Der Westerwald gilt nicht gerade als Hochburg des Gemüseanbaus. Zu kalt und zu nass ist es in der Mittelgebirgsregion. Dazu kommen meist flachgründige Böden mit überschaubarer Fruchtbarkeit. Diese ungünstigen Voraussetzungen haben Johannes Storch aber nicht davon abgehalten, seinen 10 ha-Betrieb in Dickendorf, südwestlich von Siegen, komplett auf den ökologischen Anbau von Gemüse auszurichten.
Dass der Betrieb dennoch erfolgreich ist, beruht nicht zuletzt auf einem selbstentwickelten Mulchsystem auf Basis von Zwischenfrüchten, mit dem der Betrieb bereits seit 2011 arbeitet. Damit hatte der Betrieb ein Alleinstellungsmerkmal. Denn im professionellen Gemüseanbau ist der Anbau mit Mulch kaum verbreitet, auch nicht im Bio-Bereich. Denn der Einsatz von Mulch gilt als anspruchsvoll und hat den Ruf, die Verunkrautung und die Ausbreitung von Mäusen und Schnecken auf den Flächen zu erhöhen.
Auch Johannes Storch würde nicht behaupten, dass Mulchanbau einfach wäre. Und er kann bestätigen, dass die Unkrautkontrolle eine besondere Herausforderung des Systems ist, insbesondere im ökologischen Anbau. Denn die aufliegende Mulchschicht macht den Einsatz herkömmlicher Hacktechnik unmöglich. „Wer auf Mulchanbau setzt, gibt immer etwas Kontrolle ab“, sagt Johannes Storch. „Man muss sehr genau hinschauen und einen guten Blick für die Natur entwickeln, für den Bodenzustand und die Zwischenfrucht.“ Aber grundsätzlich hält er es für absolut machbar, wenn das Konzept stimmt und alle Arbeitsschritte sauber umgesetzt werden. Der Schlüssel ist für Storch letztlich die richtige Technik. „Aber die gibt es nicht am Markt“, sagt der Bio-Landwirt.
Deshalb hat er die benötigten Maschinen kurzerhand selbst entwickelt, gemeinsam mit einem technikbegeisterten Mitarbeiter. Die entscheidenden Geräte sind eine Mulchpflanzmaschine und eine Umkehrfräse, mit der er die Zwischenfrucht nach der Ernte sät. Beide Maschinen baut der Betrieb inzwischen auch in Kleinserie und verkauft sie an interessierte Gemüsebaubetriebe.
Die Grundidee des Mulchsystems beruht darauf, den Boden möglichst ganzjährig bedeckt zu halten, entweder mit einer Mulchschicht oder einer Zwischenfrucht. Die Zwischenfrucht ist ein zentraler Baustein des Konzepts. Denn das Gemenge aus Roggen oder Triticale, Wicke und Erbse bindet die Nährstoffe über den Winter und bildet vor der Anbausaison das Ausgangsmaterial für die Mulchauflage. Etwa einen Tag vor der Pflanzung der Gemüsekultur wird der Zwischenfruchtbestand mit einem Schlegelmulcher gehäckselt. „Ziel ist es dabei, eine lockere und zugleich lichtundurchlässige Schicht abzulegen, mit der die Keimung der Samenunkräuter unterdrückt wird. Dafür ist der bis zu 2,5 m lange Roggen ideal“, erklärt Storch. Insgesamt wird eine organische Auflage von 15 t Trockenmasse pro ha benötigt. Reicht der Aufwuchs nicht aus, wird Material von anderen Flächen ergänzt.
Ist die Mulchschicht gleichmäßig auf der Fläche verteilt, beginnt das Pflanzen mit dem selbstentwickelten Mulchtec-Planter. „Entscheidend bei der Maschine ist das elektrisch angetriebene Schneidwerk vor jedem Pflanzschar, das die Mulchschicht aufschneidet. Sonst würde das Ganze nicht funktionieren“, sagt Storch. Nach dem Setzen der Jungpflanzen wird der Mulch über Andruckrollen wieder geschlossen und der Boden verfestigt. Der Druck der Rollen lässt sich pneumatisch bis auf 200 kg pro Schar regulieren, je nach Härte des Bodens.
Zusätzlich legt die Maschine einen Unterfußdünger ab, in der Regel Pellets aus Leinsamen oder Soja. Dieser schnell wirkende N-Dünger ist laut Storch entscheidend für eine zügige Jugendentwicklung. Denn die Düngerwirkung des Mulchs setzt erst nach etwa vier Wochen ein. Dann reichen die in der Auflage gebundenen Nährstoffe aber aus, um die spätere Kopf- und Ertragsdüngung vollständig abzudecken. So spart er etwa die Hälfte der benötigten Düngermenge ein.
Nach der Ernte kommt im Herbst die zweite selbst entwickelte Maschine zum Einsatz, der Roto-Seeder. Die Umkehrfräse schält die oberste Bodenschicht etwa 2 bis 4 cm tief ab, um bei Kulturen wie Kohl die Wurzel vom Strunk zu trennen. Unter dem Gemisch aus organischem Material und Boden wird dabei das Saatgut der Zwischenfrucht abgelegt.
