Der Betrieb Vollmer ist ein Paradebeispiel für einen Low Input-Betrieb mit viel Weide, nur wenig Kraftfutter und sehr gesunder Herde. Im nachfolgenden Bericht erfahren sie Wissenswertes zu Weidemanagement und Kälberaufzucht.
"Seit etwa neun Jahren betreiben wir auf unserem Betrieb das System Kurzrasenweide", berichten Hermann und sein Sohn Bernd Vollmer. "Bis wir soweit waren, gingen viele Jahre des Ausprobierens und der Weideentwicklung voraus."
Auf dem südwestlich des Teutoburger Waldes gelegenen Milchviehbetrieb der Familie Vollmer wird seit 1988 nach Bioland-Richtlinien gearbeitet. Inzwischen leben zwei Familien auf dem ostwestfälischen Hof. Seniorchefin Christel kümmert sich um den Bioladen, Juniorchefin Monika organisiert nicht nur die Kartoffelvermarktung, sondern auch ihre vier Kinder.
Familie: | Hermann u. Christa mit Hütehund Tessa; Bernd u. Moni mit Konrad, Svea, Gregor und Ina |
Lage | Rheda-Wiedenbrück, Westfälische Bucht |
Böden | grundwassergeprägt an vielen Stellen bis fast an Oberfläche, vorrangig Grünlandstandort |
Niederschläge | 750 mm/Jahr |
Flächen | 25 ha Grünland, 25 ha Ackerland |
Fruchtfolge | siebenjährig, davon 2 Jahre Kleegras |
Nachfolgende Angaben im Mittel der letzten 5 Jahre: | |
Milchleistung | 6.538 kg ECM / Kuh bei 3,4 dt selbsterzeugtem Kraftfutter / Kuh |
Weideanteil | Mai – Oktober: 90 % |
Nutzungsdauer | 7,9 Jahre |
Lebensleistung | 51.565 kg ECM / Kuh |
Zwischenkalbezeit | 383 Tage |
Zellgehalt | MLP-Messung: Anteil > 250.000: 17 % |
Milchharnstoffgehalt <150mg/l | 174 Tage / Jahr |
Milchharnstoffgehalt >300mg/l | 28 Tage / Jahr |
Erstkalbealter | 25,9 Monate |
Geweidet wurde immer schon bei den Vollmers, auch Tag und Nacht. "Früher wurde am 15. Mai ausgetrieben, die Kühe kamen in sehr langes Gras", erinnert sich Hermann Vollmer an die Zeiten der Umtriebsweide. "Das ging 14 Tage lang gut, dann bekamen die Kühe Stoffwechselstörungen. Sie haben zu viel langes Gras in kurzer Zeit gefressen, dabei wurden sie dick und rund. Die Milchleistungskurve ging rauf und runter.
Wir haben es dann mit der Portionsweide versucht. Da gab es zwar keine Stoffwechselprobleme, aber das tägliche Zäuneversetzen bedeutete für uns viel Arbeit und für die Kühe Unruhe in der Herde. Vor allem, wenn die Tiere jemanden sahen, ging gleich das Gebölke los."
Im Jahr 2008 lernte Sohn Bernd im Rahmen einer Grünland-Wissenschaftstagung in der Schweiz auf Praktikerbetrieben die Kurzrasenweide kennen und war fasziniert.
"Ich bin mit dem Wissen nach Hause gekommen, dass die Tiere dort fressen, wo man fast keinen Aufwuchs sieht und dabei Milch geben und gut aussehen", blickt Bernd zurück. "Die Diskussionen zu Hause waren bissig und hitzig. Weder konnte ich Vaters Frage, was die Tiere im Sommer auf der Weide zu fressen haben, beantworten, noch die Frage, wie es mit Parasiten aussieht."
Im ersten Kurzrasenweide-Versuchsjahr durften die horntragenden Milchkühe Ende März ins kurze, zuckrige Grün. "Wir waren unerfahren und sehr vorsichtig, ließen die Kühe erst einen halben Tag in die Weide. Dabei haben wir mit Spannung beobachtet wie konzentriert und emsig sie sich bewegten, das kurze Gras abrupften und dabei mächtig einspeichelten."
Zum großen Erstaunen der Vollmers war der Aufwuchs so gut, dass die Kühe satt wurden. "Sie haben sofort am Futtertisch weniger gefressen und wir haben die Stallfütterung angepasst." Sehr schnell wurde die Weide ganztägig genutzt und ab April auch noch nach der Abendmelkung ("Siesta-Weide"). Gegen 23 Uhr holte Bernd die Kühe in den Stall, dann waren sie satt und koteten nachts im Stall und daher morgens weniger auf den Weideflächen.
