Aktueller Inhalt:

Pflanzenforschung: Saatgutwahl und Klimawandel

30.03.2016
Heimspiel für Pflanzen aus der Region

Der Klimawandel wirft vielfach die Frage nach geeignetem Saatgut auf. Zumindest für Wiesenpflanzen belegt eine neue Studie nun, dass einheimische Pflanzen deutlich besser als ortsfremde an regionale Gegebenheiten angepasst sind – und zwar auch in Zeiten, in denen die Temperaturen außergewöhnlich hoch sind.

Auch bei Pflanzen gibt es so etwas wie ein Heimspiel. Oder, anders gesagt: Wenn das Saatgut aus der Region stammt, in der die Pflanze wächst, gedeiht sie auch besonders gut. Das kann beispielsweise bedeuten, dass sie schon im ersten Jahr blüht oder auch, dass sie besonders viele Blüten produziert. Zumindest für sieben Wiesenpflanzen haben Wissenschaftler nun systematisch untersucht, welche Rolle die Herkunft des Saatguts für das spätere Gedeihen der Pflanze spielt. Dabei stellten sie auch fest, dass der Heimvorteil selbst bei ungewohnt hohen Temperaturen noch gilt.

Eine Frage der Anpassung

Das Weiße Labkraut ist eine krautige Pflanze, die häufig auf Wiesen wächst. Doch wie gut sie sich entwickelt, hängt davon ab, woher das Saatgut stammt und wo die Wiese liegt. Wenn das Saatgut seinen Ursprung beispielsweise in Niedersachsen hat, gedeihen die Pflanzen dort besser als in der Pfalz oder in Bayern. Der Grund: Innerhalb einer Art haben sich die Varianten an die jeweilige Umgebung angepasst, an Regen, trockene Sommer oder karge Böden. Solche unterschiedlichen Anpassungsfähigkeiten treten also nicht erst auf, wenn jemand in Brandenburg Saatgut aus Australien bestellt – bemerkbar machen sie sich bereits zwischen verschiedenen Regionen in Deutschland.

Diese Unterschiede sind nicht eben gering. Das zeigt das Beispiel des Weißen Labkrauts: Je nachdem, aus welcher Region in Deutschland das Saatgut stammt, können bis zu drei Wochen zwischen dem Blühbeginn liegen. Auch auf die Größe der Pflanze wirkt sich die Herkunft des Saatguts aus. Abhängig davon, ob ein Samenkorn im heimischen oder in einem weit entfernten Garten eingepflanzt wird, ist auch die Biomasse der Pflanze betroffen: An einem fern gelegenen Standort wächst sie auf bis zu 62 Prozent weniger Substanz heran als die Nachbarpflanze, die vor Ort ihren Ursprung hat.

Auch bei Hitze im Vorteil

Unterschiede bei Wachstum oder Blütenbildung konnten die Forscher bei allen sieben untersuchten Spezies von Wiesenpflanzen beobachten – wenn auch nicht immer in diesem Ausmaß. Für ihr Experiment hatten sie in vier Gärten an unterschiedlichen Standorten jeweils hundert Samen von sieben Spezies aus acht Regionen ausgesät. Bei der Auswertung stellten sie fest: Einheimische Pflanzen brachten durchschnittlich zehn Prozent mehr Blüten und sieben Prozent mehr Biomasse hervor – und das, obwohl der Sommer 2013, in dem das Experiment stattfand, außergewöhnlich heiß war und die Temperaturen eineinhalb bis zwei Grad höher lagen als üblich.

