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Bioland-Wintertagung 2014 - Schwerpunktthema Tierwohl

31.01.2014

Die Vorgaben der EU-Bio-VO und die zum Teil darüber hinaus gehenden Richtlinien der Anbauverbände sind wichtige Voraussetzungen für eine artgerechte Tierhaltung. Garantieren sie aber auch automatisch Tierwohl? Bioland hat das Thema dieses Jahr zum Schwerpunkt erklärt und intensiv auf der Bioland-Wintertagung in Hamm am 27. und 28. Januar diskutiert. Christian Wucherpfennig vom Ökoteam der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen berichtet.

Mit gutem Gewissen Fleisch kaufen

In ihrer Einführung erklärte Stephanie Strotdrees, Bioland-Landwirtin und Bioland-Vizepräsidentin, dass mit der Konzentration auf ein Schwerpunktthema eine Standortbestimmung erfolgen solle, um darauf aufbauend Profil und Image der Bioland-Wertegemeinschaft zu stärken. „Uns ist es wichtig, dass die Verbraucher und Verbraucherinnen mit gutem Gewissen Fleisch kaufen können“, betonte Strotdrees und ergänzte: „Ein Hof muss für sich sprechen. Am glaubhaftesten sind wir, wenn wir die Hoftore öffnen.“ Letztlich falle jeder Skandal im Bereich Fleisch auf die ganze Branche zurück. Dabei bekannte sie sich zu noch offenen Baustellen, wie beispielsweise dem Umgang mit der Ferkelkastration und der Eiweißversorgung von Geflügel und Schweinen. „Dabei müssen wir als Verband auch 'Nein' sagen können“, sagte Strotdrees und machte deutlich, dass dies eine Gratwanderung darstelle zwischen freundlicher Empfehlung und im Zweifel auch konsequenter Ablehnung.

Regelkontrollen um Aspekt ‚Tierwohl‘ ergänzen

Klaus Reuter von der Bioland-Beratung machte deutlich, dass man an dem Thema Tierwohl schon sehr viel länger arbeite als der Rest der Fleischbranche. So gebe es schon seit Jahren einen Leitfaden zur Tiergesundheit, der Empfehlungen zur gezielten Krankheitsvorbeuge und insbesondere naturheilkundlichen Behandlung gebe. „Mit dem Projekt Tierwohl in Öko-Betrieben – einem Gemeinschaftsprojekt aller in Nordrhein-Westfalen aktiven Verbände – wollen wir die Regelkontrollen auf den Bio-Betrieben ergänzen“, berichtete Reuter. „Die formale Einhaltung von Größen- und Längenmaßen garantiert leider nicht, dass sich die Tiere damit auch automatisch wohlfühlen.“

Klaus Reuter hob hervor, dass der Leitfaden Tierwohl im Wesentlichen ein Beratungsinstrument sei und die Kontrolle vorbereiten könne. Bei den bisher durchgeführten Tierwohl-Betriebschecks habe sich die Tierhaltung in den meisten Fällen vorbildlich präsentiert. „In manchen Bereichen gibt es jedoch noch Luft nach oben. In einigen Milchviehherden sind beispielsweise die Zellzahlen zu hoch“, sagte Reuter. Die Überprüfung des Tierwohls ist mittlerweile in die Bioland-Richtlinien aufgenommen worden und die Kontrolleure wurden entsprechend geschult.

Zusätzlicher bürokratischer Aufwand in der Praxis unerwünscht

Viele Praktiker befürchten eine zusätzliche Bürokratisierung und Ausweitung der Bio-Kontrollen. „Die Beratung zum Tierwohl soll die Kontrolle nicht ersetzen“, betonte daher Reuter. Aus der Praxis kam der Hinweis, dass auch eine ökologische Tierhaltung immer nur einen Kompromiss aus wertvoller Lebensmittelerzeugung und artgerechter Tierhaltung darstellen könne. „Sonst müssten unsere Tiere wie Wild gehalten werden“, brachte es so auch Peter Angenendt aus Drensteinfurt auf den Punkt.

Die Tierwohldiskussion in der konventionellen Nutztierhaltung wird seitens des Bioland-Verbandes begrüßt. „Wir haben jedoch den Eindruck, dass sich hier in der Sache noch zu wenig tut und der Schwerpunkt auf der Öffentlichkeitsarbeit liegt“, so Strotdrees. Manche dort verwendete Bilder „mit Schweinchen im Stroh“ erfassten dabei nicht die Realität in den Ställen. Das gelte allerdings gelegentlich auch für die ökologische Tierhaltung, denn die Haltung von Schweinen auf der grünen Wiese sei auch dort die Ausnahme.

