Zwei Fakten, die überraschen könnten: Rote Herbstblätter sind bei einigen Baumarten in den USA ein Warnsignal an Schädlinge. Und entgegen der landläufigen Meinung wird vor dem herbstlichen Blattabwurf das Chlorophyll nicht zum Recyceln seiner Bestandteile abgebaut. Der wahre Grund: Die Farbstoffmoleküle werden zerlegt, damit die Pflanze gefahrlos die Stickstoff- und Phosphat-reichen Proteine des Photosyntheseapparates abbauen und im Stamm speichern kann.
Wäre aktives Chlorophyll noch vorhanden, aber durch den Proteinabbau nicht mehr fest in die Proteinkomplexe des Photosyntheseapparates eingebunden, würden die grünen Farbstoffmoleküle bei Lichtanregung hochreaktive Sauerstoffradikale erzeugen und die Blattzellen so zerstören.
Die farblosen Abbauprodukte des Chlorophylls, die kein Magnesium-Zentralatom und auch kein zusammenhängendes Doppelbindungssystem mehr aufweisen, lagert die Pflanze in Vakuolen der Blattzellen ab. Sie werden später zusammen mit den Blättern entsorgt.
Durch den Chlorophyllabbau sind die herbstlichen Blätter bekanntlich dann nicht mehr grün, sondern leuchten durch die zuvor vom Chlorophyll verdeckten Carotinoide und Anthocyane gelb bis rot.
Indian Summer – eine Symphonie in Rot
Besonders knallig rot sind im Herbst die Blätter zahlreicher Eichen- und Ahornarten in den US-Mittelatlantikstaaten bis nördlich nach Neuengland – bei Sonnenschein und blauem Himmel heißt dieses Naturschauspiel Indian Summer. Es hat sich gezeigt, dass die Bäume im Herbst noch zusätzliche rote Anthocyane synthetisieren und dadurch noch farbenprächtiger werden. Die rote Farbstoffproduktion ist aber energetisch viel aufwändiger als die Herstellung gelber Farbstoffe. Deshalb drängt sich die Frage auf: Wozu der Aufwand?
Zunächst gab es eine naheliegende Vermutung: Die roten Farbstoffe bewahren die Blätter vor schädlicher UV-Strahlung. Beim herbstlichen Proteinrecycling könnten so die an den Abbauprozessen beteiligten Proteine geschützt werden. Doch diese Hypothese kann nicht die Diversität der Laubfärbung erklären – innerhalb einer Art variiert das Farbenspiel beträchtlich.
Der Farben-Trick der Bäume
Eine alternative Hypothese stammt vom britischen Biologen William D. Hamilton. Demnach sind die roten Farben ein Warnsignal an blattfressende und saugende Schadinsekten, die im Herbst ihre Eier an den Bäumen ablegen wollen. Der Baum scheint den herbivoren Plagegeistern zuzurufen: "Seht her, ich bin stark und kann mir die energieaufwändige rote Farbstoffproduktion leisten. Daher werde ich auch mit Euch fertig werden". Schwächere Bäume haben stattdessen mehr gelbe Blätter. In der Tat konnte dieser Zusammenhang bei Blattläusen nachgewiesen werden. Diese meiden eher die Bäume mit rotstrahlenden Blättern und bevorzugten Individuen mit gelb gefärbten Laub zur Eiablage.
Es handelt sich offenbar um eine Koevolution dieser Baumarten und der Schadinsekten. Sie ist offensichtlich nur auf die Indian Summer-Region in Nordamerika begrenzt, da in Europa und anderen Regionen eine derart intensive herbstliche Rotfärbung kaum zu beobachten ist.
Quellen:
Quelle: Redaktion Pflanzenforschung.de, 24. November 2020