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Kleine Pflanzen, große Power

04.12.2024

In Vallendar bei Koblenz baut Mario Wenig in den Lagerräumen einer ehemaligen Metzgerei Microgreens an. Dort wächst in Erdwannen, die in Metall-Regalen stehen, das kleine Grünzeug. Es kann schon nach wenigen Tagen geerntet werden und hat ein Vielfaches der Inhaltsstoffe verglichen zur ausgewachsenen Pflanze.

Abgesehen von Kresse, die hierzuland bereits seit Jahrzehnten auf der Fensterbank angebaut wird, hat in Deutschland das kleine Grünzeug noch großes Wachstumspotenzial. Doch wie kommt man überhaupt auf die Idee hier Brokkoli, Radieschen, Sonnenblumen, Wasabi & Co. im Miniformat anzubauen, wollten wir von Mario Wenig wissen. Seine Antwort: „Ich habe lange in den USA gelebt. Dort gehören Microgreens ganz selbstverständlich zur Ernährung dazu. Als ich vor zwei Jahren wieder von dort nach Deutschland zurückgekommen war fehlten mir diese und ich begann mich umzuschauen.“

Das Start-Up hat zwar keine offizielle Bio-Zertifizierung, aber verwendet vorwiegend zertifiziertes Biosaatgut und will künftig nur noch auf torffreier Bio-Erde anbauen. Auch hier hat Wenig neue, preisgünstigere Einkaufsquellen aufgetan.

Learning by Doing

Zunächst begann der inzwischen 39-jährige Software-Entwickler also, sich mit dem Thema Microfarming näher auseinander zu setzen. Er schaute sich im Internet dazu um und begann, das erste Equipment dafür einzukaufen. Während es für Hobby-Microfarmer, die auf der Fensterbank züchten, verschiedene Anzuchtschalen dafür gibt, sieht das zumindest in Deutschland für kommerzielle Anbauer etwas anders aus. Da muss man schon mal die Fühler auch nach England oder Italien ausstrecken, um an das Gewünschte zu kommen. Zunächst hat Wenig dann nach geeigneten Anbauschalen gesucht: „Ich habe fünf von den Unterschalen und fünf von den Oberschalen gekauft, um mit fünf Schalen zu starten. Woran ich natürlich nicht gedacht habe, ist, dass ganz oben noch eine Schale mit Gewicht draufkommt. Das heißt, mir fehlte dann im Endeffekt die Oberschale. Daher konnte ich nur mit vier Schalen loslegen.“

Auch beim Einkauf des Saatguts hat Wenig dazugelernt und fragt bei seinen größeren Abnahmemengen nun gezielt nach B2B-Preisen. Der Anbau selbst erfordert einiges an Erfahrung. Denn da spielen so viele Faktoren mit hinein, wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Umluft, Substrat, Saatgut bis hin zu Dokumentationen, die vielfach auf Englisch sind, womit der Microfarmer aufgrund seiner Vorgeschichte aber keinerlei Probleme hat.

Start mit Kellerregal

Seine vier Anbauschalen fanden dann am Anfang in einem Metallregal Platz, welches er im Keller gefunden hatte. Gestartet mit dem Anbau hat Wenig zuerst in seiner Wohnung und mit einfachen Excel-Tabellen für die Anbauplanung. Auch wenn seitdem nur wenige Monate vergangen sind, hat sich mittlerweile viel getan. Inzwischen konnte er die Lagerräume einer ehemaligen Metzgerei mieten, die Dank der gekachelten Wände dafür sehr gut geeignet sind. Doch damit dort die Regalböden eben stehen, müssen die Füße ausgeglichen werden. Denn sonst läuft das Wasser in der Unterschale auf eine Seite und das Ergebnis ist ein ungleiches Wachstum. Andernfalls müssen die Schalen regelmäßig gedreht werden.

Am neuen Standort steht natürlich nicht mehr nur ein Regal, sondern es sind nunmehr sieben, auf denen jeweils zwischen zwölf und 24 Anzuchtschalen Platz finden. „Etwas schwierig ist bei der momentanen Auslastung die Klimatisierung des Raums“, schränkt Mario Wenigs ein. Dabei bereiten Temperatur und Luftfeuchte dem Gründer weniger Kopfzerbrechen, dafür hat er mit Ventilator und Luftentfeuchter die passende Lösung parat. Vielmehr ist es der CO2-Gehalt, der für die Pflanzen zu gering sei. Um diesen im Blick behalten zu können, hat er sich ein entsprechendes Messgerät dafür gekauft. Die ersten Lampen, die der Gründer von Little Leaves Microgreens gekauft hat, waren nicht unbedingt optimal, selbst wenn es sich dabei um ausgesprochene Wachstumslampen mit rotem, blauem und weißem Licht handelt.

Vielfalt vermarkten

Einen Hofladen hat der 39-Jährige nicht, sondern er verkauft den Großteil seiner Produktion auf verschiedenen (Wochen)Märkten. Dort bietet er 50- und 100-g-Schalen an. Neben den sortenreinen Schalen hat er auch meist Mischungen dabei, bestehend aus vier verschiedenen Sorten. „Das ist nicht nur für die Kundschaft attraktiv, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll“, erklärt Wenig. So ist er beispielsweise mittwochs in Ehrenbreitstein und freitags in Güls auf dem Wochenmarkt. Aber auch andere Märkte, wie der „Veganer Markt“ in Koblenz, der Abendmarkt in Bad Ems oder der Regionalmarkt 2024 in Ochtendung, stehen in Mario Wenigs Terminkalender. „Für den Veganer Markt baue ich einiges extra an“, erzählt der Microfarmer.