Nicht mit Maßband zu erfassen

„Tiersignale – erkennen und deuten“ lautete der Titel des Impulsvortrages von Dr. Christiane Keppler, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Kassel-Witzenhausen. Schon das Tierschutzgesetz verlange vom Betriebsleiter Eigenkontrollen unter Einbeziehung von tierbezogenen Merkmalen durchzuführen. Die Überprüfung von produktionstechnischen Kennwerten wie Futterverbrauch, Milch- und Legeleistung oder Tageszunahmen reichten dabei jedoch nicht aus. „Um Wohlbefinden zu überprüfen, sollten ergänzend der körperliche Zustand, arttypisches Verhalten, Fortbewegung und Körperpflege einbezogen werden“, hielt Keppler fest. Die im Tierwohlleitfaden festgelegten Grenzwerte könnten durchaus eine Hilfe darstellen, wenngleich ihre Festsetzung immer auch eine politisch-ethische Entscheidung sei.

Besonders intensiv hat sich Dr. Keppler wissenschaftlich mit der Legehennenhaltung beschäftigt. Gesundheitsprobleme lassen sich besonders gut am Gefiederzustand beurteilen. „Das viel beobachtete Federpicken ist nicht auf Aggression zurückzuführen“, räumte Keppler hier mit einem weitverbreiteten Vorurteil auf. Hühnerküken machen täglich 10.000 bis 15.000 Pickschläge. Dabei habe sich das Verhalten im Laufe der Evolution nicht geändert. Wenn die Tiere im Futtertrog das Futter schnell zu sich nehmen könnten und gleichzeitig eine reizarme Umgebung vorliegt, kann es schnell zu Federpicken kommen. „Beim Federpicken zeigen die Hühner das komplette Futteraufnahmeverhalten“, erklärte Keppler, so dass es sich eindeutig um eine Fehlleistung des Fressverhaltens handele.

Keppler verwies darauf, dass die Hochleistungshybridrassen heute 330 Eier pro Jahr legen könnten. Auch wenn die Firma Lohmann durchaus auf die Bedürfnisse von Öko-Betrieben eingeht, stellen diese Tiere höchste Anforderungen an Management und Fütterung. Einige Hinweise gab Keppler auch zur Haltung, denn die Stalleinrichtung sei oft fehlerhaft. Der Abstand der Sitzstangen passe oft nicht, weil auch manche Stalleinrichter sich hier nicht ausreichend auskennen würden. „Es sollte daher in jedem Fall unabhängige Beratung in Anspruch zu genommen werden“, empfahl Keppler.

Tierwohl muss honoriert werden

Auch Dr. Jan Brinkmann vom Thünen-Institut für Ökologischen Landbau beschäftigt sich im Rahmen eines Projektes zur ergebnisorientierten Honorierung tiergerechter Haltungsverfahren mit Tierwohl. Die verschiedenen Programme zur Förderung der artgerechten Tierhaltung – in Nordrhein-Westfalen vor allem die Förderung von Stroh- und Weidehaltung – definierten über bestimmte Sollwerte, ob die Ziele der Förderung erreicht werden. „Es fehlt aber die anschließende Erfassung der Ist-Situation“, bemängelte Brinkmann und hält es daher für sinnvoll, die Förderung auch in Bezug auf das Ergebnis zu bemessen. Die Bewertung könne dabei mittels einfach zugänglicher Datenquellen erfolgen. Bei Milchkühen seien hier beispielsweise die Milchleistungsprüfung, Behandlungsaufzeichnungen und die Konditionsbeurteilung (BCS) geeignet.

Leitbild entworfen

Die sehr offen geführte Diskussion bei der Bioland-Wintertagung zeigt, dass für Bio-Bauern „das Gute der Feind des Besseren“ ist. Das Niveau der Tierhaltung in Öko-Betrieben ist hoch, aber dennoch entwicklungsfähig. Der ökologische Landbau hat ein Leitbild für eine umweltfreundliche und tiergerechte Landwirtschaft entworfen. Die aktuelle Diskussion um Tierwohl dient dazu, die Haltungsbedingungen in Bio-Betrieben weiter zu optimieren und kann dabei sicherlich auch Impulse für die konventionelle Tierhaltung liefern.

Quelle: Christian Wucherpfennig, Ökoteam Landwirtschaftskammer NRW, Tel.: 02821-996-177, E-Mail: christian.wucherpfennig@lwk.nrw.de

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