Wo früher Mais stand, wachsen jetzt rund 400 Pflanzenarten und bilden eine ökologische Nische in der Landschaft bei Groesbeek nahe Nimwegen. Schöpfer dieses „romantischen“ Nahrungswaldes ist der Niederländer Wouter van Eck. Gut 50 km weiter westlich in Schijndel baut er gerade einen weiteren Nahrungswald auf, der wirtschaftlichen Anforderungen besser genügen soll.
Die Gelegenheit zur Besichtigung der beiden Nahrungswälder bot sich am 24. April 2024 bei einer Exkursion, die die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) im Rahmen ihres Projekts „Bäuerliche Agroforste“ organisiert hatte. Finanziert von der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen hat das Projekt zum Ziel, die Agrofrostwirtschaft in NRW zu fördern, um somit Biodiversität, Klimaschutz und Strukturvielfalt in der Landwirtschaft zu verbessern.
Wouter van Eck ist sehr enthusiastisch für seine Passion Nahrungswald, auf Niederländisch voedselbos und auf Englisch food forest. Die Idee dafür kam ihm auf einer Reise nach Kenia, wo er einen Nahrungswald mit unter anderem Mangos, Avocados, Papayas und Kaffee mit seiner Vielfalt nicht nur an Pflanzen, sondern auch an Insekten und Vögeln kennenlernte. Kennzeichnend für einen Nahrungswald ist eine naturähnliche Polykultur verschiedener Bäume, Sträucher und Stauden, die Früchte, essbare Blüten, Nüsse, Kräuter oder andere Nahrungsmittel liefern.
Bei der Planung werden ökologische Prinzipien natürlicher Wälder berücksichtigt. Beispielsweise ist es entscheidend, eine Wasserstelle im Wald zu haben, denn die Amphibien spielen eine wichtige Rolle bezüglich der Insekten im Ökosystem. Grundsatz ist, dass nicht gepflügt wird und Bäume nicht geschnitten werden sowie keine Pflanzenschutzmittel oder Düngemittel hinzugefügt werden, die Kreisläufe sollen sich einpendeln und in sich funktionieren. Entsprechende Tierarten oder Speisepilze siedeln sich ganz von selbst an. Wobei es für die Zuwanderung ein Vorteil ist, wenn der Nahrungswald in der Nähe eines natürlichen Waldes liegt, der im besten Falle noch Naturschutzgebiet ist.
Seinen ersten Nahrungswald pflanzte Wouter van Eck gemeinsam mit einem Gleichgesinnten im Jahr 2009 auf 2,4 ha in De Horst, Gemeinde Groesbeek. Zunächst pflanzten sie an der Wetterseite des ehemaligen Maisackers eine Reihe Schwarzerlen als rasch wachsenden Windschutz. Außerdem legten sie einen geschwungenen Bachlauf und einen Teich an. Dann wurden nach und nach Obstgehölze und Nussbäume in verschiedenen Wuchshöhen gepflanzt, darunter auch exotische Arten. Dabei wurde auf Schatten- oder Sonnenbedarf Rücksicht genommen. Inzwischen sind einzelne Bäume zu groß geworden und nehmen anderen das Licht; sie werden nicht gefällt, aber durch eine rundum Entfernung der Rinde am Stamm zum Absterben gebracht. Auch Totholz ist wieder eine Nische für bestimmte Arten.
Der Nahrungswald profitiert in seiner Artenvielfalt vom nahegelegenen Reichswald, mit dem er über Alleen verbunden ist. Das Projekt Ketelbroek wird von niederländischen Universitäten wissenschaftlich begleitet. Verglichen mit dem Naturschutzgebiet De Bruuk in unmittelbarer Nähe konnten im Nahrungswald gleich viele (aber teils andere) Arten von nistenden Vögeln und Nachtfaltern nachgewiesen werden, wobei im Voedselbos deutlich mehr Individuen an Nachtfaltern auf der Fläche waren. Bei den Laufkäfern punktete der Voedselbos mit 35 Arten (gegenüber 27 im Naturschutzgebiet) und 497 Individuen (gegenüber 284). Je artenreicher ein Ökosystem ist, desto mehr Kohlenstoff kann es binden, sowohl ober- wie auch unterirdisch im Holz, in Wurzeln, Totholz, Mulch und Boden, hat Biologe Prof. Bernhard Schmid, Universität Zürich, herausgefunden.
