Eignen sich Luzerneheu und Wiesenheu gleichermaßen zur Struktur- und Nährstoffergänzung? Dieser Frage gingen Anne Verhoeven, Dr. Sebastian Hoppe, Silke Beintmann, Elena Scherber und Dr. Jana Denißen, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, nach. Welche Rückschlüsse sich für die biologische Milchviehhaltung ergeben, zeigt der folgende Beitrag.
In der biologischen Milchviehhaltung wird eine standortangepasste Milchleistung bei gleichzeitig guter Tiergesundheit angestrebt. Hohe Milchleistungen erfordern eine hohe Energiekonzentration in der Ration bei ausreichender Strukturversorgung. Oft werden zur Erhöhung der Energiedichte die Kraftfutteranteile gesteigert. Bei dieser Vorgehensweise und in Abhängigkeit von der Grobfuttersituation steigt das Risiko für klinische und subklinische Pansenazidosen, denn der Anteil schnell verdaulicher Kohlenhydrate ist erhöht.
Viele Milchviehhalter setzen zur Sicherung der Wiederkauaktivität neben Silagen auch Stroh, Heu oder Luzerneheu ein. Marktpreise und Verfügbarkeiten dominieren die Einsatzmöglichkeit und den Umfang. Luzerneheu und Wiesenheu haben im Vergleich zu Stroh einen deutlich höheren Rohproteingehalt, so dass bei der derzeitigen Marktsituation kostenintensive Eiweißkomponenten eingespart werden können. Luzerne und Wiesenheu besitzen gegenüber Kleegrassilagen und Maissilage einen deutlich geringeren Energiegehalt. In Fütterungsversuchen mit Milchkühen und Mastbullen ergab sich bei Einsatz von Luzernesilage im Austausch gegen andere Grobfutter eine signifikant höhere Futteraufnahme in den Gruppen, die mit Luzernesilage gefüttert wurden, sodass der geringere Energiegehalt durch die bessere Futteraufnahme kompensiert wurde.
Ein Fütterungsversuch mit Milchkühen im VBZL Haus Riswick im Jahr 2013 kam zu dem Ergebnis, dass tägliche Einsatzmengen von 1 bis 2 kg Luzerneheu je Tier die Futteraufnahme und Milchleistung erhöhen und sich Luzerneheu gut zur Struktur- und Proteinversorgung eignet. Es stellt sich die Frage, ob bei einem Einsatz von 2 bis 4 kg Wiesenheu in der Milchkuhfütterung ähnlich positive Effekte auf die Futteraufnahme und Milchleistung beobachtet werden können wie beim Einsatz von Luzerneheu. Eignen sich Luzerneheu und Wiesenheu gleichermaßen zur Struktur- und Nährstoffergänzung? Vor diesem Hintergrund wurde im Ökobetrieb von Haus Riswick ein Fütterungsversuch mit zwei Gruppen à 20 Kühen der Rasse Deutsche Holstein angelegt, um den Effekt unterschiedlicher Strukturversorgungen zu prüfen. Luzerneheu und Wiesenheu wurden als anlagengetrocknete Ballenware zugekauft.
Während der Winter-Stall-Periode wurde ein Vergleich der Rationsergänzung mit Wiesenheu beziehungsweise Luzerneheu durchgeführt. Die gesamte Herde wurde in zwei Gruppen mit jeweils 20 Kühen nach Laktationsnummer, Laktationstag, Lebendmasse und Body Condition Score (BCS) als Indikator für den Ernährungszustand eingeteilt. Der Färsenanteil betrug in beiden Gruppen 30 %.
Die Gruppe Wiesenheu (WH) wurde mit einer Teilmischration aus Kleegrassilage, Maissilage, Wiesenheu, Weizen und Ackerbohnen gefüttert. Die Gruppe Luzerneheu (LH) erhielt abgesehen vom Wiesenheu die gleichen Komponenten. Das Wiesenheu wurde durch Luzerneheu ersetzt. Der planbefestigte Offenfrontlaufstall wurde für beide Versuchsgruppen in zwei identische Stallhälften geteilt. Die Fütterung erfolgte einmal täglich morgens mit dem Futtermischwagen. Futterreste wurden vor erneuter Futtervorlage gewogen und bei der Berechnung der Futteraufnahme berücksichtigt.
Die Futterrationen wurden mit dem Rationskalkulationsprogramm Zifo2 nach DLG-Empfehlungen (2001) berechnet. Beide Teilmischrationen waren bei einer Futteraufnahme von etwa 19,5 kg Trockenmasse (TM) auf eine Leistung von 30 kg Energie-korrigierte Milch (ECM) ausgelegt und somit vergleichbar, siehe Tabelle 1. Die zwei Futterrationen wiesen einen für Bio-Betriebe typisch hohen Grobfutteranteil von etwa 80 % und einen moderaten Kraftfutteranteil von circa 20 % auf.
Ziel war es, in beiden Gruppen Rationen mit vergleichbaren Energie- und Nährstoffgehalten vorzulegen, daraus ergaben sich notwendige Anpassungen bei der Rationszusammensetzung. Die Nährstoffgehalte der Teilmischrationen beider Futtergruppen waren weitgehend vergleichbar, wie Tabelle 2 zeigt.
