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Kurzrasenweide ganztags, halbtags oder bei begrenzter Weidefläche mit Kühen nutzen?

02.04.2019

Anne Verhoeven, Sebastian Hoppe, Martin Pries (Landwirtschaftskammer Nordrhein Westfalen)

Fachbeitrag - 15. Wissenschaftstagung Ökologischer Landbau

Einleitung

Die Weidehaltung von Milchkühen besitzt eine sehr hohe gesellschaftliche Akzeptanz bei allen Bevölkerungsgruppen, da mit dem Weidegang eine tiergerechte Haltung verbunden wird. Des Weiteren wird die Energie aus Weidefutter deutlich preiswerter zur Verfügung gestellt als Futterenergie aus Konserven in Form von Heu und Silage. In vielen Betrieben steht eine am Stall begrenzte Weidefläche den Milchkühen zur Verfügung. Der Umfang erstreckt sich von der stundenweise Siestaweide über die Halbtagsweide bis zur Vollweide, wobei die meisten Betriebe eine Halbtagsweide realisieren. Ziel während der Versuche war es, durch ein optimiertes Weidemanagement mit abgestimmter Fütterung im Stall Tier- und Flächenleistung zu optimieren.

Material und Methoden

Mit der ökologisch geführten Milchkuhherde des Versuchs- und Bildungszentrum Haus Riswick wurden von 2009 bis 2017 Demonstrationsversuche im Kurzrasensystem durchgeführt. Die Herde besteht aus 40 Milchkühen der Rasse Deutsche Holsteins. Folgende Varianten wurden im Zeitablauf geprüft:

2009-2011: Ganztagsweide, 25 ha Weidefläche mit Weide- und Schnittanteilen
2012-2014: Halbtagsweide, 13 ha Weidefläche mit Weide- und Schnittanteilen
2015-2017: Variierende Weidedauerzeiten, 8 ha Weidefläche mit maximalem Weideanteil, kein Schnittanteil

Den Tieren wurde in der Vegetationsperiode der Jahre 2009-2011 ganztägig (ca. 20 h/Tag) Weidegang gewährt. Lediglich zum Melken wurden die Tiere morgens und abends für jeweils etwa zwei Stunden in den Stall geholt, wo entweder 3 kg TM Maissilage oder 4 kg MLF gefüttert wurden.

In den Jahren 2012 bis 2014 wurde Halbtagsweide mit etwa acht Stunden Beweidungsdauer gewährt. Im Stall wurde eine Mischration bestehend aus Kleegrassilage, 2 kg Getreidemischung sowie Mineralergänzung verabreicht.

In den Versuchsjahren 2015-17 wurde das System der Kurzrasenweide bei begrenztem Weideflächenangebot geprüft. Die Wuchshöhe wurde über die Weidezeit und die Zufuttermenge im Stall gesteuert. Zweimal wöchentlich wurden mittels Herbometer die Wuchshöhen erfasst. Über insgesamt 16 Weidekörben erfolgte die jährliche Ertragsermittlung. Die Menge der Mischration wurde als Herdenmittel täglich erfasst; ebenso der tierindividuelle Kraftfutterabruf.

In allen Versuchsjahren erfolgten 14-tägige Milchleistungsprüfungen gemäß der MLP-Routine sowie monatliche Lebendmasseerfassungen, RFD-Messungen und BCS-Bonituren zur Beschreibung der Körperkondition. Die aus der Weide erzeugte Milchmenge wurde auf zwei verschiedene Arten gemäß folgenden Gleichungen ermittelt.

ECMWeide (kg) = ECMgesamt (kg) – (Energieaufnahme aus Stallfutter (MJ NEL) / 3,28 (MJ NEL/kg ECM)) (Differenzmethode).

ECMWeide (kg) = ECMgesamt (kg) x Anteil Weideenergie am Energiebedarf (%) (Anteilsmethode)

Die Ergebnisse werden auf Basis deskriptiver Statistiken dargestellt, da es sich wegen fehlender tierindividueller Daten zur Futteraufnahme um keine Exaktversuche handelt.

