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Wildtiere vor der Mahd retten oder vergrämen

12.04.2023

Ende März veranstaltete der Landesjagdverband Hessen gemeinsam mit der Hessischen Landjugend und dem Hessischen Bauernverband eine Informationsveranstaltung zur Wildtierrettung. Gezeigt wurden Methoden zur Vergrämung und Rettung von Wildtieren vor der Mahd. Mit dabei waren Landwirte, Jäger und engagierte Bürger.

Rechtsanwalt Björn Schöbel vom Hessischen Bauernverband erörterte in seinem Vortrag die jagd- und tierschutzrechtlichen Grundlagen. Er zitierte aus dem § 1 TierSchG, in dem steht, „dass der Mensch aus seiner Verantwortung für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen hat. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.“ Vor diesem Hintergrund erörterte der Jurist Sachverhalte, unter denen Landwirten, die Rehkitze ausgemäht haben, nicht unerhebliche Strafen drohen.

So sei der Fahrer einer Mähmaschine verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz der Tiere zu ergreifen, wenn eine Wiese gemäht werde und eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass sich noch Rehkitze im Gras befinden. Sind Jungtiere in der Wiese schon in früheren Jahren gesichtet worden oder flüchteten Kitze und  Ricken aus der Wiese oder wurde schon ein Kitz ausgemäht, seien das eindeutige Anhaltspunkte. "Bei solchen Anzeichen kann die Mäharbeit nicht einfach aufgenommen oder weitergeführt werden. Der Führer der Mähmaschine ist sei verpflichtet, Schutzmaßnahmen zu treffen!", so der Referent. Schöbel betonte in diesem Zusammenhang, dass Ricken sehr häufig Zwillings- oder sogar Drillingsgeburten haben und dies bei der Beurteilung der Gefährdung zu berücksichtigen ist.

Maximilian Mohr, Förster und Entwickler der Schallkanone aus Büdingen, referierte über Vergrämungs- und Suchmaßnahmen bei der Wildtierrettung. Er stellte zunächst fest, dass es nicht das eine Verfahren für den Schutz der Jungtiere gibt. Es müsse sich um ein Zusammenspiel verschiedener Maßnahmen handeln, um den Mähtod zu vermeiden. "Deswegen müssen Landwirte, Jäger und Personen, die sich der Wildtierrettung verschrieben haben, eng zusammenarbeiten!", empfahl er. Oft wüssten Landwirte, an welchen Stellen ihrer Flächen die Ricken ihre Kitze ablegen. Der Jagdpächter könne durch seine Beobachtungen des Wildes in seinem Revier häufig auch detaillierte  Angaben über gefährdete Flächen geben. Diese Erkenntnisse müssten den Personen genannt werden, die die Suche oder Vergrämung der Tiere durchführen. "Denn es steht fest, dass die Wildtierrettungsmaßnahmen aufwandsorientiert ablaufen müssten, sonst sind die gefährdeten Tiere auf großen Flächen nicht vor dem Ausmähen zu schützen", so Mohr.


Wildschutz in der Praxis

Volker Lein und Walter Lang, beide aktive Milchbauern aus dem Vogelsberg, sprachen über ihre Maßnahmen zur Jungwildrettung. Zum ersten Schnitt mähen die Landwirte jeweils oft über 100 ha in kürzester Zeit. Diese Flächen mit Personen, Hunden oder Drohnen unmittelbar vor der Mahd abzusuchen oder zu überfliegen, sei  nur schwer möglich. Aus diesem Grund würden auf den Flächen unterschiedliche Maßnahmen getroffen. Besonders gefährdete Wiesen, die beispielsweise an Waldrändern liegen, würden schon vor der Mahd von den Jägern und von den Landwirten beobachtet. Würden Ricken dort gesichtet, sei erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich.  Man könne dann versuchen, die Muttertiere schon rechtzeitig zu vergrämen. Allerdings sei darauf zu achten, dass sich die Tiere nicht an die Vergrämungsmaßnahmen gewöhnen.

Müssten innerhalb kürzester Zeit große Flächen gemäht werden, könne eine Maßnahme sein, die Fläche mit Drohne oder Personen schon am Vorabend der Mahd abzusuchen und die danach von Jungtieren „freie“ Fläche durch Vergrämungsmaßnahmen vor dem Wiederbetreten zu schützen. Ein Absuchen von Ackerfutterflächen sei häufig aufgrund des dichten Pflanzenbestandes sehr schwierig und auch mühsam. Da die Ricken ihre Ablageplätze für ihre Kitze über die Jahre immer wieder aufsuchten, seien diese Flächen häufig weniger gefährdet.

"Von Fall zu Fall sind die Gefährdungen individuell zu beurteilen und angemessene Maßnahmen zu treffen", meinten die beiden Experten.


Maßnahmen vor dem Mähen

"Vor dem Mähen kann man sich für einen frühen ersten Schnitt Ende April und einen späten zweiten Schnitt Mitte bis Ende Juni entscheiden. Auch das Mähen von kurzen Beständen auf Bierflaschenhöhe kann das Leben der jungen Wildtiere retten", erläuterten Volker Lein und Walter Lang. Ein höher als 10 cm eingestelltes Mähwerk schütze Vogelgelege und Amphibien. Scheuchen, mit Licht oder Tonsignalen, noch unterstützt mit Duftstoffen, könnten Wildtiere vergrämen oder vertreiben. "Auch selbstgebaute Scheuchen dienen diesem Zweck", meinte Lang.

Zum Aufspüren, Sichern und Bergen von Jungtieren habe sich die Suche mit Drohne und Wärmebildkamera etabliert. Erfahrene Drohnenpiloten erreichten eine sehr hohe Treffsicherheit beim Absuchen der Mähflächen. Allerdings sei der Einsatz oft an die frühen Morgenstunden gebunden. Auch die Suche mit Menschenketten sei treffsicher, man benötigt jedoch viele engagierte Personen dafür. Tragbare Wildretter mit Infrarotsensoren detektierten liegende Jungtiere gut, jedoch sei die Einsatzzeit hierfür enorm groß.

Mitunter wird das Ablaufen der Flächen mit Hunden propagiert. Hierbei ist zu bedenken, dass die jungen Kitze so gut wie keine Duftstoffe in den ersten Lebenswochen abgeben und somit der Erfolg gering sei.

"Beim Mähen kann langsames Fahren mit 7 bis 10 km/h Tiere retten, die schon zur Flucht neigen. Das Vertreiben der größeren Tiere kann auch eine Schallkanone am Mähwerk bewirken", so die beiden Landwirte. Diese Verfahren empfehle sich jedoch nur bei einer sehr späten Mahd. Neu ist das System Sensosafe am Mähwerk von Pöttinger. Hier werde das Wild vor dem Mähwerk erkannt und die Mähwerke in kürzester Zeit angehoben.


Dr. Waldemar Gruber

Weitere Informationen

Drohnen zur Rehkitzrettung 2023: Jetzt den Antrag stellen

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert auch in diesem Jahr die Anschaffung geeigneter Drohnen zur Rehkitzrettung. Bis zum 30. Juni 2023 können eingetragene Vereine einen Antrag auf vorzeitigen Maßnahmenbeginn bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) stellen.

Mit insgesamt 2 Mio. € fördert das BMEL die Anschaffung geeigneter Drohnen, mit denen vor der Mahd die Grünland- und Ackerfutterflächen insbesondere nach Rehkitzen abgesucht werden können, um die Tiere vor dem Mähtod zu retten.

Was wird gefördert?

Pro Verein werden wieder bis zu zwei Drohnen mit jeweils maximal 4 000 € oder 60 % der zuwendungsfähigen Ausgaben bezuschusst. Neu: Pro Verein fördert das BMEL insgesamt vier Drohnen in den Förderperioden 2021 bis 2023. Mit einer Begründung können Vereine 2023 den Zuschuss für weitere zwei Drohnen beantragen.

Die Drohnen müssen eine Echtbildkamera mit integrierter oder kompatibler Wärmebildkamera haben, eine Mindestflugzeit von 20 Minuten gewährleisten und eine Home-Return-Funktion besitzen.

Wer kann Förderung beantragen?
  • Eingetragene Kreisjagdvereine
  • Jägervereinigungen auf Kreisebene in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins
  • Andere eingetragene Vereine auf regionaler oder lokaler Ebene, zu deren Aufgaben ihrer Satzung nach die Pflege und Förderung des Jagdwesens oder die Rettung von Wildtieren, vorrangig von Rehkitzen, bei der Wiesenmahd (sogenannt Kitzrettungsvereine) gehören.
Zweistufiges Verfahren: Stichtage am 30. Juni und 1. September

Alle Informationen zum Antragsverfahren sind unter www.ble.de/rehkitzrettung abrufbar. Das Antragsverfahren kann online durchgeführt werden. Anträge auf den vorzeitigen Maßnahmenbeginn können bis zum 30. Juni 2023 gestellt werden. Eine Eingangsbestätigung wird anschließend direkt aus dem System erstellt. Anträge auf Auszahlung der Fördersumme müssen der BLE unterschrieben bis 01. September 2023 vorliegen. Neben dem Auszahlungsantrag müssen die folgenden Unterlagen eingereicht werden: Eingangsbestätigung, Nachweis des Erwerbs der Drohne und der Erfüllung der technischen Mindestanforderungen.

Für Fragen steht die BLE telefonisch unter 0228/ 68 45 -3167, per Email an rehkitzrettung_2023@ble.de und per Fax unter 030/ 18 10 68 45 -299 zur Verfügung.


BLE

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