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Spannende Studie zu Maispopulationen

05.12.2022

 

Von 2017 bis 2022 leitete Dr. Barbara Eder ein Forschungsprojekt, in dem erstmals im größeren Umfang das Potenzial sogenannter Populationen in Mais untersucht wurde. Anbau und Prüfung der Populationen fand bundesweit an fünf verschiedenen Standorten statt. Neben der LfL und der F&Z Dottenfelderhof waren die Universität Kassel, die Universität Göttingen und das Bundessortenamt beteiligt. Gefördert wurde die Studie über das Bundesprogramm Ökologischer Landbau (BÖL).

 

Frau Eder, seit Ende der 50er Jahre werden in Deutschland fast nur noch Hybridmaissorten angebaut, die sich in der Praxis bewährt haben. Warum haben Sie ein Projekt gestartet, in dem das Potenzial von Maispopulationen untersucht wurde?

Sie haben recht, Hybridsorten haben sich in der Praxis absolut bewährt und zu einem großen Ertragsfortschritt beigetragen. Deshalb werden sie auch zukünftig unverzichtbar bleiben. Aber inzwischen gibt es außer Hybridsorten nichts Anderes mehr. Die Betriebe haben gar keine Wahl mehr und müssen das teure Hybridsaatgut jedes Jahr neu kaufen. Hier würden wir gerne Alternativen anbieten. Zudem wünschen sich vor allem die Bio-Verbände Maissorten, die nicht auf Hybridzüchtung basieren. Denn während sich Populationen auf natürliche Weise kreuzen, funktioniert die konventionelle Hybridzüchtung nur auf künstlichem Wege und ist weniger transparent.

 

Woher kommen die Populationen, die Sie im Projekt untersucht haben?

Es gibt neben der LfL zwei Einrichtungen, die sich auf die Entwicklung von Maispopulationen spezialisiert haben: Die Getreidezüchtung Peter Kunz und die Forschung & Züchtung Dottenfelderhof. Da es keine verfügbaren Maispopulationen gibt, greifen wir in der Regel auf deutsche und europäische Hybridsorten zurück. Zum Teil wird auch Landsortenmaterial genutzt. Die Populationen werden aus einer unterschiedlichen Anzahl von Genotypen zusammengestellt. Wir an der LfL haben bei unseren ersten Populationen, Weihenstephaner 1 und 2, zwischen acht und zehn Hybridsorten miteinander gekreuzt und in den nachfolgenden offen abblühenden Generationen in Isolierlage selektiert. Für einen möglichst breiten Genpool wurde jede Sorte mit jeder gekreuzt. Im Projekt wurden die Populationen der drei Züchtungseinrichtungen unter konventionellen und ökologischen Bedingungen angebaut. Die Populationen mussten sich also auch in einem Low-Input-System bewähren.

 

Was unterscheidet Maispopulationen von Hybridmais und welche Vorteile haben sie?

Der größte Unterschied besteht in der genetischen und phänotypischen Zusammenstellung. Bei Hybridsorten ist jede einzelne Pflanze genetisch identisch. Außerdem gibt es mehrere feste Merkmale, die jede Pflanze auszeichnen. Das ist die Voraussetzung für die Anerkennung als Sorte. Bei Populationen hat dagegen jede Pflanze eine andere genetische Ausstattung. Sie sind genetisch viel diverser. Deshalb sind Populationen auch keine Sorten, sondern sogenannte Individuengemeinschaften. Aber entscheidender für die Praxis ist, dass sie anders als Hybridsorten offen abblühen, sich dadurch natürlich an den Standort anpassen können und für den Nachbau geeignet sind.

 

Welche Vorteile ergeben sich daraus für die Praxis?

Man geht davon aus, dass Populationen durch unterschiedliche genetische Ausstattung der einzelnen Pflanzen flexibler auf die zunehmenden Wetterextreme wie Hitze- und Trockenstress reagieren und dadurch bedingte Ertragseinbußen geringer ausfallen. Zudem sind sie stabiler im Ertrag. Außerdem passt sich eine Population durch den fortgesetzten Nachbau mit Selektion immer besser an einen Standort mit seinen individuellen Bedingungen an. Aber das war bisher beim Mais nur Theorie, weil es kaum Untersuchungen dazu gibt.

 

Hat sich diese Theorie in Ihren Versuchen bestätigt?

Zum Teil. Die Frage ist immer: Wie misst man die Anpassung? Wir haben den Ertrag als Maßstab genommen. Wir konnten tatsächlich messen, dass die Populationen im Öko-Anbau ertragsstabiler waren. Dabei hat uns besonders die schnelle Anpassungsfähigkeit der Populationen erstaunt. An unserem Standort in Freising hat sich der Ertrag in den drei Anbaujahren signifikant gesteigert. Das heißt, ein Landwirt kann in relativ kurzer Zeit eine Population zu seiner eigenen „Hofsorte“ entwickeln, die optimal zu den Bedingungen seines Standorts passt. Allerdings gab es diese Entwicklung nicht an allen Standorten. Wir gehen davon aus, dass eine sehr intensive Selektion notwendig ist, um eine Population im Ertrag weiterzuentwickeln. Und ganz extreme Wetterereignisse kann auch eine Population nicht wegstecken.