Ergebnisse

Die unter den Weidekörben geernteten Aufwuchsmengen betragen 122 dt TM/ha bei Ganztags-, 112 dt TM/ha bei Halbtagsbeweidung und 115 dt TM/ha jeweils im Durchschnitt von drei Jahren. Bei Ganztagsbeweidung werden im Mittel der drei Untersuchungsjahre 2,6 Kühe je ha gehalten, bei Halbtagsbeweidung beträgt die mittlere Besatzstärke 4,0 Kühe pro ha und bei begrenztem Weideflächenangebot wird eine Weidebesatzstärke von 5,4 Kühen je ha realisiert. Im Vergleich zur Ganztagsweide ergeben sich für die Halbtagsweide sowie bei wechselnder Weidedauer im dreijährigen Durchschnitt um etwa 1 cm höhere Wuchshöhen.

Die Tabelle 1 informiert über die mittleren Milchmengen und Milchinhaltsstoffe in Abhängigkeit der Weidedauer. Bei vergleichbarem Laktationsstand erzielen die Kühe unter Halbtagsbeweidung und bei variierenden Weidezeiten eine gut 3 kg höhere Milchmenge im Vergleich zur Ganztagsweide. Die Unterschiede im Fett- und Eiweißgehalt in der Milch sind als gering zu betrachten. Das mittlere Zellzahlniveau ist typisch für eine eutergesunde Milchkuhherde. Sowohl bei Halbtags- als auch bei Ganztagsbeweidung ergeben sich mit 318 und 287 ppm hohe Milchharnstoffgehalte, was auf eine hohe bis sehr hohe Stickstoffversorgung schließen lässt. In allen Weidejahren nimmt die tierindividuelle Milchleistung im Verlauf der Weideperiode ab. Dieser Milchabfall ist besonders ausgeprägt unter Ganztagsbeweidung (s. Abbildung 1).

Die Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse der monatlichen Wiegung der Kühe bei Ganztags- und Halbtagsbeweidung sowie bei variierender Weidedauer. In den Weidemonaten wird ein Rückgang der Lebendmasse festgestellt, der besonders stark bei Ganztagsbeweidung ausgeprägt ist. Gegenüber der Stallperiode ist bei dieser Beweidung eine Gewichtsabnahme um etwa 60 kg je Kuh zu beobachten.


Tab. 1: Milchmenge und Milchinhaltsstoffe im System der Kurzrasenweide unter Ganztags- (2009-2011) und Halbtagsbeweidung (2012-2014) sowie bei variierender Weidedauer im Weideflächen knappen Betrieb (2015-2017)
JahreLakt.-Nr.LTMilch,
kg
Fett,
%
Protein,
%
Zellen,
tsd
Harnstoff,
ppm
ECM,
kg
2009-20112,8717523,44,043,2614731823,1
2012-20143,2218226,64,113,2316728726,5
2015-20173,1017927,04,083,1813620926,7
Lakt-Nr. = Laktationsnummer; LT = Laktationstag


Bei ganztägigem Weidegang wird 73 % der für die Erhaltung und Milchbildung erforderlichen Energie aus dem Weidegras aufgenommen. Bei Halbtagsbeweidung und variierenden Weidezeiten ist die Zeit zur Futteraufnahme auf der Weide begrenzt. Die Weide hat unter diesen Bedingungen einen Anteil an der Energiebedarfsdeckung von 38-50 %.