An der Kraftfutterstation erhielten die Kühe leistungsabhängig ab einer Milchleistung von 30 kg ECM ein individuell zugeteiltes Milchleistungsfutter der Energiestufe 4 mit 20 % Rohprotein. Die Erstkalbinnen fanden bereits ab einer Leistung von 28 kg ECM Kraftfutter an der Station. Die maximale Kraftfuttermenge betrug 4 kg je Kuh und Tag.
Die Datenerhebung umfasste täglich die Futteraufnahmen aus den Teilmischrationen als Gruppenmittel sowie tierindividuelle Milchmengen. Wöchentlich wurden die Milchleistungsparameter inklusive Milchmenge und Milchinhaltsstoffe im Rahmen einer Milchleistungsprüfung erhoben. Monatlich erfasst wurden die Lebendmassen, der BCS und die Rückenfettdicke. Wöchentlich wurden bei Futtervorlage sowie fünf Stunden beziehungsweise 24 Stunden nach Futtervorlage Proben aus jeweils drei Stellen am Futtertisch genommen. Bei diesen Proben wurde die Partikelgrößenverteilung mit Hilfe der Schüttelbox bestimmt. Der Versuch wurde statistisch mit einem linearen, gemischten Wiederholbarkeitsmodell für die tägliche Milchleistung und die wöchentlichen Merkmale der Milchleistung und Inhaltsstoffe ausgewertet.
Zur Beurteilung der Partikelgrößenverteilung der vorgelegten Rationen und des Fressverhaltens im Tagesverlauf, wurde eine Schüttelbox mit zwei Sieben eingesetzt. Den Ergebnissen in der Grafik ist zu entnehmen, dass es in der Zeit von der Futtervorlage bis fünf Stunden nach der Futtervorlage zu keinen Veränderungen in der Rationszusammensetzung kam. In der Zeit ab fünf Stunden nach Futtervorlage wurden verstärkt feine Partikel gefressen und die Kühe selektierten Partikel mit einer Größe von 8 bis 19 mm. Zwischen den beiden Fütterungsvarianten waren hinsichtlich des Fressverhaltens keine Unterschiede erkennbar. Während des gesamten Versuchszeitraums lagen die durchschnittlichen Gesamtfutteraufnahmen der Kühe beider Versuchsgruppen auf vergleichbarem Niveau bei 21,2 kg TM/Tag.
Bei der statistischen Auswertung der Milchleistungsparameter waren in keinem Parameter signifikante Unterschiede erkennbar, die auf den Einsatz von Luzerne- beziehungsweise Wiesenheu zurückzuführen sind. Die tägliche Milchmenge der LH-Gruppe liegt bei 31,6 kg/Kuh/Tag und die der WH-Gruppe bei 30,3 kg/Kuh/Tag. Ebenso ist die ECM-Leistung mit 32,8 kg in der LH-Gruppe und 31,6 kg/Kuh täglich in der WH-Gruppe nicht signifikant verschieden. Es bestehen ebenso keine Unterschiede bei den Milchinhaltsstoffen sowie bei der Körperkondition, bei der Lebendmasse und bei der Kraftfutteraufnahme zwischen Wiesenheu- und Luzerneheufütterung.
Unterstellt werden folgende handelsübliche Bruttopreise für die biologisch erzeugten Einzelkomponenten: Kleegrassilage: 10 €/dt, Maissilage: 7,20 €/dt, Anlagen-getrocknetes Wiesenheu: 32,55 €/dt sowie Luzerneheu vergleichbarer Qualität: 33,60 €/dt, Weizen: 30 €/dt, Ackerbohnen: 52 €/dt und Milchleistungsfutter 20/4: 56 €/dt. Auf Basis dieser Ansätze ergeben sich knapp 8 € Futterkosten Kuh/Tag bei der Wiesenheu-Fütterung und nahezu 7,60 € Futterkosten je Tier täglich in der Luzerneheu-Variante mit Berücksichtigung der Mineralfutterkosten, siehe auch Tabelle 3. Der Preisvorteil der Luzerneheu-Fütterung ergibt sich maßgeblich aus dem resultierenden vergleichsweise geringeren Anteil des aufgenommenen tierindividuellen Milchleistungsfutters sowie des kostenintensiven Proteinfuttermittels Ackerbohne, der im Vergleich zur Wiesenheu-Fütterung etwas eingespart werden konnte.
Die Nährstoff- und Energiegehalte der Rationen beider Versuchsgruppen waren weitgehend vergleichbar, ebenso die Futteraufnahmen beider Versuchsgruppen. Es konnten keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der Milchleistungen, der Milchinhaltsstoffe und der Körperkondition festgestellt werden. Die Ergebnisse der Siebfraktionierung zeigen in beiden Gruppen eine geringfügige Futterselektion.
Aufgrund des vergleichsweise geringeren Einsatzes von teurem Milchleistungs- und Proteinfutter zeigt der Einsatz von Luzerneheu einen ökonomischen Vorteil. Unter ökologischen Fütterungsbedingungen führen gute Luzerneheu- und Wiesenheu-Qualitäten mit angepasstem Grob- und Leistungsfutterangebot zu vergleichbar hohen Milchleistungen und eignen sich zur Struktur- und Nährstoffergänzung. Die Gabe von 4 kg Luzerne- oder Wiesenheu kann knappe Kleegrasvorräte schonen.