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Grünland an Klimawandel anpassen

16.03.2021

Aufgrund der zum Teil drastischen Ertragsrückgänge von 30 % und mehr im Grünland und Ackerfutterbau mussten die Betriebe erhebliche Mengen an Grund- und Kraftfuttermittel dazukaufen und/oder den Viehbestand abstocken. Dies hat erhebliche Kosten verursacht. Hinzu kamen häufig noch unmittelbare Dürreschäden auf dem Grünland, die einen hohen Nachsaatbedarf zur Folge hatten.

Die Jahresdurchschnittstemperaturen sind im linearen Trend der vergangenen 140 Jahre in Deutschland um etwa 1,5°C gestiegen. Das ist über alle Monate festzustellen und hat in den vergangenen 60 Jahren die Vegetationsperiode durchschnittlich um zehn bis 14 Tage verlängert. Mit steigenden Temperaturen haben sich die Niederschlagsmengen erhöht, nach dem DWD in NRW im langfristigen Trend um 82,5 mm. Dennoch ist bereits seit zehn bis zwölf Jahren in NRW das Frühjahr, insbesondere der April, deutlich niederschlagsärmer geworden. Über den gesamten Vegetationszeitraum von April bis September gibt es eine leichte Abnahme der Niederschläge, die vor allem durch sinkende Frühjahrs- und Frühsommer­niederschläge begründet ist.

Längere Vegetationszeiten

Bei ausreichender Wasserversorgung haben längere Vegetationszeiten, höhere Temperaturen und die Zunahme des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre zu einer Steigerung der Nettoprimärproduktion bei Pflanzen geführt. Insofern haben die klimatischen Veränderungen auch zu einer Ertragssteigerung in der Grünlandwirtschaft beigetragen. Zehn Tage längere Vegetationsdauer pro Jahr können im Grünland ein Ertragspotenzial von 4 bis 6 dt/ha TM bedeuten. Auch wenn faktisch das Datum des vollen Ähren-/ Rispenschiebens bei den Gräsern alle zehn Jahre zwei bis drei Tage früher beobachtet wird, kommt es häufiger zu Schwankungen mit sehr frühzeitigen und sehr späten Frühlingen.

Lange Vegetationszeiten bis in den Spätherbst oder Frühwinter hinein bedeutet vor allem für das Deutsche Weidelgras, das auch noch bei 5°C langsam weiterwächst, ein erhöhtes Auswinterungsrisiko, insbesondere dann, wenn Grünlandbestände mit Aufwuchshöhen von deutlich über 10 cm in den Winter gehen. Ein stärkerer Kälteeinbruch mit Kahlfrösten von -10°C und darunter kann dann zu empfindlichen Frostschäden führen. Daher sollten Grünlandnarben mit hohen Anteilen an Deutschem Weidelgras stets kurz in den Winter gehen. Das Ausbringen von Gülle im Herbst nach der letzten Nutzung kann vor allem bei darauffolgendem mildem Witterungsverlauf und langen Vegetationszeiten kontraproduktiv sein. Arten wie Knaulgras, Wiesenrispe, Wiesenlieschgras oder Rohrschwingel legen dagegen eine ausgeprägte Vegetationsruhe ein, wodurch sie ausgesprochen winterhart sind.

Vom Deutschen Weidelgras sollten nur Sorten mit einer ausgeprägten Winterhärte für Nach- und Neuansaaten genutzt werden. Dies gilt besonders für Mittelgebirgslagen. Denn kalte Winter wird es auch künftig weiterhin geben, wie der Februar 2021 wieder einmal gezeigt hat.