Wenigs hat derzeit knapp 20 Sorten im Programm. Einen Katalog mit kurzer Beschreibung steht auf der Website zum Download bereit. Künftig sollen es aber eher weniger als mehr werden. „Mein Ziel ist es, mehr Sorten mit gleicher Wachstumsdauer anzubauen. Denn mehr Sorten würden den Anbau nur noch komplizierter machen“, ist er sich sicher. „Insbesondere Premium-Sorten, also diejenigen mit längerer Wachstumsdauer, wie Rote Bete oder Koriander, nehmen derzeit gut Platz weg.“ Welche der Sorten wo gut gehen, dabei komme es sehr stark auf den jeweiligen Markt an. So seien auf dem einen Markt eher Brokkoli, Radieschen, Wasabi und der HeavyOnMix gefragt - auf dem anderen Radieschen, Sonnenblumen, Erbsen und kaum Mischungen.

Interessant findet Mario Wenig auch die Reaktion seitens der Marktbesucher. So höre er immer wieder die Aussage, meist von Männern, dass diese kein Grünzeug mögen. Einige davon kann er dann aber doch mit scharfen Sorten, wie Senf oder Wasabi, aus der Reserve locken. Andere erzählen ihm, sie würden das selber machen. Diese Klientel wird dann aber meist bei Sonnenblumen doch neugierig.

Neben den Wochenmarkt Kunden gehören auch einige Restaurants zu seinen Stammkunden. Eine Zusammenarbeit mit Hofläden oder Direktvermarktern mit Hofgastronomie kann sich Mario Wenig ebenfalls sehr gut vorstellen.

Ausgeklügeltes System

„Besonders schwierig im Anbau sind Amaranth und Rucula, weil beide wasserempfindlich sind. Wenn diese zu viel Wasser bekommen drohen sie schnell zu verrotten“, berichtet Wenig von seinen Erfahrungen. Einfach im Anbau sind dagegen Radieschen, Brokkoli, Erbsen sowie die meisten Kohlgewächse, wie Rotkohl, Grünkohl, Kohlrabi. Wichtig für den Anbau sei auch die Erfahrung, welche Kultur wie viel Wasser braucht oder verträgt.

Ein Blick in den Vorraum seiner Indoor-Farm mag den einen oder anderen Besucher vielleicht etwas verwundern, weil auf den weißen Kacheln allerlei Zahlen oder Kürzel notiert sind. Die aber helfen ihm bei der Anbauplanung. „Was die Dokumentation der Anbauplanung betrifft, habe ich damals mit Excel angefangen, aber es wurde irgendwann unübersichtlich“, blickt er zurück. Bei der Anbauplanung setzt er daher auf ein Software-Programm, mit dem nicht nur dokumentiert werden kann, wie lange welche Sorte im Dunkeln unter Gewicht, sondern auch unter den LEDs verbringen soll. „Das macht die ganze Sache deutlich einfacher, zu entscheiden, wann, was und wie lange in welchem Stadium sein soll. Natürlich wird das Ganze von Zeit zu Zeit angepasst.“

Dazu können zudem die Chargennummer ausgewählt und viele andere Optionen, wie Substrat oder Wasserversorgung, sowie persönliche Notizen eingestellt werden. Bei der Aussaat selbst sind dann wiederkehrende Arbeitsschritte nötig. Diese, wie zum Beispiel das Abwiegen der einzelnen Saatgutmengen, will der Unternehmer ebenfalls optimieren. Dafür hat sich der Gründer Filmdosen bestellt, wie sie früher für die Analog-Fotografie verwendet wurden. „Die haben für kleine Saatgutgrößen, wie Amarant oder Brokkoli, die passende Größe.“ Für das Reinigen der schwarzen Anbauschalen aus robustem Kunststoff ist Mario Wenig noch auf der Suche nach einer geeigneten Spülmaschine, um die zeitaufwändige Reinigungsarbeit zu vereinfachen.


Christine Schonschek, Bad Ems

Weitere Informationen

Was sind Microgreens?

Mikro-Grünzeug, meist Microgreens genannt, ist ein Pflanzenstadium zwischen Sprossen und Babyleaves. Darunter versteht man sehr junge und zum Frischverzehr geeignete Kräuter- und Gemüsepflanzen. Anstatt viele Wochen bis zum fertigen Gemüse zu warten, wird das Mikrogrünzeug schon nach sieben bis 23 Tagen geerntet. Die Auswahl an Sorten ist sehr vielfältig. Anders als Sprossen werden Microgreens nicht mitsamt der Wurzel verzehrt, sondern sie werden an der Substratoberfläche abgeschnitten und die Wurzel bleibt im Boden. In der Küche lassen sie sich äußerst vielseitig einsetzen: Als Topping von Salat, Suppen und Eintöpfen oder zum Verfeinern von Wraps oder schlichtweg einfach als Butterbrotbelag.

Kontakt: Little Leaves Microgreens, Mario Wenigs, Telefon: +49/ 162/ 24 65 416, Email: little.leaves.contact@gmail.com; Website: www.littleleavesmicrogreens.de

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