Mit insgesamt 90 Teilnehmern waren die Regionaltreffen von Öko-Milchviehbetrieben im Rahmen des Projektes Öko-Leitbetriebe in diesem Jahr gut besucht. Fünf Treffen gab es schon, zuletzt Ende November in Loxstedt bei Bremen und Tüttendorf bei Kiel. Die holländischsprachige Gruppe trifft sich im Januar. Lehrreich dabei ist immer wieder der intensive Erfahrungsaustausch unter Praktikern. Zusammen mit den bisher 12-jährigen Auswertungen eine wesentliche Grundlage, um die geeignete Strategie für den eigenen Betrieb zu finden.
Die Schwerpunkte der Regionaltreffen waren in diesem Jahr, die Weidegenetik, verbunden mit der Frage: 'Welche Bullen stehen zur Verfügung?', und Weidemilch. Darüber hinaus wurde noch über Produktivität von Weidesystemen, Saisonalität und Wachstumsschwankungen, Kleegrasmischungen, Futterqualität, Anbau von Körnerleguminosen, Proteinversorgung und nicht zuletzt über Stallbau für behornte und unbehornte Kühe gesprochen.
Betriebe mit hohem Weideanteil werden an einer speziellen Weidegenetik nicht vorbeikommen. Wichtig ist, dass die Zucht auf spezialisierten Weidebetrieben erfolgt, so wie die Bullen aus Neuseeland. Die Fragen der Teilnehmer beantwortete bei allen Treffen auch Udo Führer vom LIC, der genossenschaftlichen Zuchtorganisation in Neuseeland, die jährlich etwa 4 Millionen Kühe, das sind 80 % der neuseeländischen Kühe, besamt. Die LIC baut zurzeit einen Vertrieb für den deutschen Markt auf. Interessant dürften auch Bullen aus Großbritannien und Irland sein. Von den mitteleuropäischen Bullen stammen dagegen nur wenige von Weidebetrieben, entsprechend sind auch nur wenige geeignet. Diskutiert wurde auch der Einsatz von Deutschem Schwarzbunten Niederungsvieh (DSN) und Deutschem Rotbunten Niederungsvieh. Diese Rassen stehen meist auf Betrieben mit hohem Weideanteil. Auswertungen der letzten Jahre zeigen, dass der Leistungsunterschied von DSN zu HF-Kühen mit vergleichbarer Kraftfuttermenge bei 1.400 kg ECM pro Kuh und Jahr liegt (Versuchsergebnis 2007 auf www.oekolandbau.nrw.de).
Bestätigt wird der deutliche Leistungsunterschied durch den langjährigen Vergleich in Betrieben mit Einkreuzung von DSN in HF: Hier sank die Jahresmilchleistung bei vergleichbarer Fütterung um 880 kg ECM/Kuh (Versuchsergebnis 2015 auf www.oekolandbau.nrw.de). Nach Einkreuzung von HF in DSN erfolgte unter Berücksichtigung einer höheren Kraftfuttergabe ein Anstieg der Jahresmilchleistung in vergleichbarer Höhe (Versuchsergebnis 2015 auf www.oekolandbau.nrw.de). Einen gewissen Ausgleich für die niedrigere Jahresmilchleistung bei DSN ergibt sich durch einen besseren Preis bei der Fleischvermarktung und vielleicht mit Blick auf den Erhalt alter Rassen.
Der Begriff "Weide" wird schon bisher von einigen Molkereien in der Werbung genutzt und sei es nur mit einem Bild auf der Verpackung. Daher kam die Frage nicht unerwartet: Warum werben Öko-Molkereien nicht stärker mit "Weide"? Zwar haben nicht alle Öko-Betriebe die Möglichkeit, umfangreich zu weiden, aber im Mittel aller Öko-Milchviehbetriebe Norddeutschlands stammt etwa 60 % der Energie der Gesamtration zwischen Mai und Oktober aus Weide. Damit hat die Weide im ökologischen Landbau eine herausragende Bedeutung. Zum Vergleich: Im konventionellen Landbau liegt der Anteil unter 10 %. Wer mit Weide langfristig werben will, muss klar definieren, was er darunter versteht. Entscheidend ist, welchen Umfang die Weide im Betrieb einnimmt.
Deshalb wird international bei vielen Datenerhebungen sowie Vereinbarungen zwischen Milchviehhaltern und Molkereien diese Definition für "Weidemilch" verwendet.
Nachteile hierbei sind: Langfristig werden Betriebe mit viel Weidegang ohne nennenswerte Futteraufnahme Probleme mit Überdüngung haben, zumindest auf reinen Grünlandstandorten. Im Stall satt gefütterte Kühe legen sich auf der Weide zum Wiederkauen hin und hinterlassen über Kot und Harn viele Nährstoffe auf der Weide. Erkennbar wird dies an dem sehr starken Wuchs derartig genutzter Flächen und dem hohen Anteil an Weideresten. Aufgrund geminderter Schmackhaftigkeit erfolgt nur eine geringe Futteraufnahme. Werden zur Weide genutzte Ackerflächen in die Fruchtfolge eingebunden, können die Nährstoffe besser genutzt werden. Was aber auch hier bleibt: Verbraucher werden getäuscht. Denn anders als die Werbung es suggeriert: Die Milchprodukte werden nur unwesentlich aus Weidefutter erzeugt.
Quelle: Dr. Edmund Leisen, Ökoteam Landwirtschaftskammer NRW, Tel.: 0251-2376-594, E-Mail: edmund.leisen@lwk.nrw.de, Münster, den 25. November 2016