Trotz der Hitze konnten die Wissenschaftler bei ihrem Gartenexperiment beobachten, dass Pflanzen aus wärmeren Breitengraden keinen Vorteil hatten. Und nicht nur das: Die Leistung der ortsansässigen Pflanzen war im Durchschnitt noch immer besser als die der ortsfremden. Die Autoren der Studie schlussfolgern deshalb, dass der regionalen Anpassung weitere Faktoren als nur die klimatischen Bedingungen einer Gegend zugrunde liegen – und vermuten, dass auch Aspekte wie die Tageslänge oder mikrobielle Gemeinschaften der Umgebung ihre Spuren im Erbgut der Pflanzen hinterlassen. Weil also die Anpassung an eine Region offenbar deutlich mehr als nur die an ihr Klima umfasst, sprechen sich die Forscher nicht dafür aus, vorsorglich auf Saatgut aus wärmeren Regionen zurückzugreifen

Bedeutung für den Klimawandel

Damit widersprechen die Wissenschaftler denjenigen, die angesichts des Klimawandels für Saatgut aus dem Süden argumentieren – von Pflanzen, die bereits an wärmere Temperaturen angepasst sind. Die neue Studie zeigt zwar, dass die Plastizität der Pflanzen – die genetische Anpassung an Umweltbedingungen – auch bei überdurchschnittlich hohen Temperaturen noch gegeben ist.

Allerdings sagt die Untersuchung nichts darüber aus, was passiert, wenn die Temperaturen darüber hinaus noch weiter steigen. Meteorologen gehen davon aus, dass es in Deutschland allein bis zum Ende des Jahrhunderts schon durchschnittlich drei Grad wärmer sein wird als noch in dem Zeitraum zwischen 1971 und 2000.

Nicht geklärt ist bislang auch, inwieweit die neuen Forschungsergebnisse zu Wiesenpflanzen für landwirtschaftlich genutzte Kulturpflanzen gelten. "Unsere Erkenntnisse lassen sich sicher nicht eins zu eins auf Nutzpflanzen übertragen", gibt Walter Durka zu bedenken, einer der Autoren der Studie. Der Grund: Anders als Wiesenpflanzen sind Nutzpflanzen durch die Zucht bereits vielfach optimiert, etwa hinsichtlich der Erträge oder auch in Bezug auf ihre Unempfindlichkeit gegenüber schädlichen Organismen. "Bei Nutzpflanzen ist anzunehmen, dass ihr Genpool durch die Eingriffe des Menschen bereits eingeengt ist. Aber dass sich eine lokale Anpassung ans Klima oder an Böden vollzieht, kann auch bei Kulturpflanzen der Fall sein", sagt Durka.

Einige der mehr als hundert Pflanzenzüchter in Deutschland bieten bereits sogenanntes autochthones Saatgut an, Saatgut also, das in einer Region gewonnen und dort auch wieder ausgebracht wird. Auch wenn die neue Studie Wildpflanzen zum Gegenstand hat, zeigt sie, wie wichtig es ist, diese vielfältige Züchtungslandschaft zu erhalten. Es sollte ihr auch weiterhin ein Anliegen sein, die jeweilige Region bei der Optimierung des Saatguts miteinzubeziehen.

Quellen:

  • Bucharova, A. et al. (2016): Genetic differentiation and regional adaptation among seed origins used for grassland restoration: lessons from a multispecies transplant experiment. In: Journal of Applied Ecology, (7. März 2016), DOI:10.1111/1365-2664.12645.
  • Durka, W. et al. (2016): Genetic differentiation within multiple common grassland plants supports seed transfer zones for ecological restoration. In: Journal of Applied Ecology, (29. Februar 2016), DOI:10.1111/1365-2664.12636.

Quelle:Redaktion Pflanzenforschung.de, 30. März 2016

Weitere Informationen

Abonnieren Sie den Ökolandbau NRW-Newsletter





Die obenstehende Einwilligungserklärung kann jederzeit formlos gegenüber dem Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Stadttor 1, 40219 Düsseldorf, (E-Mail: Poststelle@mlv.nrw.de) widerrufen werden: Die von Ihnen auf dieser Seite angegebenen personenbezogenen Daten (zum Beispiel Name, E-Mail-Adresse, Anschrift usw.) werden vertraulich und nur zur Versendung der von Ihnen abonnierten Newsletter des Ministeriums per E-Mail verwendet. Ihre Daten werden ausschließlich auf dem Server des Landesbetriebs Information und Technik NRW gespeichert. Das Abonnement kann von Ihnen auf dieser Seite jederzeit mit sofortiger Wirkung beendet werden. Ihre Daten werden dann unverzüglich gelöscht.