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ForschungsReport spezial: Milch macht müde Kälber munter

26.08.2015

Muttermilch ist die Basis für eine erfolgreiche Kälberaufzucht

  • Eine intensive Fütterung mit Mutterkuhmilch (Kolostrum) in den ersten Lebenstagen fördert Wachstum, Entwicklung und Gesundheit der Kälber.
  • Eine nicht rationierte Milchfütterung fördert das Wohlbefinden der Kälber und ermöglicht es ihnen, besser und schneller zu wachsen, ohne dabei die Entwicklung zum Wiederkäuer negativ zu beeinflussen.
  • Die positiven Landzeiteffekte machen eine solche Fütterung trotz höherer Aufzuchtkosten auch ökonomisch überlegenswert.

Eine erfolgreiche Kälberaufzucht ist Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Rinderhaltung zur Erzeugung von Milch und Fleisch. Noch immer sterben in den ersten Lebenswochen weltweit 10 bis 15 Prozent der Kälber. Neuere Untersuchungen in Deutschland weisen Kälberverluste im ersten Lebensmonat von über 12 Prozent aus, was zu beträchtlichen Einbußen in der Wertschöpfungskette Rind führt. Für einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden sorgen neben den Totalverlusten aber auch Krankheiten, insbesondere Durchfall- und Lungenerkrankungen, die die Entwicklung und Leistung der Kälber in den so wichtigen ersten Lebenswochen beeinträchtigen und zu dauerhaften Einbußen führen können. Dies trifft grundsätzlich auch für die Kälberaufzucht im Ökolandbau zu.

Eine erfolgreiche Kälberaufzucht beginnt mit dem richtigen Fütterungsmanagement unmittelbar nach der Geburt. Die rasche Versorgung mit ausreichend Kolostrum, also die Mutterkuhmilch der ersten drei Tage nach der Kalbung, auch Biestmilch genannt, sichert nicht nur den Nährstoff- und Energiebedarf, sondern auch den Aufbau einer passiven Immunität. Kälber werden weitestgehend ohne Immunglobuline geboren und nehmen diese erst über das Kolostrum auf. Daneben fördert Kolostrum mit seinen zahlreichen biologisch aktiven Substanzen die Ausreifung der Kälber, insbesondere die Ausreifung und Funktion des Magen-Darm-Trakts. Gerade die Entwicklung des Verdauungstrakts zu Beginn des Lebens direkt nach der Geburt ist entscheidend für die Nährstoffaufnahme. Wir konnten in unseren Studien einen verbesserten Glucosestatus aufgrund einer erhöhten Glucoseabsorption aus dem Darm nach Kolostrumfütterung nachweisen. Die verbesserte Glucoseaufnahme hielt über die Kolostrumperiode von drei Tagen hinaus an.

Neben der Kolostrumversorgung ist die Milchmenge entscheidend für das Wachstum und die Entwicklung der Kälber. Neuere Studien zeigen, dass in den ersten fünf bis sechs Lebenswochen ein wesentlich höheres Tränkeniveau als praxisüblich das Wachstum und die Entwicklung der Kälber sehr viel besser fördert als eine übliche restriktive Fütterung von Milch oder Milchaustauschern. Bei intensiver Milchtränke stehen den Kälbern Milch oder Milchaustauscher zur freien Verfügung (ad libitum) und wir sprechen von einer täglichen Milchmenge von 20 statt 10 Prozent des Körpergewichts. Vergleicht man die nachgeburtliche Entwicklung von Mutterkuhkälbern mit Aufzuchtkälbern, so erreichen nur Aufzuchtkälber, die Milch ad libitum aufnehmen, ähnliche Körpergewichtszunahmen wie Mutterkuhkälber, denen Milch ebenfalls ganztägig zur Verfügung steht. Diese hohen Milchmengen, die die Aufzuchtkälber dabei aufnehmen, können z. B. mit Hilfe von Tränkeautomaten auf mehrere Portionen über den Tag verteilt werden, was dem natürlichen Saufverhalten der Kälber entgegenkommt.

Beschränkt man aber die Tränkemenge, führt dies zu einer hohen Anzahl nicht erfolgreicher Besuche am Automaten. Die Kälber sind nicht satt, haben aber ihre Milchmenge für den Tag bereits abgerufen. Durch das resultierende permanente Hungergefühl entstehen Verhaltensanomalien wie ein verstärktes Saugen an Gegenständen oder Besaugen anderer Kälber, mit allen sich daraus ergebenden negativen Folgen auf Gesundheit und Entwicklung der Kälber. Können die Kälber die Menge und Frequenz der Milchaufnahme jedoch selbst bestimmen, werden derartige Verhaltensanomalien nicht beobachtet. Allerdings liegt die aufgenommene Menge an Milch mit bis zu 14 Litern deutlich über der gegenwärtig in der Kälberfütterung üblichen und empfohlenen Menge von maximal acht Litern je Tag.

Interessanterweise geht die verstärkte Milchfütterung in den ersten Lebenswochen nicht, wie oft befürchtet wird, mit einer Beeinträchtigung der Vormagenentwicklung und damit der Entwicklung hin zum vollwertigen Wiederkäuer einher. Wir konnten zeigen, dass weder Kraftfutteraufnahme noch Wachstum und Funktion des Pansens durch eine intensive Milchfütterung in den ersten fünf Lebenswochen beeinträchtigt wird. Dagegen scheint die Intensität des Körperwachstums in dieser frühen Entwicklungsphase langfristige Auswirkungen auf die spätere Leistung der Tiere zu haben. So konnte ein positiver Zusammenhang zwischen der Milchleistung der Kühe und deren Wachstumsintensität in der frühen nachgeburtlichen Entwicklungsphase in mehreren internationalen Studien gezeigt werden. Ein hohes Fütterungsniveau bei Kolostrum und Milch ist aber die Grundvoraussetzung, um diese hohe Wachstumsintensität im ersten Lebensabschnitt nach der Geburt zu erreichen.

Da eine Kolostrum und Milchfütterung auf hohem Niveau die Gesundheit und das Wohlbefinden der Kälber verbessert, sollten die entsprechenden Fütterungspläne korrigiert werden, damit im Sinne einer nachhaltigen und artgerechten Kälberaufzucht die Verluste in der Kälberhaltung weiter gesenkt werden können. Eine verbesserte Entwicklung, gesündere Kälber und die positiven Langzeiteffekte auf die Leistung der Tiere rechtfertigen sicher die etwas höheren Aufzuchtkosten bei intensiver Milchfütterung. Das gilt insbesondere im Ökolandbau, in der die Jungviehaufzucht die Grundlage für die gesunde und lang anhaltende Milchproduktion darstellt.

Quelle:Forschungsreport spezial Ökologischer Landbau 2014 (3), Harald Hammon und Christine Schäff, Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN), E-Mail: hammon@fbn-dummerstorf.de

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