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Tagung der DVS - Anbaudiversifizierung und ackerbauliche Maßnahmen in Zeiten des Klimawandels

28.11.2019

Der Klimawandel ist auch in unseren Breitengraden nicht mehr zu leugnen und in den letzten beiden Jahren waren die Auswirkungen in vielen Regionen in NRW für Landwirte schmerzhaft zu spüren. Auf einer Tagung der Deutschen Vernetzungsstelle (DVS) auf dem Biohof Braun in Freising bei München wurden ackerbauliche Maßnahmen und Möglichkeiten der Anbaudiversifizierung im Hinblick auf veränderte klimatische Verhältnisse erörtert. Viele ökologisch und konventionell wirtschaftende Landwirte aus ganz Deutschland, aber auch Berater, Wissenschaftler und andere Experten aus verschiedenen Bereichen waren der Einladung gefolgt.

Erfahrungen aus der Praxis

Zunächst zeigte der Gastgeber, Sepp Braun, welche Strategien er seit vielen Jahren in seinem Betrieb etabliert hat, um dem Klimawandel zu begegnen (siehe dazu Bericht zum Betrieb). Walter Klingenbrunner, Ökolandwirt aus Michelhausen-Tulln in der Nähe von Wien berichtete, wie er in seinem Betrieb mittels Mulch und Kompost alternative Ansätze für mehr Erosionsschutz und Humusaufbau gefunden und umgesetzt hat. Klingenbrunner bewirtschaftet seinen viehlosen 62 Hektarbetrieb seit 30 Jahren ökologisch (die Umstellung erfolgte interessanter Weise nach einem Besuch auf dem Biohof von Sepp Braun) und seit 27 Jahren pfluglos. Mit 630 mm Jahresniederschlag ist die Trockenheit ein bekanntes Phänomen. Allerdings haben die Hitzeperioden mit extremen Temperaturen einerseits und die Extremwetterereignisse, wie Starkregenereignisse andererseits deutlich zugenommen, so Klingenbrunner. Hinzu kommt, dass etwa die Hälfte der Fläche Hanglage aufweist und daher erosionsgefährdet ist.

Komposteinsatz

Der Landwirt setzt seit vielen Jahren auf Komposteinsatz und hat mittlerweile ein eigenes Kompostwerk mit 10.000 t Kompost/Jahr, in dem er u. a. Grünschnitt und Hausabfälle und Schafs- und Pferdemist verarbeitet. Etwa alle drei Jahre bringt Klingenbrunner 8 t Kompost/ha auf. Der engagierte Landwirt hat den Humusgehalt auf 5 bis 7 % steigern können und ist sich sicher, dass das aufgrund der hohen Kompostgaben und der pfluglosen Bodenbearbeitung erreicht wurde. Gerade für viehlose Betriebe sei Kompost ein wichtiger Hilfsstoff.

...und Mulchverfahren

Allerdings hat Klingenbrunner mittlerweile noch eine weitere Option für seinen Betrieb gefunden, auf die er zukünftig kaum noch verzichten wird: Das Mulchverfahren. Die Vorteile von Mulchverfahren sind hinlänglich bekannt: Die Wasserverdunstung ist geringer und der Boden kann gleichwohl mehr Wasser aufnehmen, die Bodentemperatur wird gesenkt und das Unkraut unterdrückt. Im vergangenen Sommer, so der Landwirt, stieg die Temperatur auf unbewachsenem Boden während einer Hitzeperiode von mehreren Tagen mit über 30 Grad Celsius auf 42 Grad, während der Boden unter der Mulchschicht gerade mal 25 Grad aufwies.

Cut & Carry

Bislang hat Klingenbrunner zwei Mulchverfahren ausprobiert. Zum einen arbeitet er mit sogenanntem Transfermulch. D.h. das gehäckselte, ggfs. auch noch silierte Kleegras der einen Fläche (Geberfeld) wird auf eine andere Fläche mit einer Marktfrucht aufgebracht (Nehmerfeld). Zu diesem Verfahren, auch Cut & Carry genannt, wurden in NRW schon umfangreiche Untersuchungen durchgeführt (Ergebnisse unter www.oekolandbau.nrw.de/Leitbetriebe).

Roller Crimper Methode

Zum anderen erprobt der Praktiker unter anderem gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur in Wien in einem Projekt die Direktmulchsaat in bestehende Bestände mit dem sogenannten Roller Crimper. Dabei waren die Zwischenfruchtbestände z. T. deutlich über 1,50 Meter hoch, was durchaus zu Problemen führte, weil die Sähmaschine nicht genügend Bodendruck hatte und es dadurch nicht gut gelang, die Saat in den Boden zu bringen. Klingenbrunner ist dennoch zuversichtlich, dass die Probleme gelöst und das Verfahren ein zukünftiger Lösungsansatz für viele Betriebe werden kann.