Problem Trockenheit

Zwar ist Grünland überwiegend in Mittelgebirgslagen und der Norddeutschen Tiefebene anzutreffen, Regionen also, wo in der Regel ausreichend hohe Niederschläge fallen. Bleiben die Niederschläge über längere Zeit in der Vegetationsperiode aber weitgehend aus, können starke Ertrags- und Qualitätsdepressionen die Folge sein. Es gibt aber auch auf kleinräumiger Ebene unterschiedliche Auswirkungen von trockenen Phasen auf dem Grünland. Diese sind in starkem Maße von der Flächenexposition, der Bodenbonität, der Bodenart und der Tiefgründigkeit des Bodens sowie vom Grundwasseranschluss und der Artenzusammensetzung des Pflanzenbestandes abhängig. Es ist also grundsätzlich sinnvoll, künftig im Sinne der Prävention gerade im Grünland Pflanzenbestände zu entwickeln, die eine möglichst große ökologische und klimavariable Streubreite aufweisen.

Welche Arten?

Die Erfahrungen der vergangenen Dürrejahre haben eindrucksvoll vor Augen geführt, welch erstaunlich hohes Regenerationsvermögen das bedeutsamste Futtergras, das Deutsche Weidelgras, auch nach völliger Verbräunung besitzt. Auch wenn es unter sehr trockenen Bedingungen relativ schnell gestresst ist, so wird es vor allem in bislang niederschlagsreichen Gebieten das wichtigste Futtergras bleiben. Auf zu Frühjahrs- und Frühsommertrockenheit neigenden Standorten sollten aber vor allem Knaulgras und Rohrschwingel, Wiesenrispe und Wiesenschwingel sowie Wiesenschweidel die Hauptbestandsbildner im Dauergrünland und im mehrjährigen Ackerfutterbau sein. Diese Arten zeigen wegen ihres Wurzeltiefgangs eine größere Toleranz gegenüber Trockenheit als Deutsches Weidelgras und Wiesenlieschgras. Zudem zeigen diese Arten, außer Wiesenschweidel, eine ausgeprägte Winterhärte. Sie reichen aber in Punkto Futterqualität sicher nicht an das Deutsche Weidelgras heran, da sie schnell hohe Rohfasergehalte bilden, was frühe Schnittermine erfordert.

Für die Weidenutzung sind vor allem Knaulgras und Rohrschwingel nur bedingt geeignet, da sie dort eher ungern gefressen werden und die Weideleistung der Tiere leidet. Auf Trockenstandorten unter Schnittnutzung geht es aber primär um Ertragssicherheit und Ertragsstabilität. Auch der Rotklee als wichtige proteinhaltige Futterleguminose eignet sich aufgrund seiner tiefgehenden Pfahlwurzel gerade auch für Trockenstandorte. Er lässt sich über Durchsaaten, beispielsweise im August, in Grünlandnarben integrieren. Das Einbringen der tiefwurzelnden Luzerne ist dagegen etwas schwierig und sollte auch nur auf Standorten erfolgen, die ihr zusagen, wie gut durchlüftete Kalkstandorte, tiefgründige Lehmböden, ohne Grundwassereinfluss. Nach dem Förderrecht dürfen Arten wie Rotklee oder Luzerne zwar im Dauergrünland etabliert werden, sie dürfen im Bestand jedoch nicht dominieren.

Vielfalt gegen Trockenheit

Grünland- und Ackerfutterbestände können von einer gesteigerten Vielfalt vor allem durch die Verwendung von Leguminosen profitieren. Bei erhöhten CO2-Gehalten und Temperaturen zeigen Leguminosen eine erhöhte biologische N-Fixierung. Dadurch haben sie vor allem auch unter trockenen Bedingungen gegenüber Gräsern eine höhere Wettbewerbskraft. Zudem tragen Leguminosen in Futterbeständen zu einer Verbesserung der Nutzungselastizität sowie zu einer Erhöhung des Proteingehaltes und der Futteraufnahme bei.