Jahrgang | Alter (Monate) | Gewicht (kg) | Zunahmen seit Geburt (g/Tag) | Anzahl Tiere |
---|---|---|---|---|
2010 | 22,4 | 502 | 673 | 4 |
2011 | 11,2 | 289 | 715 | 4 |
20,7 | 495 | 713 | 12 | |
2012 | 10,4 | 283 | 749 | 4 |
2013 | 10,2 | 260 | 696 | 3 |
21,1 | 537 | 768 | 3 | |
2015 | 9,6 | 282 | 813 | 4 |
2016 | 10,8 | 275 | 698 | 10 |
21,1 | 488 | 690 | 8 | |
2017 | 9,5 | 268 | 769 | 5 |
Mit Besorgnis sahen Vollmers dem Ende der Getreideernte entgegen. "Da fängt bei uns der Parasitenhusten an." Zu ihrem großen Erstaunen rupften sich die Kühe auf dem Weg zur Weide am Wegrand stehende Pflanzenteile des Korbblütlers Eberraute (Abrotanum) ab. "Wir hatten den Eindruck, dass die Pflanze den Tieren guttut."
Mittlerweile kommen bei Vollmers Tiere aller Altersgruppen so früh wie möglich (teilweise Mitte März) auf die Weide. "Wir legen dabei großen Wert auf die parasitäre Immunisierung der Jungkälber", sind sich Vater und Sohn einig.
Geboren im Quartal | Saison | Werte zum Ende der Saison | Anzahl Tiere | |
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Alter (Monate) | Zunahmen (g/Tag) | |||
1 | 1.Sommer | 9,1 | 891 | 12 |
1.Winter | 14,8 | 481 | 10 | |
2.Sommer | 21,2 | 916 | 14 | |
3 | 1.Sommer | 14,2 | 747 | 7 |
4 | 1.Sommer | 12,1 | 688 | 12 |
1.Winter | 17,0 | 484 | 11 | |
2.Sommer | 23,7 | 909 | 13 |
Schon während der 20 wöchigen Tränkezeit (mit 30 g Haferflocken und Heu) kommen sie in eine Kälberweidegruppe. "Da wir viele kleine, für Kälber geeignete Grünlandstücke haben, gewöhnen wir sie früh an Halfter und Strick und haben somit keine Probleme beim Umtreiben, auch bei gefürchteten Ausbrüchen haben wir die Tiere schnell eingefangen", erklärt Bernd.
"Da sie die Zäune noch nicht kennen, halten wir sie die ersten Tage am Strick auf der Weide fest. Jedes Kind bekommt ein Kalb zum Festhalten. Wir sind dann mit der ganzen Familie stundenweise auf der Weide und genießen das." Nach etwa vier Wochen kommen die Jungkälber auf abgemähte Flächen mit trockenem Standort. Dabei wird anfänglich Heu zugefüttert.
Die Erst-Kälberweide wird wegen der Parasiten ein bis zwei Mal im Jahr gemäht und abgeerntet. Parasitenbefall wird durch Kotproben festgestellt. Bisher gab es noch kein Behandlungsbedarf, denn die leicht trocknenden Sandböden bieten keinen guten Lebensraum für Parasiten.
Beim mittlerweile ebenfalls frühen Weideaustrieb der älteren Rinder sorgt Familie Vollmer parasitenmäßig vor: ein paar Tage vor dem anvisierten Weideaustrieb gibt es für die Zweitsömmrigen etwas auf die Nase: Abrotanum-Globuli, vom Tierarzt zum Tierarzneimittel umgewidmet.
"Die Globuli löse ich in Wasser auf, mit einer Sprühflasche benetze ich die Nasenschleimhaut der Rinder damit", verrät Hermann Vollmer. "Nach dem Aufstallen im Herbst wiederholen wir das. Nach unserer Beobachtung hilft es den Tieren bei der Immunisierung gegen Parasiten, es fördert die körpereigene Abwehr. Bisher hatten wir keine Probleme, denn die untersuchten Kotproben waren in Ordnung."
Einen Vorteil sehen Vollmers in der Entwicklung des Grünlands, denn durch die ständige Beweidung tendieren die Sorten der Gräser in Richtung Deutsches Weidelgras. Dadurch ist die Grasnarbe viel dichter geworden und somit trittfest. Das macht sich besonders bei Niederschlägen positiv bemerkbar, da der Grundwasserstand teilweise sehr hoch ist.