Die Tabelle 2 informiert über die nach zwei unterschiedlichen Methoden kalkulierte Milchleistung je ha Weidefläche. Grundsätzlich liefert die Methode, die die Weideleistung über den Anteil der Energiebedarfsdeckung berechnet, eine deutlich höhere Milchmenge je ha Weide im Vergleich zur bisher üblichen Methode über Differenzrechnung. Besonders große Unterschiede in der kalkulierten Weideleistung zwischen den beiden Methoden zeigen sich bei Halbtagsbeweidung und variierender Weidedauer, da hier bei der Differenzmethode der Erhaltungsbedarf zu 100 % aus der Weidefutteraufnahme zu erbringen ist. Unter den niederrheinischen Standortbedingungen kann eine Weideleistung von 8.000 bis 12.000 kg ECM je ha unabhängig von der Weidedauer erzielt werden. Die Flächenleistung variiert zwischen 10.000 und 12.000 kg ECM/ha.


Tab. 2: Weide- und Flächenleistung nach verschiedenen Methoden (kg ECM/ha/Jahr)
Weideleistung (kg ECM/ha)
nach Methode
Flächenleistung (kg ECM/ha Weide)
nach Methode
JahrDifferenzAnteilDifferenzAnteil
2009-20117.7549.33710.42712.011
2012-20141.9218.4384.29410.810
2015-20173.37512.1073.37512.107
Durchschnitt4.3509.9616.03211.643

Diskussion und Schlussfolgerung

Die Ergebnisse zeigen, dass die tierindividuellen Milchleistungen bei Ganztagsbeweidung deutlich niedriger als bei Halbtagsbeweidung und variierender Weidedauer mit Stallfütterung sind. Dies steht in Übereinstimmung mit den Ergebnissen aus der betriebswirtschaftlichen Auswertung von etwa 900 Milchkuhbetrieben in NRW (Milchviehreport NRW 2014). Auch andere Autoren wie Kolver und Muller (1998) und Thomet et al. (2011) weisen darauf hin, dass die individuelle Milchleistung der Kuh bei Weidesystemen kein Optimierungskriterium sein kann. Das Weide- und Futtermanagement hat darauf abzuzielen, eine möglichst hohe Milchmenge je ha Weidefläche zu erzeugen.

Steuerungsgrößen hierbei sind die Besatzstärke, die Wuchshöhe des Grases, die Weidedauer sowie die im Stall verabreichte Futtermenge. Wird an einer dieser Größen gestellt, hat dies Einfluss auf alle anderen Größen, da Abhängigkeiten bestehen. Die Maßnahmen sind hierbei auf eine optimale Wuchshöhe sowie an eine maximale Futteraufnahme auszurichten.


Literatur

Kolver E. S. & Muller L. D. (1998) Performance and Nutrient Intake of High Producing Holstein Cows Consuming Pasture or a Total Mixed Ratio. Journal of Dairy Science, 1403-1411

Leisen E., Spiekers H., Diepolder M. (2013) Notwendige Änderungen der Methode zur Berechnung der Flächenleistung von Grünland- und Ackerfutterflächen mit Schnitt- oder Weidenutzung, 57. Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für Grünland und Futterbau der Gesellschaft für Pflanzenbauwissenschaften e.V., Schriftreihen, 181-184

Milchviehreport NRW (2014) Betriebszweigauswertung 2012/2013, Hrsg. LK NRW vertraulich

Thomet P. et al (2011) Merits of full grazing systems as asustainable and efficient milk production strategy. In: E.M. Pötsch, B. Krautzer & A. Hopkins, eds. Grassland Farming and Land Management Systems in Mountainous Regions. Proceedings of the 16th Symposium of the European Grassland Ferderation, Gumpenstein, Austria, s.n., pp 273-285


Beitrag als PDF (425 KB)

Verhoeven, Anne, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, VBZL Haus Riswick, Elsenpaß 5, 47533 Kleve, Deutschland, anne.verhoeven@lwk.nrw.de

Hoppe, Sebastian, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, VBZL Haus Riswick, Elsenpaß 5, 47533 Kleve

Pries, Martin, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, FB 71, Ostinghausen-Haus Düsse, 59505 Bad Sassendorf, Deutschland

Weitere Informationen

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