 

Worauf haben Sie selektiert?

Unsere wichtigsten Zuchtziele waren Pflanzengesundheit und Ertrag. Deshalb haben wir jede einzelne Pflanze auf Befall mit Krankheiten und Schaderregern wie Fusarien, Blattflecken und Maiszünsler angesehen. Für den Ertrag sind die Wuchshöhe und die Blattmasse entscheidend und natürlich der Kornertrag sowie die Reife eines Kolbens. Aus 2.000 Kolben der ersten Generation haben wir 100 Kolben der vielversprechendsten Einzelpflanzen ausgewählt, gemischt und wieder ausgesät. So konnten sich die besten Genotypen in der nächsten Generation wieder miteinander kreuzen.

 

Wie hoch war das Ertragsniveau?

Auf allen Versuchsstandorten haben die Populationen bis zu 80 Prozent des Ertragsniveaus von Hybridsorten erzielt. Teilweise waren sie in den Versuchen sogar besser als die Vergleichshybridsorten. Zwar gab es auch Populationen, die nur bei 60 bis 70 Prozent lagen. Dennoch war das für uns eine wichtige Erkenntnis. Denn bei einem Ertragsniveau von 80 Prozent der Hybridsorten werden Populationen für die Praxis interessant. Schließlich stehen wir ganz am Anfang der Populationszüchtung. Bei guter Selektion und weiterer züchterischer Bearbeitung könnte ich mir vorstellen, dass wir mit Populationen auf bis zu 90 Prozent des Ertrags von Hybridsorten kommen. Und man darf nicht vergessen, dass auch die Erträge von Hybridsorten um bis zu 20 Prozent schwanken können.


Für welche Betriebe könnten Populationen interessant sein?

Der Vorteil von Populationen ist neben ihrer Anpassungsfähigkeit und einer höheren Ertragsstabilität vor allem ihr Preis. Saatgut von Populationen zu erzeugen ist günstiger im Vergleich zu Hybridsortensaatgut. Beim Nachbau fallen keine Nachbaulizenzen an. Es gibt nur einen freiwilligen Sortenentwicklungsbeitrag. Deshalb sind sie vor allem für Betriebe interessant, die weniger intensiv wirtschaften, vor allem für Bio-Betriebe. Auch an Grenzstandorten, wo die Anpassungsfähigkeit und genetische Diversität der Populationen wirksam werden kann, sehe ich den Sortentyp geeignet. Wir haben aber auch Anfragen von konventionellen Betrieben. Hier sehe ich insbesondere bei der Biogas-Erzeugung Potenzial. Allerdings ist der eigene Nachbau mit laufender Selektion nicht einfach. Deshalb werden sogar Kurse zur richtigen Selektion angeboten. Am günstigsten ist es für Betriebe, wenn es eine Saatgutvermehrung in der Nähe gibt, die diese Arbeit übernimmt. Aber klar ist: Maispopulationen sind eine Nische und werden es auch bleiben.

 

Wie ist die aktuelle Zulassungssituation? Ist der Anbau zurzeit schon möglich?

Das Bundessortenamt ist grundsätzlich offen für die Zulassung. Allerdings passen Populationen derzeit nicht in das Raster, das durch Sortenschutz- und Saatgutverkehrsgesetz vorgegeben ist. Die Heterogenität der Populationen ermöglicht keine Sortenzulassung, weil sie nicht der Definition einer Sorte entspricht. In der neuen EU-Öko-Verordnung ist dagegen seit dem 1.1. 2022 eine Zulassung von Populationen in Form einer sogenannten Notifizierung möglich als Ökologisches Heterogenes Material (ÖHM). Das heißt, Populationen stehen grundsätzlich als Öko-Saatgut zur Verfügung.

 

Sind schon erste Populationen verfügbar? Und wie lange sollte man eine Population anbauen?

Für den Öko-Landbau gibt es bereits die Populationen Weihenstephaner 1, 2 und 3 und Tambudzai von der LfL, Almito und Bogdan der F&Z Dottenfelderhof und Evolino von der Getreidezüchtung Peter Kunz. Wir empfehlen zurzeit eine Nutzungsdauer von fünf bis sechs Jahren. Dann sollte man wieder auf neu zusammengestellte Populationen zurückgreifen, um den laufenden Züchtungsfortschritt mitzunehmen.

 

Sind weitere Forschungsprojekte zur Züchtung von Populationen geplant?

Wir müssen erstmal die Ergebnisse des Forschungsprojektes in unsere Züchtung einfließen lassen. Parallel dazu aber haben wir den Fokus in einem Folgeprojekt auf den Anbau von Speisemais gelegt. Das Projekt wird ebenfalls über das BÖL gefördert. Darin werden wir neben Hybrid- und Landsorten auch Maispopulationen auf ihre Eignung für Speisezwecke prüfen.


Das Interview führte Jürgen Beckhoff/BÖL

 

 

Weitere Informationen

Zur Person

Dr. Barbara Eder ist Expertin für Pflanzenzüchtung in der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), wo sie sich vor allem auf Mais spezialisiert hat.

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