Auch die Erweiterung von Saatgutmischungen um futterbaulich attraktive Kräuterarten, wie die tiefwurzelnde Zichorie (Wegwarte) oder der Spitzwegerich, macht Pflanzenbestände ertragreicher und widerstandfähiger gegen Witterungseinflüsse. Aufgrund ihres unterschiedlichen Wachstumsverhaltens und der unterschiedlichen Blatt- und Wurzelanatomie und Wurzeltiefgangs können sich die Mischungspartner ergänzen. Eine Grünlandnarbe, die aus mehreren funktionellen Gruppen - Gräser plus Leguminosen plus Kräuter - besteht, ist einerseits in der Lage die Wachtumsfaktoren effizienter zu nutzen. Artenvielfalt sorgt aber nicht per se für positive Ertragseffekte, sondern nur eine gezielte Auswahl von Arten mit erwünschten Merkmalen.

Bewässerung als Option?

Die Bewässerung von landwirtschaftlichen Kulturpflanzen beschränkte sich bisher auf Kulturen mit einer hohen Wertschöpfung. Sie spielt im Grünland und Ackerfutterbau in Deutschland kaum eine Rolle. Dennoch setzen sich Futterbaubetriebe vor allem in den Niederungslagen zunehmend mit dem Beregnen auseinander. Gegen eine Bewässerung von Grünland sprechen aber folgende Gründe:

  • Hohe Investitionskosten stellen Wirtschaftlichkeit in Frage
  • Extrem hoher logistischer Aufwand in Grünlandbetrieben
  • Sehr eingeschränkte Vergabe von Grundwasserkontingenten (vor allem in Karstgebieten in NRW)
  • Keine Genehmigung für Grünland und Ackerfutter von Seiten der Unteren Wasserbehörden
  • Möglicherweise geringe Akzeptanz in der Bevölkerung.

Grünland wird daher bestenfalls nur dort bewässert werden können, wo Betriebe wegen anderer Kulturen bereits mit Bewässerungstechnik ausgestattet sind.

Futterreserven anlegen?

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie wichtig Futterreserven sind. Eine Reserve in der Größenordnung von 20 bis 25 % des Jahresbedarfs wäre wünschenswert. Mehr Futterreserven bedeuten aber gleichzeitig höhere Kosten für Lagerkapazitäten und mehr Anbaufläche. Vor allem am Niederrhein und im Münsterland ist aber die Flächenanpassung an den Viehbestand knapp „auf Kante genäht“.

Lassen sich zusätzliche Futterreserven in der Größenordnung im eigenen Betrieb nicht ohne Weiteres realisieren, ist eine Alternative eine Zusammenarbeit mit Ackerbaubetrieben, die Silomais, Ackergras, Kleegras im Haupt-, Zweit- oder Zwischenfruchtfutterbau anbauen könnten. Insbesondere in Ackerbaubetrieben mit getreidebetonten Fruchtfolgen bringt der Anbau von Ackergras und Kleegras pflanzenbauliche Vorteile, wie die Reduzierung von Ackerfuchsschwanz, vermehrten Humusaufbau und einen positiven Vorfruchteffekt.

Hubert Kivelitz,

Landwirtschaftskammer NRW

 

Kurz- und mittelfristige Maßnahmen

 

Durch eine konsequente Umsetzung zielgerichteter kurz- und mittelfristige Maßnahmen kann schon viel erreicht werden, Wetterextreme, insbesondere Dürrephasen, besser abzupuffern und die Widerstandskraft der Nutzungssysteme zu verbessern.

