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Strom statt Herbizide

26.03.2021

Zu Beginn ein Rückblick: Seit mehr als einem halben Jahrhundert waren (und sind) Herbizide ein wirksames Mittel, Bestände unkrautfrei zu halten. Hohe Erträge konnten abgesichert und Arbeitskräfte eingespart werden, sodass Herbizide maßgeblich zur Effizienzsteigerung der Landwirtschaft beigetragen haben. Doch haben verschiedene Entwicklungen dazu geführt, dass ein Einsatz von Herbiziden in manchen Fällen beschränkt oder gar nicht mehr möglich ist. Zum einen sind die Resistenzen verschiedener Unkrautarten zu nennen, die die chemische Bekämpfung erschweren. Ein weiterer Punkt ist der Wegfall einzelner Wirkstoffe, die in der Kritik stehen, schädlich für die Umwelt zu sein. Der gesellschaftliche Druck, eine Alternative oder die Möglichkeit eines reduzierten Einsatzes chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel zu finden, beschleunigt diese Entwicklung zusätzlich.

Strom als Alternative?

Die Idee ist nicht neu: In den 1980er Jahren wurden Versuche mit Strom zur Schosserrüben-Bekämpfung durchgeführt, mit vielversprechendem Erfolg. Mangels Traktorleistung und Absatzmöglichkeiten wurde dieses Gerät jedoch nicht weiterentwickelt. Heute sieht das anders aus. Traktorleistung ist meist im ausreichenden Maß vorhanden und die genannten Entwicklungen machen die Applikation von Strom als Herbizidersatz für verschiedene Bereiche des Ackerbaus interessant. Die Firma Zasso hat hierzu ein Verfahren entwickelt, das ElectroherbTM. Dieses beruht auf der Applikation von Strom durch Elektroden, welche in der Front des Traktors angebaut sind. Der Strom wird von einer Generatoren-Einheit im Heck des Traktors erzeugt und zu den Elektroden in der Front geleitet. Durch den Kontakt zwischen Elektroden und Pflanzen entsteht ein geschlossener Stromkreislauf. Der abgegebene Strom schädigt in der Pflanze Chlorophyll und Zellstrukturen, was einen raschen Welkeprozess einleitet.

Strom für Frühkartoffeln?

Zur Überprüfung der Einsetzbarkeit dieses Verfahrens in bestimmten Bereichen des Ackerbaus wird an der Technischen Hochschule Bingen ein dreijähriges EIP-Projekt durchgeführt (EIP-Europäische Innovationspartnerschaft). Ein Teil dieses Projektes beschäftigt sich mit der Krautsikkation bei Frühkartoffeln. Feldversuche sollen zeigen, inwiefern die Applikation von Strom im Frühkartoffelanbau geeignet ist und den Wegfall des Wirkstoffs Deiquat (Reglone) kompensieren kann. Zudem wäre dieses Verfahren auch im Ökolandbau einsetzbar.

An mehreren Standorten wurde 2020 das E-Herb-Verfahren eingesetzt, unter anderem auf Praxisbetrieben in Frankenthal und Mutterstadt. Die Versuchsflächen wurden konventionell bestellt. Angebaut wurde jeweils die Sorte Inova. An beiden Standorten wurden drei verschiedene Varianten, alle mit einer Fahrgeschwindigkeit von 3 km/h, mit einer Kontroll-Variante verglichen: Einmalige Überfahrt durch den Bestand, zweimalige Überfahrt durch den Bestand (mit einem Abstand von einer Woche) und einer Kombinations-Variante einmalige Überfahrt und anschließende Applikation von 1,0 l/ha Shark (Wirkstoff: Carfentrazone). Bewertet wurden neben dem Absterbegrad von Blatt und Stängel die Schalenfestigkeit, Stärkegehalt und Schäden an den Knollen in Form von Narbelendnekrosen und Gefäßbündelverbräunungen. Die Knollen einer Stichprobe wurden durchschnitten und sowohl Intensität als auch Häufigkeit der drei Symptome festgehalten.

Kein Glyphosat gegen Ackerfuchsschwanz

Neben der Anwendbarkeit in Frühkartoffeln wird das ElectroherbTM-Verfahren im EIP-Projekt auch im Scheinsaatverfahren gegen Acker-Fuchsschwanz eingesetzt. Das Scheinsaatverfahren zielt darauf ab, die Auflaufbedingungen für das zu bekämpfende Unkraut zu optimieren und nach erfolgtem Auflaufen diese zu bekämpfen. Die Aussaat der Kultur erfolgt im Anschluss der Bekämpfung ohne weitere Bodenbearbeitung. In der Praxis war und ist es noch üblich, die Unkräuter im BBCH 10 bis 12 mit Glyphosat abzutöten. Der bevorstehende Wegfall von Glyphosat könnte durch Bodenbearbeitungsmaßnahmen ersetzt werden, jedoch bedeutet jede weitere Bodenbewegung eine Möglichkeit, dass weitere Unkrautsamen zum Keimen angeregt werden. Dies würde bei der Stromapplikation entfallen. Am Standort Bingen wurde im Herbst 2020 auf einem mit Acker-Fuchsschwanz verseuchten Feld verschiedene mechanische Bekämpfungsmaßnahmen und das ElectroherbTM-Verfahren mit einer Glyphosat-Variante verglichen, wie aus der Tabelle ersichtlich. Durch Zählung der lebenden Acker-Fuchsschwanz-Pflanzen vor und nach Durchführung der Bekämpfungsmaßnahmen konnte eine Wirkung der jeweiligen Maßnahme berechnet werden.

