Das sehr praxisorientierte Programm startete mit dem Berater Burkhard Kayser, der sich schon seit Jahren im Ausland - speziell in Frankreich - mit dem Thema Agroforst beschäftigt. „In Deutschland hat das Thema bislang nur vereinzelt Fuß fassen können, da die rechtlichen Rahmenbedingungen noch suboptimal waren“, meinte der Referent. Wissenschaftliche Projekte, neue Erkenntnisse sowie die Gründung des DeFaf´s, des Deutschen Fachverbands für Agroforstwirtschaft, vor dreieinhalb Jahren und die klimatischen Veränderungen mit Wetterextremen würden das Thema aber immer mehr in den Fokus von Akteuren, die die Landwirtschaft resilienter gestalten wollen, rücken.
Mit der neuen GAP, der gemeinsamen Agrarpolitik, die seit dem 1. Januar 2023 neue Rahmenbedingungen für Agroforstsysteme auf den Weg gebracht hat, gebe es Rechtssicherheit für die Akteure, sodass Ackerland Ackerland bleibe. „Auch die Bedenken, dass Bäume auf dem Acker zu schützenden Landschaftselementen werden könnten, ist mit den neuen Rahmenbedingungen für ein Agroforstsystem aus der Welt geschafft“, beruhigte Burkhard Kayser.
Der Kreis der Interessenten und der Akteure, die bereit sind, Pionierarbeit leisten zu wollen, nimmt weiter zu. Mit dem Begriff Agroforstwirtschaft werden Landnutzungssysteme bezeichnet, bei denen mehrjährige verholzende Kulturen, Bäume oder Sträucher mit Ackerkulturen und/oder Tierhaltung systematisch auf einer Fläche kombiniert werden, sodass daraus ökologische, ökonomische und soziale Vorteilswirkungen entstehen.
Anhand von Bildern aus der Praxis ging Referent Burkhard Kayser auf die unterschiedlichsten Kombinationen von Agroforstsystemen ein. So beschreibt das „Alley Cropping“ das streifenförmige Anlegen von Baumstreifen in Ackerkulturen. „Die heißen Sommer der vergangenen Jahre sind Auslöser dafür, die konventionelle Anbauweise zu überdenken“, meinte er. Kayser veranschaulichte anhand von Beispielen aus Frankreich und Fotos aus der Praxis mit zum Beispiel der Schwarznuss, die streifenweise in einen Buchweizenbestand gepflanzt wurde, die Vorteile dieses Systems. „Die Bäume auf dem Acker brechen den Wind, leisten Verdunstung und schützen somit die Ackerkultur vor Austrocknung. Die Sträucher zwischen den Bäumen schaffen Nischen für Insekten und Tiere und tragen wesentlich zur Erhöhung der Biodiversität bei. Durch die Anpflanzung der Bäume ändert sich das Mikroklima. Mit den angepflanzten Bäumen können unterschiedliche Ziele verfolgt werden“, zählte Kayser die Vorteile auf.
Die Abstände der Bäume in der Reihe ist immer abhängig vom dem Ziel, das mit dem System verfolgt werden soll. Für die Wertholzproduktion eignen sich zum Beispiel die Vogelkirsche, die Walnuss, die Esskastanie oder die Schwarznuss. Hierfür eignen sich geradschaftige und hochaufgeastete Lichtbäume mit einer Standzeit von 45 bis 65 Jahren. Die Erträge der Stammholzproduktion in diesem System sind 20 % höher als im Forstwald. „Kirschwertholz ist eines der teuersten Werthölzer derzeit auf dem Markt“, so Burkhard Kayser. Schnellwachsende Pappeln eignen sich hervorragend für die energetische Holzproduktion oder als Industrieholz.
Der Abstand der Baumreihen zueinander wird so geplant, dass er ein Vielfaches der Breite der Arbeitsgeräte, wie zum Beispiel der Pflanzenschutzspritze, ist. Ziel ist es, dass die Bäume dem Maschinenpark angepasst werden und ein unkompliziertes Arbeiten auf dem Acker gewährleistet ist. Damit die Baumreihen auf dem Acker nicht in Konkurrenz mit der landwirtschaftlichen Kultur stehen, werden schon früh Maßnahmen, wie Wurzelschnitt und das Aufasten der Bäume, durchgeführt.
In den ersten fünf Jahren sind die Baumreihen wie eine zusätzliche Kultur zu sehen, die gepflegt werden muss. Bis die Bäume sich etabliert haben, müssen die Gehölze sowohl vor Konkurrenz, als auch vor Verbiss oder Fegeschäden geschützt werden. Bei nicht ausreichender anfänglicher Pflege sind Ausfälle bis zu 70 % nicht selten. Am Beispiel des Maisanbaus in Kombination mit Bäumen zeigte Burkhard Kayser, wie sich die Erträge in Mischkulturen darstellen. „Wissenschaftliche Untersuchungen aus England zeigen, dass Agroforstsysteme ertragsstabilisierende Effekte haben und nicht jede Fruchtfolge für dieses System geeignet ist. Agroforstsysteme tragen nicht unbedingt dazu bei, dass die Erträge steigen, jedoch können mit diesem System viele Klima-Anpassungsmaßnahmen umgesetzt werden“, so der Berater.
