben konnten wir dafür ein Bewusstsein entwickeln. Seitdem das Projekt läuft, wird hier viel genauer hingeschaut. Ich würde mir wünschen, dass möglichst alle Bio-Betriebe ein stärkeres Bewusstsein für die N-Flüsse auf ihren Flächen entwickeln. Nmin-Messungen wären ein geeigneter Weg, um nicht mehr nur nach Gefühl und Erfahrungswerten zu arbeiten. Außerdem kann es sein, dass Fruchtfolgen, die seit Jahrzehnten gefahren werden, aufgrund des Klimawandels angepasst werden müssen. Insgesamt schlummert nach meiner Einschätzung noch ein großes Potenzial im Ökolandbau, N-Verluste zu vermeiden und den vorhandenen Stickstoff noch besser zu nutzen.

Das Interview führte Jürgen Beckhoff fürs BÖLN

Quelle: www.oekolandbau.de / BLE

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