"Früher bedeutete die Weideperiode mehr Arbeit. Heute, durch die Kurzrasenweide weniger Aufwand. Das liegt daran, dass sich die Kühe ihr Futter selber holen. Das ist für uns ein kostengünstiges Melken bei gleichzeitig guter Entwicklung von Jungtieren", sind sich Vater und Sohn einig.
Seit 2012 werden auf dem Betrieb Vollmer die Kälber, Rinder und Kühe regelmäßig gewogen und so die Entwicklung der Tiere dokumentiert. Dabei zeigt sich, dass die Rinder sehr gute Tageszunahmen auf der Weide erzielen.
Im Durchschnitt aller gewogenen Kälber und Rinder wurde bis knapp einem Jahr (10,4 Monate) eine tägliche Zunahme von 734 g seit der Geburt und bis knapp zwei Jahren (21,1 Monate) eine Zunahme von 706 g erzielt (Tab. 1).
Betrachtet man jedoch die Spannbreite zwischen den einzelnen Jahrgängen sind z.B. für die Rinder bis knapp zwei Jahre Zunahmen von 673 g (2010) bis 768 g (2013) erzielt worden. Hier spielten vor allem die Witterungsunterschiede und Futterqualitäten der Jahre eine Rolle. Außerdem ist teilweise die Anzahl der Tiere gering und somit auch die Verlässlichkeit der Aussage.
Betrachtet man die Quartale in denen die Kälber geboren sind, so stellt man fest, dass auf dem Betrieb Vollmer der Schwerpunkt der Kalbungen im Winter liegt. Über die Jahre werden im ersten und vierten Quartal 70 % der Kälber geboren.
Bis zum Alter von durchschnittlich 10,4 Monaten wurden homogene tägliche Zunahmen von 735 g über alle Quartale erzielt. Auch bis zum Alter 21,4 Monaten waren die Zunahmen mit durchschnittlich 713 g gut mit den vorherigen vergleichbar und sehr konstant zwischen den Quartalen.
Es kann also kein Unterschied auf die Entwicklung von den Rindern festgestellt werden, wenn diese Anfang oder Ende Winter (4. und 1. Quartal) geboren werden. Aussagen zu den anderen Quartalen können aufgrund der geringen Kalbungen in diesem Zeitraum nicht getroffen werden.
• Bei Rindern wurden bis 10,4 Monate durchschnittlich 734 g und bis 21,1 Monate 706 g Tageszunahmen seit der Geburt erzielt
• Der Geburtszeitpunkt des Kalbes (Anfang oder Ende Winter) hat keinen Einfluss auf die Tageszunahmen
• Rinder gehören auf die Weide: dort werden sehr hohe Tageszunahmen (816 g) erzielt
• Die Tageszunahmen bei Rindern sind auf der Weide deutlich höher als im Stall (Unterschied 333 g)
Auf der Weide können hohe Zunahmen bei Rindern erzielt werden. In Tabelle 2 sind die durchschnittlichen täglichen Zunahmen der Rinder im Sommer und im Winter, aufgeteilt nach der Geburt in den Quartalen dargestellt. In der Sommersaison wurde auf der Weide im Durchschnitt 842 g Zunahmen bei den Rindern erzielt in einer Spannweite von 688 g bis 916 g.
Diese Ergebnisse sind mit den Weideversuchen in Haus Riswick vergleichbar. Dort wurden die Zunahmen von Rindern auf der Kurzrasenweide in den Versuchsjahren 2012 bis 2015 untersucht. Im Durchschnitt wurden 816 g Tageszunahmen in einer Spannweite von 720 g bis 921 g erzielt. Im Gegensatz dazu hatten die Rinder in der Wintersaison im Durchschnitt nur knapp die Hälfte (483 g) der täglichen Zunahmen im Vergleich zum Sommer (Tab. 2).
Somit lässt sich schlussfolgern, dass die intensive Weide für den Betrieb Vollmer die besten Zunahmen bei den Rindern, gute Entwicklung der Grasnarbe und Arbeitserleichterung bedeutet.
Quelle: Susanne Kroll-Fiedler, Biohof Kroll-Fiedler; Sebastian Glowacki, Dr. Edmund Leisen, Öko-Team LWK NRW, Münster, 17. Mai 2018
Dr. Edmund Leisen
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