Frauke Ganswind, Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, AbL, stellte im Rahmen des aktuellen Projektes „Ackervielfalt“ den Betrieb Marienhof aus dem Kreis Heinsberg in NRW vor. Der Betrieb mit rund 70 ha Ackerfläche, 7 ha Grünland und Rinderhaltung plant, ein Agroforstsystem auf den hofnahen Flächen zu implementieren. Anhand von Planskizzen und Fotos schilderte die Referentin anschaulich die Probleme des Betriebes, die ausschlaggebend für diese Entscheidung waren. „Mit dem Agroforstsystem verfolgt der Betrieb - neben der Erhöhung der Biodiversität -, Bodenerosion zu vermeiden und durch die Baumstreifen mehr Wasser in der Fläche zu halten. Des Weiteren sollen die Bäume den Tieren auf der Weide Schatten spenden und zur Förderung des Tierwohls beitragen“, nannte sie wesentliche Motive.
Die AbL setzt sich für eine sozial gerechte und umweltverträgliche Landwirtschaft für kleine bis mittlere Betriebe ein. Mit dem Projekt „Ackervielfalt“ verfolgt die AbL die Förderung der Biodiversität auf den Betrieben sowie die Unterstützung der Produkte, die aus diesem System entstehen können. Auch für die Erhöhung der Förderprämie, die derzeit bei 60 €/ha anteilsmäßig für die Gehölzstreifen liegt, wird sich die AbL einsetzen. „Der Marienhof wird für Pappeln, Beerensträucher und Wertholzbäume, die auf der Ackerfläche gepflanzt werden, zwischen 4 000 und 6 000 € Pflanzkosten investieren. Hinzu kommen die Pflanz- und Pflegekosten für die ersten Jahre, bis sich das System etabliert hat. Die Förderprämie des Landes für dieses Agroforstsystem wird lediglich bei 30 € liegen“, erläuterte Ganswind.
In der zweiten Jahreshälfte plant die AbL zusammen mit dem deutschen Fachverband für Agroforstsysteme ein weiteres Projekt mit dem Ziel, zentrale Akteure aus Verwaltung, Landwirtschaft und Naturschutz für ein zukunftsfähiges Bild von Agroforstsystemen zu vernetzen.
Seit dem Frühjahr 2022 hat die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen am Standort Haus Düsse ein Agroforstsystem (AFS) installiert. Dr. Michael Dickeduisberg vom Zentrum für nachwachsende Rohstoffe NRW stellte seinen Arbeitsbereich und eines seiner bisherigen Projekte, die Kurzumtriebsplantage, KUP, sowie seine bisherigen Erfahrungen mit Bäumen vor. So wie er hätten sich viele Landwirte bislang wenig mit dem Anbau von Bäumen beschäftigt; gerade diese Ausgangssituation sei der Antrieb gewesen, eine Demonstrationsfläche AFS anzulegen, um sich der Herausforderung und den Fragen zu stellen, die erst bei der Umsetzung eines Projektes in die Praxis auftreten.
„Ziel des Agroforstsystems ist es, ein Verständnis für pflanzenbauliche Systeme zu entwickeln, was aus meiner Sicht in Zukunft immer mehr im Fokus stehen wird“, meinte Dickeduisberg. Anhand von Fotos ging er auf das Dilemma der Abtragung des guten landwirtschaftlichen Oberbodens ein, aber auch auf die Gefahren, die damit verbunden sind, wenn dieser Boden vorher frisch mit Pflanzenschutzmitteln behandelt wurde. „Agroforstsysteme sollen einen Teil dazu beitragen, dieses Problem abzustellen“, so der Referent. Das System auf Haus Düsse solle die Mindestanforderungen eines Agroforstsystems erfüllen, es sollte schnell etwas zu sehen sein, also wurden schnell wachsende Baumarten gepflanzt. Im Laufe des Projektes seien immer mehr Fragen sowohl zur Implementierung, als auch zur Bürokratie, aufgekommen, die auch noch im Nachhinein bei der Exkursion auf die Versuchsfläche diskutiert wurden. „Nehmen Sie die Möglichkeit der Beratung in Anspruch“, ermunterte Dr. Michael Dickeduisberg die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. (Kontakt per Email: michael.dickeduisberg@lwk.nrw.de; Infos unter www.landwirtschaftskammer.de, Stichworte Düsse/ZNR, sowie Andrea Sausmikat, siehe den Kasten oben rechts.)
