Bor, Zink, Molybdän: Der Biogemüsebetrieb Christiansen setzt bei der Düngung auch gezielt auf Mikronährstoffe, die nach der Albrecht-Kinsey-Methode ausgebracht werden. Anbauleiter Jan Richardt ist vom Konzept absolut überzeugt.
Auf dem Biolandhof Christiansen in Silberstedt bei Schleswig in Schleswig-Holstein war man schon immer offen für ungewöhnliche Ansätze im Gemüsebau. Dafür wurde der Betrieb 2024 als Sieger beim Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau ausgezeichnet. Ob Mulcheinsatz, Kartoffelanbau im Strip-Till-Verfahren oder der Einsatz von biologischen Fermenten - Anbauleiter Jan Richardt testet auf dem Betrieb gerne ungewöhnliche Ansätze aus, auch wenn er damit nicht immer Erfolg hat. „Nur wer immer wieder Neues ausprobiert, kann seinen Anbau weiterentwickeln und verbessern“, ist Richardt überzeugt.
Eine echte Weiterentwicklung war für ihn die Einführung der Albrecht-Kinsey-Methode in der Düngung, die er mittlerweile seit fünf Jahren anwendet. Das Konzept ist wissenschaftlich nicht unumstritten. Genutzt wird es vor allem in der regenerativen Landwirtschaft und weltweit bei Direktsaatsystemen. Im Kern geht es darum, auf Basis von erweiterten Boden- und Pflanzensaftuntersuchungen Nährstoffe gezielter und ausgewogener zu düngen, das heißt im optimalen Verhältnis zueinander. Zudem werden auch Mikronährstoffe wie Zink, Bor und Mangan viel stärker berücksichtigt.
„Früher hatten wir neben den Hauptnährstoffen vielleicht noch Schwefel im Blick. Heute haben wir 20 Nährstoffe im Fokus“, sagt Jan Richardt. Welche Mengen von welchem Nährstoff ergänzt werden, gibt eine erweiterte Bodenanalyse für jeden Schlag vor. Die dafür benötigten Bodenproben nimmt Richardt alle drei Jahre auf allen Flächen, jeweils immer im Herbst nach der Ernte. Die empfohlenen Mengen bringt er in den nachfolgenden Anbaujahren vor der Zwischenfrucht zur Hauptkultur oder zu Kleegras aus.
In der Wachstumsphase wird zusätzlich anhand von Pflanzensaftanalysen überprüft, ob die Pflanze alle Nährstoffe aufnehmen konnte. Liegen die Werte unter der Zielvorgabe, folgt eine Blattdüngung. Die ausgebrachten Gesamtmengen an Mikronährstoffen bewegen sich hier im Jahr zwischen 200 g bei Molybdän und 4 kg bei Bor und Kupfersulfat. Die Grunddüngung für die Hauptnährstoffe Stickstoff, Phosphat und Kali ist laut Jan Richardt unverändert geblieben. Hier setzt der Betrieb auf Rindermist aus einer Kooperation mit einem Nachbarbetrieb, organischen Zukaufdünger und die N-Bindung aus dem Kleegrasanbau.
Die erweiterten Boden- und Pflanzenanalysen, der zusätzliche Spezialdünger und die Ausbringung sind ein erheblicher Mehraufwand. Richardt schätzt die zusätzlichen Kosten pro Hektar und Jahr auf etwa 250 €. Doch er sieht eindeutige Effekte, die diesen Aufwand rechtfertigen: „Alle Kulturen wachsen einfach viel besser und das Bodenleben hat deutlich zugenommen. Beim Gemüse haben wir zudem durchweg bessere Qualitäten, eine bessere Lagerfähigkeit und einen besseren Geschmack, etwa durch höhere Zuckergehalte bei den Möhren.“ Diese Vorzüge wissen auch die Handelspartner des Betriebs zu schätzen. Sie sind deshalb bereit, für die Ware gute Preise zu zahlen. Beim wirtschaftlich wichtigsten Gemüse des Betriebs, den Möhren, konnte außerdem auch der Ertrag um etwa 5 t/ha und Jahr gesteigert werden. „Das sind 5 000 € zusätzlich pro Hektar, mit denen wir die höheren Kosten locker wieder reinholen“, sagt Jan Richardt.
