In vielen Regionen ist die Herbstweide eine verbreitete Nutzung des Grünlandaufwuchses der letzten Vegetationswochen. Der Weidegang ist arbeitswirtschaftlich interessant und kostengünstig. Damit die Weiden auch im darauffolgenden Jahr gut starten und Erträge und Qualitäten liefern, sind einige Regeln zu beachten.
Im Herbst wächst die Weide erfahrungsgemäß verhaltener. Die Qualität des Weidefutters lässt nach. Ideal für den Weidegang ist natürlich trockenes Wetter. Die Herde pflegt dann eine dichte Narbe und verursacht keinen Schaden. Da die Bodenfeuchte gegen Vegetationsende häufig zunimmt, verliert die Weidenarbe ihre sommerliche Trittfestigkeit und wird empfindlicher gegen Verdichtungen. Dann ist es Zeit, die Beweidung den Umständen anzupassen und den Weidetieren entweder mehr Weidefläche anzubieten oder die Weidezeit zu reduzieren. Zugleich muss eine angepasste Übergangsfütterung im Stall erfolgen.
Grundsätzlich ist es vorteilhaft, die Weide möglichst lange zu nutzen. Denn die intensive Herbstbeweidung sorgt dafür, dass im Folgejahr die Vorweide oder Frühjahrsweide mit einer robusten Weidenarbe beginnen kann. Durchgehend intensiv beweidete Weideflächen sind auch im Herbst besonders leistungsstark. Der herbstliche Weidegang sorgt außerdem für Bewegung und Gesundheit der Tiere.
Durch Taubildung und feuchtere Witterung im Herbst sind die Böden häufig deutlich feuchter, verformbarer und empfindlicher. Damit unter diesen Bedingungen keine nachhaltigen Schäden an der Weidenarbe entstehen, darf der Weidedruck zu diesem Zeitpunkt nicht zu groß werden. Idealerweise arbeitet man unter Kurzrasenweidebedingungen mit abnehmenden Besatzstärken je Hektar während der Vegetations- oder Weideperiode – im Frühjahr: vier bis fünf Kühe/ha, im Herbst: eine bis zwei Kühe/ha. Die weit verbreitete Umtriebs- oder auch Portionsweide ist im Vergleich zur Kurzrasenweide gerade im Herbst eher nicht zu empfehlen. Bei der Umtriebsweidenutzung ist darauf zu achten, dass die Weidenarbe nicht zu kurz in den Winter geht, weil die Grünlandpflanzen dann nicht über ausreichende Reserven verfügen. Vor allem Horstgräser leiden, wenn sie tief genutzt werden, da sie oberirdisch Reservestoffe einlagern. Intensive Kurzrasenweiden sind jedoch ähnlich wie stets kurz gemähte Sportrasenflächen wenig auswinterungsgefährdet und verfügen über ausreichende Reserven, um den Winter und zeitigen Frühjahrsaustrieb im Folgejahr zu überstehen.
Die Schossneigung der Gräser lässt in der zweiten Vegetationshälfte deutlich nach. Pflanzenbestand und Boden sind durch die nächtliche Taubildung feucht. Dadurch ist der Boden bei Belastung verformbar und anfälliger gegenüber Verdichtungen. Schnittwiesen haben zudem eine weit weniger dichte Grasnarbe als intensiv genutzte Dauerweiden. Wiesenrispe und Weißklee haben auf intensiven Standweiden und Kurzrasenweiden große Bedeutung, da sie mit den Ausläufertrieben einen sehr dichten Bestand etablieren. Diese stabile Narbe fehlt auf den im Herbst beweideten Schnittflächen und bietet so Problemzonen. Hier ist Vorsicht vor zu großem Weidedruck geboten! Gräser mit horstförmigem Wuchs, wie Knaulgras und Wiesenschwingel, speichern die Reservestoffe vorwiegend in der Halmbasis. Somit liegt die optimale Schnitthöhe bei 5 bis 7 cm, da so der Wiederaustrieb der Pflanze leichter möglich ist.
Verbeißen die Tiere auf der Herbstweide die Horstgräser zu tief, gehen die Pflanzen geschwächt in den Winter und haben kaum Reservestoffe zur Verfügung mit der Folge des verzögerten Austreibens im Frühling. Lücken im Weide- und Wiesenbestand, die durch abgestorbene oder geschwächte Futtergräser sowie Narbenschäden entstanden sind, bieten im Folgejahr Platz für die Entwicklung unerwünschter Pflanzen, zum Beispiel Ampfer und Gemeine Rispe.
Der Herbstschnitt ist in der Regel keine gute Alternative, da häufig Feldtrocknungszeiten, optimale Silierbedingungen und entsprechende Futterqualitäten fehlen. Die Herbstweidenutzung bietet zudem den Vorteil der ausreichend kurzen Bestandeshöhe im Winter, die bei etwa 5 cm Wuchshöhe liegt. Ein sehr guter, dichter Bestand verträgt aber auch eine etwas kürzere oder längere Wuchshöhe. Erhöhte Weidereste begünstigen Auswinterungsschäden und sind somit nicht anzustreben. Hier hilft im Herbst die Nachweide mit tragenden Rindern, Trockenstehern oder Schafen, die am Niederrhein oft bis November/Dezember noch gute Weidebedingungen finden.