Mit diesem Konzept auf Mulchbasis erzielt der Bio-Landwirt erstaunliche Ergebnisse. „Bei allen Kulturen kommen wir mit Mulch im Schnitt einen 25 % höheren Ertrag, egal, ob die Witterung sehr trocken oder feucht war“, sagt Storch. Konkret heißt das zum Beispiel, dass er bei Zwiebeln mit Mulch auf 55 t pro ha kommt, während er ohne Mulch nur 44 t erreichte. Bei Rosenkohl erntet er inzwischen 26 statt 17 t pro ha.
Der Ertragszuwachs beruht auf den vielfältigen positiven Wirkungen des Mulchs. So verdunstet auf den Flächen laut Storch etwa 90 % weniger Wasser, was den Pflanzen besonders in trockenen Jahren zugutekommt. Zudem verbesserte sich die Bodenstruktur und das Bodenleben. „Humusabbau gibt es auf den Mulchflächen gar nicht mehr“, freut sich Storch. Stattdessen beobachtet er bei intensivem Mulchgemüsebau sogar einen Humuszuwachs von bis zu 0,3 Prozentpunkten pro Anbaujahr.
Der Einfluss des Mulchsystems auf die Regenwurmpopulation wurde sogar wissenschaftlich untersucht vom Dienstleistungszentrum Rheinland-Pfalz (DLR). Die Zahlen sind beeindruckend. Nur 20 Wochen nach der Mulchausbringung zählte das Forscherteam die dreifache Menge an Regenwürmern im Vergleich zur Bewirtschaftung ohne Mulch. Storch: „Das merkt man den Böden auch an. Das Gefüge ist viel besser und es macht einfach mehr Spaß, auf diesen Flächen zu arbeiten.“
Auch der Pflanzenschutz wird durch die Mulchauflage einfacher. Schnecken oder Mäuse haben nicht zugenommen. Stattdessen beobachtet Johannes Storch bei den meisten Kulturen eine bessere Blattgesundheit und vitalere Pflanzen. Bei Versuchen des DLR auf Kohlrabiflächen ohne Netz wurde das besonders deutlich. Während die Parzellen ohne Mulch massiv vom Kohlweißling befallen waren, blieben die angrenzenden Mulchflächen nahezu unangetastet vom Schädling. Eine wissenschaftliche Erklärung für diesen Effekt gibt es bisher noch nicht.
Eine größere Herausforderung ist dagegen die Verunkrautung, vor allem wenn Wurzelunkräuter wie die Waldsumpfkresse auftreten. Wegen der Mulchauflage musste das Unkraut in der Vergangenheit immer per Hand entfernt werden. Laut Storch liegt der Aufwand dafür aber meist unter 50 Stunden pro ha und ist damit immer absolut wirtschaftlich. Außerdem setzt er inzwischen eine Standard-Rotorhacke ein, was die Handarbeit weiter reduziert.
Ein Nachteil der Mulchauflage ist die langsamere Erwärmung der Böden im Frühjahr. Bei Spätfrösten erreicht die Wärmeabstrahlung des Bodens nicht mehr die Blätter und das Risiko für Frostschäden steigt. Bei sehr frühen Salat- oder Zucchinisätzen wird deshalb auf eine Mulchauflage verzichtet. Unempfindlichere Kulturen wie Zwiebeln kommen aber mit dem erhöhten Frostrisiko gut klar.
Insgesamt überwiegen die Vorteile des Systems nach Storchs Erfahrungen bei Weitem. „Ein befreundeter Betriebsleiter, der auch mit Mulch arbeitet, hat es einmal scherzhaft als 3-G-System bezeichnet: Gepflanzt, geschaut, geerntet. Und da ist ein bisschen was dran“, sagt Storch.
Für die konsequente Umsetzung des Systems und die Entwicklung der benötigten Pflanz- und Mulchsaattechnik wurde sein Betrieb von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir als Sieger beim diesjährigen Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau ausgezeichnet. Die Vorzüge des Systems haben sich bereits in der Branche herumgesprochen, immer häufiger erhält Johannes Storch Anfragen für das Pflanzen im Lohn, auch auf weit entfernten Betrieben. Auch die Nachfrage nach den selbst entwickelten und in kleiner Stückzahl gebauten Maschinen wächst.
Für das Team von live2give ist die Entwicklung mit dem bisher Erreichten aber noch nicht abgeschlossen. Nachdem der Mulchanbau für alle Pflanzkulturen etabliert ist, wird bereits an einem System für Sämereien, wie Möhren und Rote Bete, gearbeitet. Dabei wird Johannes Storch seiner entspannten Haltung zum Mulchkonzept weiter treu bleiben: „Wir sehen das Ganze nicht dogmatisch. Unser oberstes Ziel bleibt es, gutes Gemüse anzubauen.“
Jürgen Beckhoff