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Der Schlachter kommt zum Rind

30.06.2021

Lebendtiertransporte von Rindern werden immer wieder kritisiert. Teilmobile Schlachtverfahren gewinnen daher an Bedeutung. Was muss bei dem Verfahren beachtet werden und wie funktioniert die teilmobile Rinderschlachtung in der Praxis? Antworten hierauf gab es bei der Online-Veranstaltung Teilmobile Rinderschlachtung - ein Zukunftsmodell?, zu der die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen Mitte Juni im Rahmen des Projekts „Fokus Tierwohl“ eingeladen hatte.

„Bei der teilmobilen Schlachtung von Rindern geht es darum, dass das Rind nicht zum Schlachthof kommt, sondern der Schlachthof zum Rind“, erläuterte Lea Trampenau, Inhaberin der Firma Innovative Schlachtsysteme in Lüne­burg. Der Begriff teilmobile Schlach­tung sei dabei das Synonym für die Weide- und Hoftötung. Seit 2011 er­mögliche Deutschland bei Tieren, die ganzjährig im Freien gehalten werden, das Verbringen auf der Weide getöteter Tiere zum Schlachtbetrieb. Für Tiere, die saisonal im Stall gehalten würden, sei die Hoftötung mit Bolzenschuss-Be­täubung erlaubt. Zur Betäubung und Tötung der Rinder sei ein Sachkunde­nachweis nach Tierschutz- und Waffen­recht erforderlich, sofern dies nicht von einem Metzger durchgeführt wird.

„Wichtig ist, dass für den Bolzenschuss eine Fixiereinheit vorhanden ist“, be­tonte Trampenau, die sich in ihrer Fir­ma bereits seit zehn Jahren mit teilmo­bilen Lösungen für Rinder aus ganzjäh­riger Freilandhaltung beschäftigt und hierzu Schulungen und Beratungen durchführt.

Stressfreies Schlachten

Für Trampenau bietet die teilmobile Schlachtung insbesondere einen Vor­teil: „Sie ermöglicht stressfreies Schlachten. Das Verfahren bedeutet weniger Stress für das Tier, aber auch für den Menschen.“ Die prämortalen Belastungen, sprich der Stress für das Tier vor der Tötung würden durch die teilmobile Schlachtung enorm redu­ziert, da der Lebendtiertransport ent­falle. Die Tiere könnten in ihrer ver­trauten Umgebung bleiben, das bedeu­te für sie eine sichere Zone. Stressfrei­es Schlachten führe auch zu einer bes­seren Fleischqualität. „Und die teilmo­bile Schlachtung bringt einen ethi­schen Mehrwert, da die Verbraucher verstärkt Fleisch aus der teilmobilen Schlachtung nachfragen. Diese Form der Schlachtung ist daher vor allen Dingen interessant für Direktvermark­ter, aber auch für Vermarktungsgesell­schaften, die Rindfleisch anbieten“, be­tonte Trampenau und kündigte an, dass es ab Juli oder spätestens ab August rechtliche Änderungen geben werde, die die teilmobile Schlachtung verein­fachen. Die teilmobile Schlachtung er­mögliche dann die Betäubung und Tö­tung im Betrieb für drei Rinder, drei Pferde und sechs Schweine. Außerdem werde die maximale Fahrzeit, die der­zeit bei einer Stunde zwischen Bolzen­schuss und Ankunft im Schlachthof liegt, auf zwei Stunden erweitert.

Schlachtstätte muss sein

Aber die teilmobile Schlachtung ist auch an bestimmte Bedingungen geknüpft. Trampenau: „Sie ist genehmi­gungspflichtig, es muss ein amtlicher Tierarzt anwesend sein und auch eine schriftliche Vereinbarung zwischen Landwirt und Schlachtbetrieb vorlie­gen. Und in jedem Fall ist eine regiona­le Schlachtstätte in der Nähe erforder­lich, die das tote Tier aufnimmt und dann weiterverarbeitet. Ohne regionale Schlachtstätten geht es nicht, es sei denn, es existiert eine EU-zugelassene Schlachtstätte am Hof.“

