Von Norden idyllisch eingerahmt durch den Kleinfluss Bastau und von Süden durch das Wiehengebirge mit dem Haddenhauser Berg liegt der ostwestfälische Hof von Ulrike und Friedrich Kinkelbur mit ihren beiden Söhnen Sönke und Hauke. Es ist mit einer der ältesten Bioland-Höfe in NRW.
Im Jahr 1981 folgte Senior Friedrich Kinkelbur dem Rat des Arztes, der seine sechs Kinder entbunden hat, mit dem Spritzen von Pestiziden auf dem Acker aufzuhören, "Überleg mal, wo das hinführt". Dazu erinnert sich Betriebsleiter Friedrich, "Zu dem Zeitpunkt wurde immer mehr und mehr gespritzt, sodass Vater sagte: wir probieren es aus, wir dürfen aber nicht mit Idealismus untergehen, sondern den Weg zurück offen lassen."
Familie: | Ulrike und Friedrich Kinkelbur mit den Söhnen Sönke und Hauke |
130 Kühe, weibliche Nachzucht wird aufgezogen und zu ca. 50 % zur Zucht verkauft | |
Flächen | 100 ha Acker, davon 8-10 ha Kartoffeln |
Böden | überwiegend Braunerde mit sandigem Lehm |
Niederschläge | 720 mm/Jahr |
Lage | Höhe ü. NN: 60 m Teutoburger Wald und Wiehengebirge schirmen gegen Wind und Wetter (Regen) aus Südwest ab |
Nachfolgende Angaben im Mittel der letzten 5 Jahre: | |
Milchleistung | 8600 kg ECM / Kuh |
Nutzungsdauer | 4,4 Jahre |
Lebensleistung | 37.356 kg ECM / Kuh |
Zwischenkalbezeit | 420 Tage |
Zellgehalt | MLP-Messung: Anteil > 250.000: 11 % |
Erstkalbealter | 27,2 Monate |
Sorge bereitete damals dem Umsteller und passionierten Holsteinzüchter, dass seine Herde in der Leistung einbricht, „Das war aber nicht der Fall“, erinnert sich Friedrich, denn im Jahr 1996 übernahm er den Hof mit 55 Kühen, die eine Leistung von 8300 kg Milch erbrachten. „Das war eine solide milchtypische Truppe.“ Mittlerweile grasen 130 Kühe mit einer Leistung von 8600 kg Milch auf dem fast 40-jährigen Bioland-Standort.
"Leider reichen die hofnahen Flächen nicht aus, um die Tiere satt zu füttern. Sie kommen grundsätzlich nach dem Melken tagsüber auf die Weide, werden aber am Futtertisch zu etwa 85 % satt gefüttert. Die restlichen, etwa 15 %, holen sie aus dem Grünland", resümiert der langjährige Söbbeke-Lieferant. Für den täglichen Weidegang - je nach Witterung und Trittfestigkeit gerne ab Mitte März - stehen den Kühen im dreitägigen Wechsel zwei Parzellen zu jeweils etwa 3 ha zu Verfügung. Dabei haben die milchgebenden Damen ständigen Zugang zum Futtertisch. Die Ration besteht aus 60 % Grassilage und 40 % Maissilage. Dazu gibt es Bierhefe und ad libitum Heu, teils im Stall, teils auf der Weide in einer überdachten Heu-Weideraufe.
Durchschnitt aller Jahrgänge von 2011 bis 2014 | ||||||
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Altersklassen | Alter (Monate) | Gewicht (kg) | Zunahmen seit Geburt (g/Tier/Tag) 1) | Spannweite Zunahmen seit Geburt (g/Tier/Tag) | Anzahl Tiere | |
Zwischen 0,5 und 1 Jahr | 10,4 | 272 | 719 (83) | 592 - 815 | 7 | |
Zwischen 1 und 1,5 Jahre | 15,5 | 396 | 746 (85) | 525 - 978 | 42 | |
Zwischen 1,5 und 2 Jahre | 20,7 | 492 | 709 (74) | 535 - 965 | 87 | |
Zwischen 2 und 2,5 Jahre 2) | 25,5 | 588 | 701 (75) | 507 - 814 | 33 | |
1) in Klammern: Standardabweichung 2) Ohne Rinder mit < 60 Tage vor Kalbung |
Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Trockenstehern. Alle Kühe werden nach vorhergehender zytobakterieller Untersuchung selektiv trocken gestellt und nur bei Handlungsbedarf zielführend antibiotisch behandelt, ansonsten stets mit Zitzenversiegler.
"Sie kommen dann auf die Trockensteherweide, zusammen mit tragenden Rindern. Denn: die Zeit draußen tut ihnen mehr gut, als dass ihnen die fehlende stallangepasste Fütterung fehlt", ist Friedrich überzeugt. "Wir haben sie immer auf die Weide getan, das ist für Tier und Mensch stressfrei. Ich bin überzeugt, dass sie durch den vielen Platz, Bewegung und Sonne einen Vorsprung bezüglich Fitness und Vitalität haben und mit einer guten Kondition in die Laktation starten." Das Interessante an der Trockensteher-Weide: "Das Grünland ist auf Niedermoor mit Drainage. Das jahrelange Beweiden ab etwa Mitte April bis Oktober/November tut der Fläche gut und hat zu einer sehr strapazierfähigen und positiven Trittfestigkeit geführt", gibt sich der Betriebsleiter zufrieden.
Zusammen mit zwei Auszubildenden und einem festangestellten Staatlich Geprüften Landwirt wird der Zeitraum rund um die Geburt engmaschig beobachtet. Die neugeborenen Kälber kommen für maximal 14 Tage in Kälber-Doppelboxen und werden pro Kalb und Tag mit je 8 Litern Milch getränkt. Danach geht es für sechs bis acht Wochen bei ad libitum-Vollmilchtränke in die erste Kälbergruppe. Hier wird eine altersgemäß homogene Gruppe von vier bis fünf Tieren angestrebt. "Die Gruppe soll in der Aufzuchtphase zusammenbleiben, das nimmt Stress raus, wenn beispielsweise ein Umgebungs- oder Stallwechsel ansteht", erklärt Friedrich.
Nach etwa acht Wochen zieht die Gruppe in den Jungviehstall um. Dabei handelt es sich um "Zweiraumlaufställe" (planbefestigte Fläche mit stroheingestreutem Liegeareal) in einem Altgebäude mit paddockartigem Grünauslauf. Hier gibt es für die Mittelkleinen: rationierte Milch, die Kuhmischung, Kälberkraftfutter und Heu.
Zunahmen bis Abtrieb (g/Tier/Tag) 1) | ||||
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Haltungsbedingungen | Gewicht bei Auftrieb 1) | 2. Weideperiode | seit Geburt | Anzahl Tiere |
Stall | 438 (31) | 875 (122) | 750 (53) | 4 |
Grünland auf Lößlehm | 499 (45) | 916 (93) | 728 (43) | 7 |
Grünland auf Niedermoor | 473 (36) | 817 (194) | 739 (63) | 6 |
1) in Klammern: Standardabweichung |
Mit vier Monaten geht es nach dem Absetzen der Milch in die dritte Kälbergruppe. Hier lernen die Tiere einen größeren Grünauslauf kennen und bleiben bis sie acht Monate alt sind zusammen. Für die darauffolgende Phase steht ein Pachtbetrieb in etwa 5 km Entfernung zur Verfügung. "Da ist ein geräumiger Stall mit einer arrondierten 3 ha großen Weide. Die Jungrinder können rein und raus laufen, wie sie mögen."
"Das ist für uns ein großer Glückfall", freut sich Friedrich. "Der Verpächter ist ein ehemaliger Holsteinzüchter und ist glücklich, dass er Zuchttiere auf dem Hof hat. Er versorgt sie, passt auf sie auf und wir bekommen sie tragend zurück."
Gibt es in irgendeiner Phase Probleme mit Parasiten? "Komischerweise nicht! Die Tiere sehen immer gut aus, sind leistungsbereit und scheinen ein gutes Immunsystem zu haben."
Die Ziele? "Tendenziell strebe ich ältere Kühe mit kaum Betreuungsaufwand an".
Auf dem Betrieb Kinkelbur wurden seit 2013 regelmäßig die Gewichte der Rinder festgehalten, um deren Entwicklung und Tageszunahmen in verschiedenen Altersklassen zu untersuchen (Tabelle 1). Es wurden nur Tiere berücksichtigt, die noch mehr als 60 Tage von der Kalbung entfernt waren, damit Gewichtsveränderungen wegen des Wachstums des Fötus noch nicht in die Rechnung mit eingingen. Es zeigt sich, dass die Rinder über alle Altersklassen homogene Zunahmen seit der Geburt von 716 g/Tag und Tier hatten. Zwischen den Altersklassen traten nur geringe Unterschiede in den Zunahmen auf (Tabelle 1). Vergleicht man die Zunahmen aus Tabelle 2, die während einer Weideperiode erhoben wurden, so liegen die Zunahmen in der Weidezeit deutlich über den Durchschnittszunahmen. Im Umkehrschluss sind während der Winterzeit nur geringere Zunahmen erzielt worden. Auch die Spannweite der Tageszunahmen, z.B. in der Altersklasse bis ein Jahr von 592 bis 815 g/Tag und Tier, zeigt die saisonalen Schwankungen als auch schwächere und leistungsstärkere Tiere.
In der Weideperiode 2013 wurde auf dem Betrieb zudem ein Vergleich von Haltungsbedingungen auf die Entwicklung / Zunahmen von Rindern durchgeführt. Dabei wurden die Rinder für ihre zweite Weideperiode in drei Gruppen aufgeteilt und entweder im Stall, auf Grünland mit Lößlehm, oder auf Grünland im Niedermoor gehalten (Tabelle 2). Die Gewichte der Tiere wurden am Anfang und Ende der Weideperiode gemessen.
Dabei zeigte sich, dass die Rinder auf dem Grünland mit Lößlehm die höchsten Zunahmen von durchschnittlich 916 g/Tier und Tag in der Weideperiode hatten und die Rinder auf dem Grünland mit Niedermoor die geringsten, dennoch hohe, Zunahmen von 817 g/Tier und Tag. Die Tiere im Stall hatten mittlere Zunahmen in diesem Zeitraum.
Am Ende der zweiten Weideperiode gab es bei den durchschnittlichen Zunahmen seit der Geburt keine großen Unterschiede zwischen der Stallhaltung und der Grünlandhaltung.
Vor dem Vergleich in 2013 kamen die Rinder bei Familie Kinkelbur erst nach dem Besamen auf die Weide und nur selten auf das Grünland im Niedermoor, da es hier stelleinweise feucht ist mit vielen Seggen und Binsen und somit geringere Zunahmen erwartet wurden. Durch die Feststellung, dass die Rinder sich nicht schlechter auf dem Niedermoor entwickelten, wurde die Aufzucht der Rinder umgestellt. Sie kommen nun frühestmöglich auf die Weide und das auch aufs Niedermoor.
Quelle: Susanne Kroll-Fiedler, Biohof Kroll-Fiedler; Sebastian Glowacki, Dr. Edmund Leisen, Öko-Team LWK NRW, Münster, 4. Juni 2018