Nach den ersten Erfahrungen in Ketelbroek konnte Wouter van Eck gemeinsam mit der Stiftung Voedselbosbouw Nederland und mit Unterstützung der HAS University of Applied Sciences sowie der Provinz Brabant in Schijndel 2019 einen mit 20 ha deutlich größeren Nahrungswald anlegen. Hier wurde die Wirtschaftlichkeit der Ernte mehr berücksichtigt, indem die Nährgehölze in Reihen und etwas sortierter aufgepflanzt wurden. Die untere Lage bilden Beerensträucher wie Jostabeere, Honigbeere oder Johannisbeere; die mittlere Ebene bilden halbhohe Bäume wie Äpfel, Mandel oder Nashibirnen und darüber erheben sich hohe Bäume wie Walnuss oder Esskastanie. Auch Kletterpflanzen wie Weintrauben oder Kiwibeeren finden ihren Platz im Nahrungswald. Pappeln, Erlen und Weißdorn dienen als Windschutz und Schattenspender. Unkräuter wie Brennnessel, Sauerampfer und Disteln dominieren anfangs das Bild, aber sie dürfen gewähren und haben ihren ökologischen Sinn. Im Laufe der Zeit, wenn sich die Gehölze etablieren, werden sie von selbst rückläufig.
Noch ist dieser Wald in der Aufwuchsphase, nennenswerte Ernten werden erst nach sechs Jahren erwartet. Als Partner und Abnehmer haben sich bereits die Cateringfirma Vitam und die Ladenkette Dille & Kamille gefunden.
Bis sich das ökologische Gleichgewicht eingestellt hatte, musste van Eck beispielsweise mitansehen, wie eine Invasion von Raupen einen Baum fast kahl fraß, bevor sich Vögel die Raupen holten. Die Vögel ernten allerdings auch seine Früchte, und zwar oft noch bevor sie richtig reif waren. Er sieht das entspannt: wenn die Bäume größer sind, können die Vögel oben in der Krone ernten und er unten. Von den über 400 Species, die in Ketelbroek gedeihen, erwiesen sich rund 250 als nicht geeignet für die Nahrungsmittelproduktion. Das Erntegut muss nicht nur wohlschmeckend sein, sondern unter anderem auch transportfähig und lagerbar.
Die Ernte aus Ketelbroek geht an ein Zwei-Sterne-Restaurant in Nijmegen; jeden Montag treffen sich Wouter van Eck und der Koch im Nahrungswald und ernten gemeinsam. Außerdem werden Produkte an eine Craft Beer Brauerei geliefert. Da der erste Nahrungswald, wie Wouter es nennt, „romantisch“ angelegt wurde, ist eine wirtschaftliche Ernte nicht machbar. Es ist eher eine Art Liebhaberei mit viel Enthusiasmus und Eigenleistung des Pioniers. Dank direkter Kontakte zu ausgesuchten Abnehmern, die hochwertige, ökologische und ausgefallene Lebensmittel schätzen und auch honorieren können, generiert van Eck zumindest ein paar Einnahmen. Die Preise werden pauschal nach Erntemengen festgelegt.
Wenn die Gehölze in Schijndel erst in Ernte sind, wird mehr Rentabilität erwartet. Der Nahrungswald dort soll als Vorbild für interessierte Landwirte dienen; die Stiftung Voedselbosbouw Nederland bietet Beratung und Unterstützung bei der Anlage solcher Flächen. Wouter van Eck ist beeindruckt vom überwältigenden Interesse der Bevölkerung an seinen Projekten; er bietet regelmäßig Führungen an. Aber er sagt: „Wir brauchen einen Wandel in der Landwirtschaft, nicht Städter, die das auf ihrem Balkon nachahmen wollen! Wir wollen Allianzen mit Landwirten schließen. Unsere Nahrungswälder zeigen, dass Natur und Lebensmittelproduktion gemeinsam möglich sind.“
Ein gut entworfener Nahrungswald bietet Lebensraum für vielerlei Arten und funktioniert ohne äußeren Input. Er übersteht Dürreperioden besser als Monokulturen und kann überreiche Niederschlagsmengen besser aufnehmen. Außerdem wird auf der Fläche Kohlenstoff gebunden und abfließendes Wasser ist klar. Insgesamt ist ein Nahrungswald ein Beitrag zur gesunden Umwelt. Und natürlich liefert er auch Lebensmittel. Unter anderem dank eines gesunden Bodenlebens wird ein reicher Ertrag erwartet.
Allerdings ist die Ernte wesentlich aufwändiger als in üblichen Obstbaukulturen und auch die Flächenrentabilität dürfte geringer sein. Der Absatz sollte an spezielle Abnehmer erfolgen, die die Besonderheit dieser Nahrungsmittel zu honorieren wissen.
Sabina Aldenhoff, LZ Rheinland
Wer mehr über die Nahrungswälder in den Niederlanden wissen und diese besuchen möchte, kann sich auf der Webseite Voedselbosbouw umsehen.
Fotos: Andrea Sausmikat, Landwirtschaftskammer NRW