Technische Lösungen für die teilmobile Rinderschlachtung sind inzwischen ei­ne Reihe auf dem Markt. Das Spektrum reicht laut Trampenau von einfachen Lösungen mit Entblutewanne bishin zu aufwendigen Teilmobilen mit Notaus­gang, Kameraüberwachung und Sensor­steuerung. Die Spanne bei den Kosten liege zwischen 10 000 und 70 000 €. „Das Schlachtmobil kann der Landwirt oder der Metzger kaufen. Es ist nicht mehr an den Schlachtbetrieb gebunden wie früher“, betonte die Fachfrau und appellierte an die Landwirte, Koopera­tionen mit Metzgern einzugehen, um die teilmobile Rinderschlachtung auch voranzubringen.

Aber wie funktioniert die teilmobile Schlachtung bei Rindern in der Praxis? Klaus Bonkhoff, Juniorchef des Schlacht- und Verarbeitungsbetriebes Bonkhoff in Ascheberg, berichtete bei der Online-Veranstaltung von seinen Er­fahrungen mit der teilmobilen Schlach­tung. Und die sind offensichtlich gut. „Ich brenne für dieses System“, sagte er. Seit 2010 setzt der Familienbetrieb die teilmobile Schlachtung bereits für Notschlachtungen ein und seit vergan­genem Jahr auch für Gesundschlachtun­gen. Das System Bonkhoffs besteht aus einer mobilen Fixiereinheit und Betäubungsbucht sowie der mobilen Schlachteinheit mit Entblutewanne und im vorderen Bereich aus einer Hygiene­einrichtung mit Handwaschbecken, Durchlauferhitzer, Wassertank und ei­ner Vorrichtung zur Sterilisierung der Messer. Insgesamt gibt es zwei Bolzen­schussapparate. „Für den Fall, dass man einmal nachschießen muss“, erläu­terte Bonkhoff. Ebenfalls sind zwei Ent­blutemesser vorhanden und eine Not­fallentblutewanne vorhanden.


Dienstleistung für Direktvermarkter

„In unserem Betrieb bieten wir die teil­mobile Schlachtung in erster Linie als Dienstleistung an, und zwar für Rinder­betriebe, die ihr Fleisch direkt vermark­ten wollen“, so Bonkhoff. „Die Direkt­vermarkter sind diejenigen, die die hö­heren Kosten durch die teilmobile Schlachtung am besten an ihre Kunden weitergeben könnten. Eine Schlachtung ohne Lebendtiertransport kommt gut beim Verbraucher an. Insbesondere der Direktvermarkter kann das gut gegen­über seinen Kunden kommunizieren.“ Zehn Tage nach dem Schlachttermin er­halten die Direktvermarkter ihre Fleisch- und Wurstwaren vom Betrieb Bonkhoff verpackt und vakuumiert so­wie etikettiert zurück. Insgesamt ver­fügt der Familienbetrieb über fünf Kühl­fahrzeuge, die er den Direktvermark­tern für den Verkauf des Fleisches und der Wurst zur Verfügung stellt. Diese Leistung wird natürlich speziell abge­rechnet. Für die teilmobile Schlachtung der Rinder berechnet Klaus Bonkhoff Personalkosten von 58 € pro Stunde, 50 € für die Reinigung und Desinfekti­on des Schlachtmobils sowie eine Kilo­meterpauschale. Derzeit liegen die Kun­den im Umkreis von bis zu 100 km. Künftig dürften aber auch 120 km kein Problem sein, da die Zeit zwischen Schlachtung und Ankunft auf dem Schlachtbetrieb zwei Stunden betragen darf, meint der junge Mann.

Nachfrage ist da

Was die Nachfrage nach seiner Dienst­leistung anbelangt, zeigt sich der Metz­germeister und Betriebswirt zufrieden: „Pro Woche sind es fünf bis sieben Rin­der, die teilmobil geschlachtet werden. Aber es ist deutlich mehr Nachfrage da, mehr schaffen wir leider im Moment nicht.“ Unter anderem ist er dabei, sein Schlachtunternehmen umzustrukturie­ren. „Mein Traum ist, irgendwann ein Schlachtunternehmen zu haben ohne jegliche Lebendtierannahme“, so der Ju­niorchef.