Bei flächenknappen Betrieben besteht generell die Gefahr der Überweidung. Der Weideaufwuchs ist dann nicht mehr schmackhaft und wird von den Weidetieren gemieden. In solchen Situationen hilft nur die Schnittnutzung.
Der trockene Herbst eignet sich auch, um Unkräuter mechanisch zu bekämpfen, Geilstellen abzumähen und Kotfladen zu verteilen. So nimmt der nicht genutzte Weiderest ab und die Futterfläche wird wieder größer. Zudem geben kurze Bestände den Mäusen über Winter weniger Schutz und es ist einfacher Mäuseschäden zu erkennen.
Die Weidetiere bringen besonders im Herbst relativ viel Stickstoff über Kot und Harn auf die Flächen, weil im Stall mehr dazu gefüttert wird. Daher wird keine zusätzliche Güllegabe im Herbst erforderlich, andernfalls steigt die Nitratbelastung übermäßig.
Auch wenn mit hohen Herbstweidefutteraufnahmen keine Höchstmilchleistungen zu erzielen sind, zeigen zahlreiche Weideversuche, dass durchschnittliche Tagesmilchleistungen von 25 kg ECM je Tier möglich sind, sofern ein geeignetes Kraftfutter eingesetzt wird. Damit nicht zu viel Weidegras verdrängt wird und die Weideleistung sinkt, sollten die täglichen tierindividuellen Kraftfuttergaben auf 5 bis 6 kg begrenzt werden. Mischration und Kraftfutter sollten möglichst aus energiereichen, pansenstabilen Futterkomponenten bestehen.
Im Pansen entsteht aus dem Rohprotein von der Herbstweide zügig Ammoniak, das den Leberstoffwechsel belastet und zu hohen Harnstoffwerten in der Milch führt. Daher ist dann Milchleistungsfutter mit einer geringen oder negativen ruminalen Stickstoffbilanz (RNB) sowie einem hohen Gehalt an nutzbarem Protein im Darm (nXP) nötig. Als heimische Leguminosen eignen sich hier besonders Lupinen oder hydrothermisch aufgewertete Lupinen, Erbsen und Ackerbohnen.
Natürlich sollten die Kühe auch im Herbst nicht vollkommen satt auf die Weide gehen, da dann die Gefahr besteht, dass die Weide nur als Auslauf und Ruheraum genutzt wird, Exkremente dort verbleiben, der Weideaufwuchs verschmutzt und die Narbe maximal belastet wird.
Da das herbstliche, eiweißreiche Weidefutter eine relativ geringe Strukturwirksamkeit aufweist, sollte man ein erhöhtes Blährisiko einkalkulieren. Zum einen wird von Frösten (Reif) geschädigtes Futter von den Tieren nicht gerne aufgenommen, zum anderen können durch hastige Futteraufnahme Verdauungsstörungen und Blähungen entstehen.
Im Gegensatz zum Sommer sollten die Tiere deshalb im Herbst nicht absolut hungrig auf die Weide gehen. Erfahrungsgemäß steigen die Milchharnstoffwerte bei einer Herbstweide betonten Ration erheblich an. Mit einer bedarfsgerechten energiereichen Ergänzung und einem Strukturangebot im Stall lässt sich der junge Herbstaufwuchs ernährungsphysiologisch und ökonomisch sinnvoll verwerten. Ebenso erfolgt auf diese Weise die Futterumstellung auf die Winterration kontinuierlich, denn wie im Frühjahr gilt es, eine extreme Futterumstellung zu vermeiden.
Färsen, Frischmelker und Hochleistungstiere benötigen mehr Aufmerksamkeit. Mit Tagesmilchleistungen über 30 kg ECM haben sie ohnehin ein Energiedefizit. Das Angebot, das auf der Herbstweide wächst, deckt ihren Energie- und Nährstoffbedarf nicht. Empfehlung ist hier die Einteilung in zwei Leistungsgruppen: Die Hochleistungsgruppe erhält nur einige Stunden am Tag Weidegang (Siesta-Weide) mit einer entsprechend aufgewerteten Mischration im Stall, während die Niedrigleistungsgruppe den Weidegang noch voll ausschöpfen kann, ggf. mit einer notwendigen Strukturergänzung im Stall.
Die Futterqualität von ganzjährig intensiv genutzten Weiden mit dichten Narben ist generell auch im Herbst gut. Es handelt sich bei jungem Herbstgras um gut verdauliches und eiweißreiches, jedoch strukturarmes Futter. Es ist deutlich weniger energiereich als der Aufwuchs der Frühjahrsweide. Wenn der Herbst fortschreitet und die Zuwächse nachlassen, benötigen die Tiere eine angepasste, kontinuierlich in der Menge und Qualität ansteigende Mischration im Stall.
Anne Verhoeven, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen