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Forschungsreport Spezial 2013: Zwei Rassen im Vergleich

01.07.2014

"Die" Kuh für die Ökologische Milchviehhaltung gibt es nicht

Im Überblick
  • „Die“ Rasse für gesunde Tiere in der Ökologischen Milchviehhaltung gibt es nicht.
  • Auch unter gleichen Haltungs- und Managementbedingungen können sich verschiedene Rassen in einzelnen Tiergesundheitskategorien unterscheiden.

„Vorbeugen statt behandeln“ ist eine Forderung, die der ökologische Landbau an sich stellt. Dies gilt auch für die ökologische Milchviehhaltung, in der Erkrankungen wie die Entzündung des Euters (Mastitis), Lahmheiten, Stoffwechsel- und Fruchtbarkeitsstörungen nicht weniger häufig als unter konventionellen Bedingungen auftreten. Neben tiergerechten Haltungsbedingungen und einem guten Herdenmanagement soll die Wahl der richtigen Rasse dazu beitragen, dass Erkrankungen weniger häufig auftreten und damit auch der Einsatz von Medikamenten minimiert wird. Die Richtlinien für den Ökolandbau empfehlen, regionale Rassen zu bevorzugen. Jedoch ist auch auf Öko-Milchviehbetrieben die milchbetonte und leistungsorientierte Deutsche Holstein die am häufigsten anzutreffende Rinderrasse.

Der Vergleich der Deutschen Holstein mit der für Norddeutschland regionaltypischen Deutschen Rotbunten im Doppelnutzungstyp, die sowohl für die Milch- als auch die Fleischerzeugung gezüchtet wurde, war das Ziel einer Studie des Thünen-Instituts für Ökologischen Landbau in Trenthorst. Im Rahmen des interdisziplinär angelegten Forschungsprojekts zur Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Milchkühen im Ökologischen Landbau wurden die beiden Rassen unter den gleichen Haltungs- und Managementbedingungen untersucht: Der institutseigene Liegeboxenlaufstall ist spiegelsymmetrisch aufgebaut und bietet in den beiden Hälften die Möglichkeit, jeweils bis zu 50 Tiere einer Rasse zu halten (Abb. 1 und 2). Sowohl der Stall als auch das Herdenmanagement einschließlich der Tierbetreuer sind identisch. Es kommen die gleichen Futtermittel, Einstreumaterialien sowie Reinigungs- und Desinfektionsmittel zum Einsatz.

Für Milchkühe ist der Zeitraum des Trockenstehens (Melkpause vor der Geburt), nach dem Abkalben sowie während der ersten Monate, in denen sie voll in die Milchproduktion – die Laktation – einsteigen, der Zeitraum mit dem höchsten Erkrankungsrisiko. Der Stoffwechsel stellt sich massiv um. Nach der Abkalbung steigen die Milchproduktion und damit der Energiebedarf für die Erzeugung von Milch stark an. Es kann zu einer zeitlich zwar begrenzten, aber deutlichen Unterversorgung kommen. Der Abbau von Körpermasse steuert dem entgegen, kann aber zu einem Anstieg von Stoffwechselprodukten (Ketonkörper) führen, die über die Leber entgiftet werden müssen. Diese starke Belastung des Stoffwechsels wirkt sich negativ auf die körpereigene Abwehr aus. In dieser Zeit steigt das Infektionsrisiko erheblich an, und es treten die meisten Mastitisfälle auf.

Im Projekt wurden deshalb die Stoffwechsel- und Eutergesundheitssituation in den beiden Teilherden während der ersten fünf Laktationswochen genauer untersucht. Wie zu erwarten, unterschieden sich die beiden Rassen hinsichtlich der Milchleistung. Die 46 Deutschen Holstein produzierten täglich durchschnittlich 30 Kilogramm, die 49 Doppelnutzungskühe 26 Kilogramm ECM (ECM = Milchmenge, die auf einen Fett- und Eiweißgehalt standardisiert ist). Die im Blut und der Milch der Tiere untersuchten Indikatoren zeigten, dass ein größerer Teil der Deutschen Holstein-Kühe ein Energiedefizit in diesem Zeitraum aufwies und dies auch zu einer Belastung des Stoffwechsels bei diesen Tieren führte. Zum Beispiel wurde in der Milch der Grenzwert für den Gehalt an Beta-Hydroxybutyrat, einem Ketonkörper, bei neun der Holstein-Kühe, aber nur bei drei Deutschen Rotbunten überschritten. Der Mittelwert des Fett-Eiweiß-Quotienten – ebenfalls ein Anzeiger für Stoffwechselprobleme – lag mit 1,4 für die Deutschen Holstein deutlich im kritischen Bereich. Aber auch die Doppelnutzungskühe signalisierten mit einem Mittelwert von 1,3 ein Energiedefizit.

Überraschend waren die Ergebnisse für die Eutergesundheit. Über den Untersuchungszeitraum zeigte ein Viertel der Rotbunten Kühe mindestens einmal klinische Anzeichen einer Euterentzündung, wie Rötung, Schwellung, Empfindlichkeit und/oder sichtbare Veränderungen der Milch. Bei den Deutschen Holstein trat dies nur bei jeder siebten Kuh auf. Auch der Anteil der Kühe ohne Befund bei der wöchentlichen bakteriologischen Untersuchung der Milch der Euterviertel war bei der milchbetonten Deutschen Holstein fast doppelt so groß (Abb. 3). Zudem wurden die Infektionen beider Rassen von verschiedenen Erregergruppen verursacht, obwohl sich die Umwelt für beide Gruppen nicht unterschied! Das schlechtere Abschneiden der Doppelnutzungsrasse hinsichtlich der Eutergesundheit könnte an der Euterform liegen. Bei den Deutschen Holstein wurde dieses Merkmal viel stärker züchterisch bearbeitet. Mängel in der Euterform führen aber meist zu Schwierigkeiten beim maschinellen Melken, die wiederum Euterinfektionen begünstigen können. Für das unterschiedliche Erregerspektrum könnten Unterschiede in der körpereigenen Abwehr der Rassen verantwortlich sein. Dies wäre in weiteren Untersuchungen zu klären.

Unter den gleichen Betriebsbedingungen können mit regionaltypischen Rassen also völlig verschiedene Ergebnisse erzielt werden. Für den ökologischen Landbau kann folglich nur gelten, die für den Betrieb und das betriebstypische Management geeignete Rasse auszuwählen. Globale Empfehlungen greifen zu kurz, und sogenannte „alte“ Rassen sind nicht zwangsläufig für jeden Öko-Betrieb besser geeignet. Die – zweifellos notwendige – Erhaltung alter Rassen erfordert eine aktive Unterstützung und kann der ökologischen Landwirtschaft nicht im Selbstlauf überlassen werden.

Quelle:ForschungsReport spezial "Ökologischer Landbau 2013, Heft 2", Senat der Bundesforschungsinstitute im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Weitere Informationen

Autorin und Ansprechpartnerin:

Kerstin Barth, Karen Aulrich
Thünen-Institut

Karin Knappstein
Max Rubner-Institut

E-Mail:  kerstin.barth@ti.bund.de

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