Nach seinen Aussagen bringt die teilmobile Schlachtung von Rindern eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Für jeden landwirtschaftlichen Betrieb braucht das Schlachtunternehmen eine Extra-Abnahme durch den Kreisveterinär und kreisübergreifend hat Bonkhoff mit verschiedenen Veterinärämtern zu tun. Nach wie vor das größte Problem seien aber die 60 Sekunden, meint der engagierte Unternehmer. „Diese Zeit zwischen der Betäubung und dem Anfang der Entblutung einzuhalten, ist eine echte Herausforderung.“ Derzeit sind im Betrieb Bonkhoff vier Schlachtmobile für Not- und Gesundschlachtungen vorhanden. Im August wird der Ascheberger Familienbetrieb auch mit der teilmobilen Schlachtung von Schweinen starten. „Für uns als kleineres Unternehmen bietet die teilmobile Schlachtung eine hervorragende Möglichkeit, uns gegenüber der Industrie und anderen Schlachtbetrieben abzusetzen“, so Bonkhoff und fügt hinzu: „Für den Direktvermarkter ist es ebenfalls ein Alleinstellungsmerkmal. Metzger und Landwirt können mit diesem System sehr gut kommunizieren, dass hierbei das Tierwohl an erster Stelle steht.“ Begeistert ist er zudem von der guten Fleischqualität durch die mobile Schlachtung.

Das Allerwichtigste für das Funktionieren der teilmobilen Schlachtung ist laut Bonkhoff, dass Metzger und Landwirt überzeugt von dem System sind und etwas verändern wollen. „Wenn das der Fall ist, dann klappt das auch“, versicherte er.   

Dr. Elisabeth Legge,

LZ Rheinland

Weitere Informationen

Mobiles Schlachten wird gefördert

Investitionen im Bereich mobiler und teilmobiler Schlachtung für landwirtschaftliche Nutztiere werden noch in diesem Jahr durch das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Lan­des NRW gefördert. Das teilt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) mit. Ziel der Förderung ist es, das Tierwohl zu steigern und den Tieren unter anderem lange Transporte zum Schlachthof zu ersparen. Das Einzeltier steht damit im Fokus des Geschehens, Angst und Unruhezustände wäh­rend der Fahrt zum Schlachthof werden vermieden. Da­neben steht das mobile Schlachten für große Transpa­renz bei allen Vorgängen, so das LANUV.

Gefördert werden rechtlich zulässige Investitionen in die (teil-)mobile Schlachtung für Nutztiere inklusive vor- und nachge­lagerter Tätigkeiten und Ausstattung; Beratungsgebühren, die im direkten Zusammenhang mit der (teil-)mobilen Schlachtung stehen, bis zu ei­ner Höhe von maximal 12 % der förderfähigen Inves­tition.

Das Programm endet am 31. Dezember 2021; Maßnahmen müssen bis zum 28. Februar 2022 vollständig abgeschlossen sein. Einen Antrag auf Förderung können Kleinst-, Klein- und mittelständische Unternehmen aus der Land- und Er­nährungswirtschaft mit Sitz in NRW stellen.

Für die Förderung gilt:

  • Der Zuschuss beträgt maximal 40 % der förderfähi­gen Ausgaben;
  • die Bagatellgrenze liegt bei 1 000 €;
  • die (Projekt-)Förderung ist begrenzt auf ein Investiti­onsvolumen von 100 000 €;
  • die Anteilsfinanzierung wird als Zuschuss gewährt;
  • Bemessungsgrundlage sind die getätigten förderfähi­gen Ausgaben;
  • ausgeschlossen von der Förderung sind Umsatzsteuer, unbare Eigenleistungen, der Erwerb von gebrauchten und das Mieten, Pachten oder Leasen von Geräten.

Aus veterinäramtlicher Sicht sind (teil-)mobile Schlacht­anlagen für Nutztiere grundsätzlich zulassungsfähig. Weitere Auskünfte erteilt Jürgen Sons, LANUV NRW, E-Mail: juergen.sons@lanuv.nrw.de, Telefon: 01 72/ 2 15 03 70.

LANUV/Maria Forstreuter-Wieck,

Landwirtschaftskammer NRW

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