Jan Große-Kleimann stellte seinen Betrieb in Steinfurt vor. Im Sommer 2022 haben er und seine Frau die Hofübernahme des konventionellen Schweinemastbetriebes mit Ackerbau angetreten. Der Hof befindet sich schon seit der vierten Generation in Familienbesitz. Der junge Familienvater habe sich bereits während seines Studiums mit dem Thema Agroforst beschäftigt. Ein fundamentales und nachhaltiges Ereignis für seine Entscheidung, ein AFS zu etablieren, sei aber die Teilnahme an einem Bodenkurs gewesen, der einen großen Einfluss auf seine Sichtweise auf die Landwirtschaft mit sich gebracht habe. So trug die erste Folie seines Vortrags die Überschrift: „So konventionell ein regenerativer Betrieb eben sein kann….“.
„Wir versuchen, durch Mischkulturen, Direktsaat und Aufbereitung der Gülle mit Kohle und Ferment die Landwirtschaft anders zu denken und anders zu praktizieren. Bei dem intensiven Blick auf den Boden ist die Agroforstwirtschaft die logische Konsequenz daraus“, so der junge Landwirt. Auf einer Fläche von 10,14 ha hat der Junglandwirt sich zum Ziel gesetzt, mit seinen robusten und krankheitsresistenten Apfelsorten die Region mit Tafel- und Mostobst zu versorgen. Mit 780 Apfelbäumen wurden neun unterschiedliche Sorten und gut 20 Wertholzbäume in 3 m breite Gehölzstreifen gepflanzt. Der Ackerstreifen hat derzeit eine Breite von 30 m. Synergien, wie der Schutz der Früchte vor Sonnenbrand, sollen im Laufe der Zeit die Werthölzer mit ihrem diffusen Schattenwurf mit sich bringen. Die Gehölzstreifen wurden in Nord-Süd-Richtung angelegt, um den negativen Effekt des Schattenwurfs auf die Ackerkultur so niedrig wie möglich zu halten. Jan Große-Kleimann ist von dem System überzeugt: „Mich beeindruckt die Nachhaltigkeit, vor allem aber auch schon die positiven Begleiteffekte, die alleine bei der Installation des Systems aufgetreten sind“, betonte er.
Mithilfe der Leistungsberechnung, die die Regionalwert AG zur Nachhaltigkeitsbewertung in der Landwirtschaft entwickelt hat, kann Familie Große-Kleimann nun auch die Leistung ihres Betriebes für die Gesellschaft darstellen. „In diesem Modell ist die Sichtweise nicht nur rein monetär ausgerichtet, sondern es findet auch eine soziale und ökologische Bewertung statt. Eine soziale Betrachtungsweise kann zum Beispiel darauf ausgerichtet sein, ob der Betrieb Lehrlinge ausbildet. Genau diese beiden Ziele, die sozialen und ökologischen, finden wir in der Definition von Agroforstsystemen wider“, erklärte Jan Große-Kleimann diesen Ansatz. Der Betrieb nutzt das Tool der Regionalwert AG zur Darstellung und Bewertung seines Handelns. Für Jan Große-Kleinmann ist klar, dass Agroforstsysteme zukunftsträchtig sind. „Mit viel Austausch mit Praktikern im Vorhinein und der Beratung durch Fachleute spricht sehr vieles dafür, einfach einmal auf einer kleinen Fläche zu starten!“
Beim letztem Programmpunkt stellte Wolfram Kudlich, Inhaber der Firma WALD 21 GmbH, Agroforstsysteme mit dem Anbau von Pappeln vor. Spezialisiert hat sich der Betrieb auf Legehennenausläufe mit Pappelstreifen. „Hühner sind Waldvögel und lieben den Schutz von Bäumen. Die Bäume bieten den Tieren Schutz vor Feinden aus der Luft. Ohne die Bäume gehen die Tiere nicht in die Fläche und halten sich nur in unmittelbarer Nähe des Stalles auf - ein großes Problem stellt hier der punktuelle Stickstoffeintrag durch den Hühnerkot dar“, nannte Kudlich einleitend Sinn und Zweck der Kombination. Die Akzeptanz in der Gesellschaft sei groß. „Durch die Pappeln wird das natürliche Verhalten der Hühner, wie das Scharren, gefördert und die Hühner nutzen den ganzen Auslauf, der ihnen zur Verfügung steht. Die Bäume tragen auch hier zum Tierwohl bei.“ Die Hackschnitzel der Pappeln werden bei diesem System oft als Einstreu rund um die Hühnerställe genutzt, was den Krankheitsdruck, der besonders in der nassen Jahreszeit, wie im Herbst oder Winter, gegeben ist, senke.
Pappeln können sowohl als Stecklinge als auch als Steckhölzer eingesetzt werden. „Damit aus den jungen Trieben schnell hohe Bäume werden, müssen die Setzlinge, die im Frühjahr gepflanzt werden müssen, frei von Beikräutern gehalten und während der Etablierung gut mit Wasser versorgt werden. Die Bäume danken es einem mit einer stattlichen Zuwachsrate von 3 bis 4 m im ersten Jahr“, verblüffte Wolfram Kundlich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
Andrea Sausmikat,
Landwirtschaftskammer NRW
Andrea Sausmikat
Fachbereich 53 — Ökologischer Land- und Gartenbau
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