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Kuhgebundene Kälberaufzucht – Teil 3: Betriebswirtschaftliche Betrachtung

27.03.2020

Wie in den vorangegangenen beiden Teilen zur kuhgebundenen Kälberaufzucht bereits beschrieben, geht die vermarktungsfähige Milchmenge bei dieser Aufzuchtform merklich zurück. Dies liegt zum einen am erhöhten Milchkonsum des Kalbes und zum anderen an Störungen der Milchabgabe bei säugenden Kühen während des Maschinenmelkens. Zudem sinkt der Milchfettgehalt der säugenden Kühe deutlich, zum Teil um mehr als ein Prozent, denn der Fettgehalt der Milch steigt normalerweise im Verlauf des Melkens an. Da aber bei einer Störung der Milchabgabe nicht alle Milch runtergelassen wird, ist auch der Fettgehalt niedriger.

Je nach Verfahren der kuhgebundenen Aufzucht ist die vermarktungsfähige Milchmenge mehr oder weniger stark reduziert. So ist der Rückgang der vermarktungsfähigen Milchmenge bei einer rein ammengebundenen Aufzucht am geringsten, da die Kühe, die kein Kalb säugen nicht von einer Störung der Milchabgabe betroffen sind.

► Es sollte das betriebliche Ziel sein, VOR der Einführung der kuhgebundenen Kälberaufzucht den betriebsindividuell zu erwartenden Milchmengenrückgang zu kalkulieren und die damit verbundenen finanziellen Einbußen, aber auch die erhofften Vorteile abzuwägen. Dabei sind die erhofften Vorteile häufig nur schwer monetär zu bewerten.

Ein Problem bei der Kalkulation des zu erwartenden Milchmengenrückgangs ist, abzuschätzen wie viel Milch die Kälber täglich zu sich nehmen. Die einzige Möglichkeit, dies genau zu messen, ist die Kälber jeweils vor sowie nach jedem Säugen zu wiegen. In der Praxis kann hier aber auch auf Werte aus Versuchen und auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. Darüber hinaus gibt es Methoden den Umfang der Störung der Milchabgabe zu messen. Darauf soll hier aber nicht weiter eingegangen werden.

► Beispiel: Drei Monate Mutter-Kalb-Kontakt

Folgendes Beispiel zum Rückgang der vermarktungsfähigen Milchmenge hat Frau Dr. Kerstin Barth vom Institut für Ökologischen Landbau in Trenthorst auf dem Treffen der Biolandfachgruppe "Gras geben" im November 2019 in Drensteinfurt mit den Teilnehmern durchgerechnet. Es gilt unter der Annahme, dass konsequent bei allen Kalbungen eine muttergebundene Kälberaufzucht mit der permanenten, ganztägigen Möglichkeit des Mutter-Kalb-Kontaktes für drei Monate Säugezeit durchgeführt wird. Die angegebenen Zahlen beruhen auf Erfahrungen sowie Versuchen, die im Versuchsstall für muttergebundene Kälberaufzucht des Institutes für Ökologischen Landbau durchgeführt wurden. Dennoch sind sie eher als grobe Kalkulationshilfen und weniger als fest vorgegebene Größen zu verstehen, da sie von Betrieb zu Betrieb und von Verfahren zu Verfahren stark variieren können.

Angenommen wird:
  • Eine um 16 kg geringere Tagesmilchmenge im Mittel je laktierender Kuh, was zum einen durch die vom Kalb konsumierte Milchmenge und zum anderen durch die Störung der Milchabgabe beim Maschinenmelken bedingt ist.
  • Daraus ergibt sich eine Minderung der ermolkenen Milchmenge um 1.520 kg während der 95 Tage der Säugezeit.
  • Da sich zeigt, dass die Kühe auch im Anschluss an die Säugephase eine verringerte Milchleistung aufweisen (etwa -1,5 kg je Kuh und Tag), wird eine um insgesamt 315 kg erniedrigte Milchmenge für die restlichen 210 Tage einer 305-Tage-Laktation angenommen (210 Tage x -1,5 kg Milch = -315 kg). Die Bezugsebene 305-Tage-Laktation wurde zur Vergleichbarkeit von Laktationen unterschiedlicher Kühe gewählt.
  • Geht man im Vergleich zu einer etablierten Tränke-Methode im ökologischen Landbau von einer Tränkemenge von 8 kg Milch im Mittel je Tier und Tag während der gesamten Tränkephase von 95 Tagen aus, ergibt sich eine Vollmilchmenge von 760 kg je Kuh und Laktation.
  • Die Menge an Kälbermilch aus dem etablierten Aufzuchtverfahren (760 kg) ist von der nicht ermolkenen Milchmenge bei muttergebundener Kälberaufzucht von insgesamt 1.835 kg (1.520 kg während der 95-tägigen Säugephase + 315 kg in der restlichen 305-Tage Laktation) abzuziehen.
  • So ergibt sich in diesem Beispiel bei muttergebundener Kälberaufzucht mit der permanenten, ganztägigen Möglichkeit des Mutter-Kalb-Kontaktes eine um etwa 1.000 kg geringere Menge an vermarktungsfähiger Milch.