Insgesamt sind alle Kulturen seiner Einschätzung nach auch deutlich robuster geworden. So kann er beim Kohl inzwischen problemlos auf teure Pflanzenschutzbehandlungen mit Neemöl-Präparaten oder Bacillus-Thuringiensis verzichten. „Besonders deutlich ist der Dünge-Effekt beim Kleegras“, berichtet Richardt. „Es ist viel wüchsiger und hält bei ungünstigen Bedingungen, wie anhaltender Trockenheit, länger durch.“
Für die positiven Wirkungen der einzelnen Mikronährstoffe hat der Gemüseprofi physiologische Erklärungen. So ist etwa Molybdän entscheidend am Umbau des aufgenommenen Stickstoffs in der Pflanze beteiligt, während Zink wichtig für die Phosphoraufnahme ist. Entscheidend ist für ihn, dass mit dem Ansatz Ungleichgewichte im Nährstoffangebot für die Pflanzen ausgeglichen werden. „Die optimierte Versorgung wirkt wie ein Pflanzenstärkungsmittel. Die Kulturen können ihr Potenzial voll entfalten“, sagt Richardt.
Wie groß der Effekt der Kinsey-Albrecht-Düngung ist, wurde laut Richardt besonders deutlich auf Flächen, die der Betrieb vor zehn Jahren übernommen hatte. Der Schlag wurde davor lange Zeit sehr extensiv geführt und lag bei allen Hauptnährstoffen in der Versorgungsstufe A. Nach einer gezielten Aufdüngung mit Stickstoff, Kali und Phosphor blieben die Erträge weiterhin unter dem üblichen Niveau, trotz deutlich verbesserter Versorgungsstufen. „Da wurde uns klar: Hier müssen wir etwas ganz Anderes machen. So sind wir dann zur Kinsey-Methode gekommen“, erzählt Richardt. Inzwischen erntet er auch auf diesem Schlag die auf dem Standort üblichen Mengen und Qualitäten. Für ihn ist der stärkere Fokus auf Mikronährstoffe eine logische Entwicklung. „Lange Zeit wurde nur auf die drei großen Hauptnährstoffe geschaut, dann auf Schwefel, später auf Magnesium“, meint Richardt. „Jetzt sehen wir, dass wir mit jeder Ernte auch größere Mengen an vermeintlich weniger wichtigen Nährstoffen, wie Bor oder Silizium, abfahren, die wir aber nie gezielt ersetzen.“
Nach anfänglichen hohen Investitionen in für den Ökolandbau zulässige Mikronährstoffdünger beobachtet er, dass sich inzwischen auf allen Flächen ein Nährstoffpotenzial aufgebaut und stabilisiert hat. „Eine Grundversorgung ist jetzt da“, meint Richardt.
Seinen Mut, immer wieder neue Ansätze im Pflanzenbau zu wagen, sieht er auch an anderer Stelle belohnt. „Alternative Pflanzenbaumethoden ziehen junge Leute an“, sagt Richardt. „Unsere aktuelle Auszubildende hat sich auch deshalb für uns entschieden, weil wir immer wieder fachlich begleitete Praxisversuche machen. Das ist für uns natürlich ein weiterer Ansporn, damit weiterzumachen.“
Jürgen Beckhoff
Auf dem Biohof Christiansen werden - neben dem Erwerbsgemüsebau - samenfeste und gentechnikfreie Gemüsesorten gezüchtet. Lesen Sie dazu ebenfalls die Reportage auf dieser Seite.