Ein anderer ackerbaulicher Weg

Einen völlig anderen ackerbaulichen Weg geht Herbert Ullrich aus Unterschneidheim auf der schwäbischen Alb. Gemeinsam mit seinem Partner Uhl bewirtschaftet er den viehlosen Ackerbaubetrieb BioFarm2U mit Saatguterzeugung. Während Klingenbrunner versucht, möglichst wenig im Boden einzugreifen, setzt Ullrich auf Dammkultur. Auch wenn er den Boden nur flach bearbeitet, so bewegt er ihn doch nicht unerheblich. Bis auf den Klee werden alle Kulturen auf Dämmen angebaut. Seit 1985 arbeitet auch die BioFarm2U pfluglos. Vor zwei Jahren wurde der Betrieb nach Biokreis Richtlinien umgestellt.

Vor allem wegen dem nass-kalten Standort der Schwäbischen Alb sprechen laut Ullrich mehrere Gründe für die Dammkultur:

► durch die Dammform

  • wird mehr Wärme im Boden aufgenommen und dadurch das Wachstum angeregt, erst recht auf dem kalten Standort der Schwäbischen Alb,
  • stehen die Kulturen immer im Trockenen, weil das Wasser bei Starkregenereignissen in die Täler fließt und dort steht und
  • es findet eine Bodenanfeuchtung im Damm durch einen "Kamineffekt" im Damm statt. Diesen Effekt konnte der Landwirt gerade in den letzten beiden trockenen Jahren feststellen.

Ullrich ist überzeugt von der Dammkultur, sagt aber auch, dass er jederzeit davon abweichen würde, wenn sich bessere Alternativen ergeben. Unklar blieb in der Diskussion, ob durch die intensive Oberbodenbearbeitung ein Humusabbau stattfindet. Da der Betrieb allerdings immer nur sehr flach arbeitet und auf den Pflug und eine feinkrümelige Bearbeitung mit Fräse verzichtet, vermuteten die anwesenden Experten keinen Humusabbau sondern eher einen Humusaufbau. Davon ging auch Ullrich aus, der sogar anstrebt, zukünftig CO2-Zertifikate über die Kohlenstoffbindung im Boden zu verkaufen.

Populationszüchtung als Anpassungsstrategie

Einen völlig anderen interessanten Ansatz für Anpassungsstrategien an sich ändernde Klimabedingungen stellte Carl Vollenweiler vom Dottenfelder Hof in Hessen mit der Populationszüchtung vor. Die Populationszüchtung ist in Deutschland vergleichsweise neu, kommt aus England und wurde mittlerweile von der EU auch rechtlich beschrieben und genehmigt.

Dabei werden mehrere Genotypen einer Art (es müssen mindestens fünf sein) gekreuzt. Vollenweiler wies ausdrücklich darauf hin, dass es sich nicht um Mischungen handelt, bei denen einfach Saatgut verschiedener Sorten zusammengemischt werden. Vollenweiler dazu: "Wenn Sie das mit einer Hauskonstruktion vergleichen, dann hätten Populationszüchtungen ungefähr die Konstruktion eines Fachwerkhauses, während Mischungen einer Hauskonstruktion aus nebeneinaner aufgestellten Balken hätte".

Das Ziel der Populationen ist, die Pflanzen und damit ganze Bestände widerstandsfähiger zu machen. Denn: im neu gezüchteten Saatgut mit mehreren Populationen vereinen sich die positiven Eigenschaften aller daran beteiligten Genotypen. Dadurch sind die Pflanzen besser geeignet, auf verschiedene Klimabedingungen zu reagieren. Natürlich sind die Bestände dadurch sehr uneinheitlich und vom äußeren Erscheinungsbild sehr gewöhnungsbedürftig. "Sie dürfen keine Reinsaat-Bestände erwarten“, so der Referent. Vollenweiler wies darauf hin, dass je Grad Anstieg der Durchschnittstemperatur, das Auftreten von Wetterextremereignisse um den Faktor fünf steigt. Vollenweiler: "Wir können also sicher davon ausgehen, dass wir in den nächsten Jahren deutlich mehr Wetterextrem in Deutschland haben". Populationszüchtungen seien da eine sinnvolle Strategie.

Quelle: Dr. Karl Kempkens, Ökoteam Landwirtschaftskammer NRW, Tel.: 0251 - 2376 625, E-Mail: karl.kempkens@lwk.nrw.de, Münster, 27. November 2019

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