Wirkung gegen Acker-Fuchsschwanz (%) in Abhängigkeit von der Bekämpfungsmaßnahme im Scheinsaatverfahren am Standort Bingen Herbst 2020

Bekämpfungsmaßnahmen im Scheinsaatversuch gegen Acker-Fuchsschwanz am Standort Bingen 2020

Art der Bekämpfungsmaßnahme

Bekämpfungsmaßnahme gegen Acker-Fuchsschwanz

chemisch

Glyphosat (2,25 l/ha Roundup® PowerFlex)

mechanisch

Scheibenegge

Federzinkengrubber

Kreiselegge

ElektroherbTM

XPower 3 km/h Fahrgeschwindigkeit

XPower 6 km/h Fahrgeschwindigkeit

XPower 6 km/h Fahrgeschwindigkeit (flachere Einstellung*)

*flachere Einstellung: Abstand Stromapplikator und Boden wird verringert, sodass sich die Kontaktfläche zwischen Elektroden und Pflanzen erhöht

Neben der Wirksamkeit werden in diesem Projekt auch die Auswirkungen von Strom auf die Bodenorganismen (Indikatoren: Regenwürmer, Laufkäfer und weitere im Boden lebende Organismen) untersucht. Im ersten Versuchsjahr konnten keine Effekte auf die Population der genannten Indikatoren festgestellt werden.

Unterschiedlich hohe Wirkungsgrade

Bei den Frühkartoffeln konnten bereits nach einer Woche der ersten Überfahrt sowohl in Frankenthal als auch Mutterstadt Wirkungsgrade von 100 % beobachtet werden. Ein Wiederaustrieb wurde nicht festgestellt. Zwischen den Varianten gab es bezüglich Absterbegrad keine signifikanten Unterschiede. Spätestens zwei Wochen der ersten Behandlung waren die Knollen in allen Varianten schalenfest.

Beim Unterwassergewicht (Stärkegehalt) lagen die Werte der behandelten Varianten zwischen 330 bis 360 g (13,4 bis 14,7 % Stärkegehalt) und damit leicht unter dem Niveau der Kontrolle (15,1 %), was auf beide Standorte gleichermaßen zutraf. Dies war aufgrund der längeren Wachstumsphase der Kontroll-Variante auch zu erwarten. An beiden Standorten wurden Knollen mit Nabelendnekrosen, Gefäß­bündelverbräunungen und Knollen mit beiden Symptomen in allen Varianten bonitiert. In Mutterstadt war der Anteil an Knollen mit Befund unabhängig von der Variante höher als in Frankenthal. Generell überwog bei den Befunden der Anteil an Knollen, die Nabelendnekrosen und Gefäßbündelverbräunungen aufzeigten. In der Variante „zweimalige Überfahrt“ wurden die höchsten Anteile an Knollen mit Symptomen erfasst, was auf die erhöhte Belastung zurückzuführen war. Diese Variante zeigte, dass weitere Überfahrten nur bei unzureichender Wirkung der ersten Überfahrt, zum Beispiel bei Sorten mit üppigem Kraut, durchgeführt werden sollten. Dies gilt auch für die Kombination aus Electroherb und einem Herbizid.

Die Häufigkeit von Symptomen erscheint im ersten Moment als hoch, doch war die Intensität der Symptome als gering bis sehr gering zu bewerten. Zudem waren in der Kontrolle ebenfalls Symptome sichtbar. Der Kartoffelanbauer hat neben der Sorte, die oftmals aus anderen agronomischen Gründen gewählt wird, zwei weitere Stellschrauben zur Reduzierung des Anteils an Knollen mit Befund: Bewässerung vor der Überfahrt und die Fahrgeschwindigkeit. Ergebnisse vom Standort Bingen zeigten, dass die Bodenfeuchte einen entscheidenden Einfluss auf die Häufigkeit und die Intensität solcher Symptome hat. Bei feuchteren Bedingungen sank der Anteil an Knollen mit einem Befund. Durch höhere Fahrgeschwindigkeiten reduziert sich die Kontaktdauer zwischen Kufe und Pflanze, sodass die abgegebene Stromleistung sich ebenfalls reduziert. Die Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit ist jedoch limitiert durch die benötigte Wirksamkeit und die Traktorleistung.

Im Scheinsaatverfahren erzielte die Glyphosat-Variante mit 92 % den höchsten Wirkungsgrad gegen Acker-Fuchsschwanz, siehe die Grafik. Die mechanischen Varianten erreichten dieses Niveau nicht. Hier lag der Wirkungsgrad zwischen 65 und 78 %. Bei ElectroherbTM waren die Wirkungsgrade mit denen der mechanischen Varianten vergleichbar, wobei die Variante mit 3 km/h über 80 % Wirkungsgrad erreichte. Die Wirkungsgrade fielen in den Electroherb-Varianten niedriger aus als erwartet. Grund dafür waren sicherlich die größeren Mengen an Strohresten an der Oberfläche, die aufgrund der extremen Trockenheit im September nicht ausreichend in den Boden eingearbeitet werden konnten. Das Stroh schützte besonders die gerade auflaufenden Acker-Fuchsschwanz-Pflanzen.

Fazit

Die vorgestellten Versuche konnten eine Wirksamkeit des Verfahrens für ausgewählte Bereiche des Ackerbaus bestätigen. Gewisse Probleme, wie leichte Knollenschäden und hohe wirksamkeitsreduzierende Ernterückstandsmengen, sind aufgetreten. Die kommenden Versuchsjahre werden zeigen, inwiefern sich das Verfahren pflanzenbaulich optimieren lässt und welche ökonomischen und ökologischen Konsequenzen eine Etablierung mit sich bringt.

Benjamin Klauk, Technische Hochschule Bingen

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