Was bedeutet dies nun für die Wirtschaftlichkeit der Milchvermarktung?

Folgende Überlegung hierzu:
  • Bei im Mittel 7.200 kg gelieferter Milchmenge je Kuh und Jahr bei etabliertem Tränkeverfahren und einem Vergleichsmilchpreis von 47 Cent netto je kg ergibt sich eine Leistung von 3.384,-€ je Kuh und Jahr.
  • Bei der um 1.000 kg reduzierten gelieferten Milchmenge je Kuh und Jahr bei muttergebundener Kälberaufzucht (6.200 kg) ergibt sich eine um 470,-€ verringerte Leistung von 2.914,-€ je Kuh und Jahr.
  • Wie viel höher müsste der Vergleichsmilchpreis je kg Milch nun sein, um den Mindererlös über die gelieferte Milchmenge auszugleichen?

    Bei einer gelieferten Milchmenge je Kuh und Jahr bei kuhgebundener Kälberaufzucht von…
    • 6.200 kg Milch je Kuh und Jahr ⇒ 47.000 Cent (47 Cent x 1.000 kg Differenz zu gelieferter Milchmenge bei etabliertem Aufzuchtverfahren) / 6.200 kg Milch = 7,6 Cent je kg Milch.
    • 7.200 kg Milch je Kuh und Jahr ⇒ 47.000 Cent (47 Cent x 1.000 kg Differenz zu gelieferter Milchmenge bei etabliertem Aufzuchtverfahren) / 7.200 kg Milch = 6,5 Cent je kg Milch.
    • 5.200 kg Milch je Kuh und Jahr ⇒ 47.000 Cent (47 Cent x 1.000 kg Differenz zu gelieferter Milchmenge bei etabliertem Aufzuchtverfahren) / 5.200 kg Milch = 9 Cent je kg Milch.
Hieraus folgt:

Je niedriger die Ausgangsmilchleistung ist, desto höher müsste der Aufschlag in Cent je kg Milch sein, um die finanzielle Mindereinnahme, die durch die nicht lieferbare Milchmenge von 1.000 kg verursacht wurde, zu decken.

Nicht berücksichtigt sind hierbei…

  • eine Anpassung des Auszahlungspreises nach unten aufgrund eines erniedrigten Fettgehaltes (!!!),
  • ein eventueller Mehrerlös für das gut entwickelte schwere Kalb,
  • ggf. eingesparte Tierarztkosten(?), auch durch eine weiterhin gute Entwicklung des Kalbes über die Zeit der Tränkephase hinaus
  • und bei Nutzung des Kalbes zur Nachzucht vielleicht auch eine positive Wirkung der frühen Sozialisierung des Kalbes durch die Kühe auf das Gelingen der Eingliederung der späteren Färse in die Milchviehherde.
  • Weitere Vorteile sind denkbar…

Allerdings sind diese Posten nur schwer (monetär) zu beziffern, da sie immer im einzelbetrieblichen Kontext bewertet werden müssen.

Fazit:

Bewerten Sie VOR der Einführung der kuhgebundenen Kälberaufzucht den Einfluss Ihres jeweiligen Vorhabens auf Ihre Wirtschaftlichkeit! Nicht nur für die Tiere soll sich die kuhgebundene Aufzucht lohnen, sondern auch für Sie! Bei Fragen oder Anregungen hierzu, sprechen Sie uns gerne an!

Quelle: Susanne Kreikenbohm, Ökoteam Landwirtschaftskammer NRW, Öko-MIR, Nr. 12 vom 19. März 2020

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