  • Gezielte und regelmäßige Nachsaaten zur Entwicklung dichter, leistungsfähiger Grünlandbestände. Dies schützt vor unproduktiver Verdunstung und verringert auch die Attraktivität für die Eiablage von Mai- und Junikäfern.
  • Nutzung regionalspezifisch empfohlener Sorten, die besonders ausdauernd und robust sind.
  • An Standorten mit häufiger Frühjahrstrockenheit mehr mit frühen Sorten des Deutschen Weidelgrases nachsäen, da diese die Winterfeuchtigkeit besser nutzen.
  • Regelmäßige Beweidung von Grünland fördert die Entwicklung einer dichten, tragfähigen und ausdauernden Narbe.
  • Durchsaaten trockenheitsverträglicher Futterpflanzen im Rahmen von Sanierungs-Nachsaaten, wie Rotklee, Rohrschwingel, Knaulgras Spitzwegerich. Zichorie besser für Umtriebsweidesysteme.
  • Nachsaaten im Sommer/Herbst nicht bei starker Trockenheit durchführen, sondern immer erst nennenswerte Niederschläge und Bodendurchfeuchtung abwarten.
  • Optimale Grundnährstoffversorgung des Bodens anstreben, Kalium regelt den Wasserhaushalt in der Pflanze und fördert die Trockenheits- und Kälteresistenz.
  • pH-Werte optimieren, um Nährstoffverfügbarkeit sowie Bodenstruktur maßgeblich zu verbessern.
  • Güllemanagement optimieren, deshalb möglichst keine Gülle bei trockener und warmer Witterung ausbringen, Verbesserung der Fließfähigkeit der Gülle zum Beispiel durch Separierung, Vergärung oder Verdünnung mit Wasser. Gülleinjektion reduziert Ammoniakverluste erheblich.
  • Düngung bei Trockenheit den reduzierten Ertragsleistungen im Grünland anpassen. Wird der Boden nach längeren warmen Trockenphasen durchfeuchtet, ist mit einem erheblichen N-Mineralisationsschub zu rechnen.
  • Bodenverdichtungen vermeiden.
  • Mechanische Narbenverletzungen und offene Bodenstellen vermeiden.
  • Regelmäßige Kontrolle des Grünlandes auf Mäuse und dessen frühzeitige gemarkungsübergreifende Bekämpfung. Fraßfeinde von Mäusen fördern.
  • Nutzung der Flächenproduktivität durch optimierte und an die Witterung angepasste Weidesysteme. Vor allem Kurzrasenweide kommt bei intensiven Trockenphasen schneller an Grenzen. Tiere dann nicht zu lange auf der Weide lassen oder mehr Fläche/neue Flächen zuteilen, da Gräser sonst zu tief verbissen werden. Rechtzeitig auf Futterreserven zurückgreifen.
  • Aufbau von Futterreserven durch Koppelweidesysteme und Beweidung höherer Weideaufwüchse, wenn Kurzrasenweide bei Trockenheit an Grenzen kommt.
  • Bei geringen Aufwüchsen im Herbst (10 dt/ha TM) ist ein letzter Schnitt meist unwirtschaftlich. Wo eben möglich, Herbstaufwüchse mit Kühen oder Rindern abfressen lassen. Das schont die Futterreserven und trägt zu einer dichten Grasnarbe bei. Weidezeit bei mildem Spätherbst so lange wie möglich ausreizen.
  • Weidelgräser, die bei Trockenstress sehr viel Blütenstände aber kaum Blattmasse gebildet haben, erst kurz vor Niederschlägen abmulchen oder schröpfen.
  • Fruchtfolgesysteme im Ackerfutterbau optimieren
  • Futterverluste auf dem Feld, im Silo, im Trog und beim Tier vermeiden. Sie können bis zu 30 % betragen.
  • Erträge flächen- und feldblockspezifische erfassen, das erleichtert die Futterplanung und ermöglicht eine standortangepasste Nutzungsintensität.
  • Auf tendenziell zur Trockenheit neigenden Flächen stärker artenreichere Mischungen mit hohen Anteilen trockenheitsverträglicher Arten nutzen.
  • Unter trockenen Bedingungen Schnitthöhe auf 7 bis 10 cm anheben, damit eine bessere Beschattung ist und ein schnellerer Wiederaustrieb gegeben sind.
  • Bei langanhaltender Trockenheit rechtzeitig vor der Samenproduktion vor allem den Stumpfblättrigen Ampfer mulchen.

Weitere Informationen

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