Lebendtiertransporte von Rindern werden immer wieder kritisiert. Teilmobile Schlachtverfahren gewinnen daher an Bedeutung. Was muss bei dem Verfahren beachtet werden und wie funktioniert die teilmobile Rinderschlachtung in der Praxis? Antworten hierauf gab es bei der Online-Veranstaltung Teilmobile Rinderschlachtung - ein Zukunftsmodell?, zu der die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen Mitte Juni im Rahmen des Projekts „Fokus Tierwohl“ eingeladen hatte.
„Bei der teilmobilen Schlachtung von Rindern geht es darum, dass das Rind nicht zum Schlachthof kommt, sondern der Schlachthof zum Rind“, erläuterte Lea Trampenau, Inhaberin der Firma Innovative Schlachtsysteme in Lüneburg. Der Begriff teilmobile Schlachtung sei dabei das Synonym für die Weide- und Hoftötung. Seit 2011 ermögliche Deutschland bei Tieren, die ganzjährig im Freien gehalten werden, das Verbringen auf der Weide getöteter Tiere zum Schlachtbetrieb. Für Tiere, die saisonal im Stall gehalten würden, sei die Hoftötung mit Bolzenschuss-Betäubung erlaubt. Zur Betäubung und Tötung der Rinder sei ein Sachkundenachweis nach Tierschutz- und Waffenrecht erforderlich, sofern dies nicht von einem Metzger durchgeführt wird.
„Wichtig ist, dass für den Bolzenschuss eine Fixiereinheit vorhanden ist“, betonte Trampenau, die sich in ihrer Firma bereits seit zehn Jahren mit teilmobilen Lösungen für Rinder aus ganzjähriger Freilandhaltung beschäftigt und hierzu Schulungen und Beratungen durchführt.
Für Trampenau bietet die teilmobile Schlachtung insbesondere einen Vorteil: „Sie ermöglicht stressfreies Schlachten. Das Verfahren bedeutet weniger Stress für das Tier, aber auch für den Menschen.“ Die prämortalen Belastungen, sprich der Stress für das Tier vor der Tötung würden durch die teilmobile Schlachtung enorm reduziert, da der Lebendtiertransport entfalle. Die Tiere könnten in ihrer vertrauten Umgebung bleiben, das bedeute für sie eine sichere Zone. Stressfreies Schlachten führe auch zu einer besseren Fleischqualität. „Und die teilmobile Schlachtung bringt einen ethischen Mehrwert, da die Verbraucher verstärkt Fleisch aus der teilmobilen Schlachtung nachfragen. Diese Form der Schlachtung ist daher vor allen Dingen interessant für Direktvermarkter, aber auch für Vermarktungsgesellschaften, die Rindfleisch anbieten“, betonte Trampenau und kündigte an, dass es ab Juli oder spätestens ab August rechtliche Änderungen geben werde, die die teilmobile Schlachtung vereinfachen. Die teilmobile Schlachtung ermögliche dann die Betäubung und Tötung im Betrieb für drei Rinder, drei Pferde und sechs Schweine. Außerdem werde die maximale Fahrzeit, die derzeit bei einer Stunde zwischen Bolzenschuss und Ankunft im Schlachthof liegt, auf zwei Stunden erweitert.
Aber die teilmobile Schlachtung ist auch an bestimmte Bedingungen geknüpft. Trampenau: „Sie ist genehmigungspflichtig, es muss ein amtlicher Tierarzt anwesend sein und auch eine schriftliche Vereinbarung zwischen Landwirt und Schlachtbetrieb vorliegen. Und in jedem Fall ist eine regionale Schlachtstätte in der Nähe erforderlich, die das tote Tier aufnimmt und dann weiterverarbeitet. Ohne regionale Schlachtstätten geht es nicht, es sei denn, es existiert eine EU-zugelassene Schlachtstätte am Hof.“
Technische Lösungen für die teilmobile Rinderschlachtung sind inzwischen eine Reihe auf dem Markt. Das Spektrum reicht laut Trampenau von einfachen Lösungen mit Entblutewanne bishin zu aufwendigen Teilmobilen mit Notausgang, Kameraüberwachung und Sensorsteuerung. Die Spanne bei den Kosten liege zwischen 10 000 und 70 000 €. „Das Schlachtmobil kann der Landwirt oder der Metzger kaufen. Es ist nicht mehr an den Schlachtbetrieb gebunden wie früher“, betonte die Fachfrau und appellierte an die Landwirte, Kooperationen mit Metzgern einzugehen, um die teilmobile Rinderschlachtung auch voranzubringen.
Aber wie funktioniert die teilmobile Schlachtung bei Rindern in der Praxis? Klaus Bonkhoff, Juniorchef des Schlacht- und Verarbeitungsbetriebes Bonkhoff in Ascheberg, berichtete bei der Online-Veranstaltung von seinen Erfahrungen mit der teilmobilen Schlachtung. Und die sind offensichtlich gut. „Ich brenne für dieses System“, sagte er. Seit 2010 setzt der Familienbetrieb die teilmobile Schlachtung bereits für Notschlachtungen ein und seit vergangenem Jahr auch für Gesundschlachtungen. Das System Bonkhoffs besteht aus einer mobilen Fixiereinheit und Betäubungsbucht sowie der mobilen Schlachteinheit mit Entblutewanne und im vorderen Bereich aus einer Hygieneeinrichtung mit Handwaschbecken, Durchlauferhitzer, Wassertank und einer Vorrichtung zur Sterilisierung der Messer. Insgesamt gibt es zwei Bolzenschussapparate. „Für den Fall, dass man einmal nachschießen muss“, erläuterte Bonkhoff. Ebenfalls sind zwei Entblutemesser vorhanden und eine Notfallentblutewanne vorhanden.
„In unserem Betrieb bieten wir die teilmobile Schlachtung in erster Linie als Dienstleistung an, und zwar für Rinderbetriebe, die ihr Fleisch direkt vermarkten wollen“, so Bonkhoff. „Die Direktvermarkter sind diejenigen, die die höheren Kosten durch die teilmobile Schlachtung am besten an ihre Kunden weitergeben könnten. Eine Schlachtung ohne Lebendtiertransport kommt gut beim Verbraucher an. Insbesondere der Direktvermarkter kann das gut gegenüber seinen Kunden kommunizieren.“ Zehn Tage nach dem Schlachttermin erhalten die Direktvermarkter ihre Fleisch- und Wurstwaren vom Betrieb Bonkhoff verpackt und vakuumiert sowie etikettiert zurück. Insgesamt verfügt der Familienbetrieb über fünf Kühlfahrzeuge, die er den Direktvermarktern für den Verkauf des Fleisches und der Wurst zur Verfügung stellt. Diese Leistung wird natürlich speziell abgerechnet. Für die teilmobile Schlachtung der Rinder berechnet Klaus Bonkhoff Personalkosten von 58 € pro Stunde, 50 € für die Reinigung und Desinfektion des Schlachtmobils sowie eine Kilometerpauschale. Derzeit liegen die Kunden im Umkreis von bis zu 100 km. Künftig dürften aber auch 120 km kein Problem sein, da die Zeit zwischen Schlachtung und Ankunft auf dem Schlachtbetrieb zwei Stunden betragen darf, meint der junge Mann.
Was die Nachfrage nach seiner Dienstleistung anbelangt, zeigt sich der Metzgermeister und Betriebswirt zufrieden: „Pro Woche sind es fünf bis sieben Rinder, die teilmobil geschlachtet werden. Aber es ist deutlich mehr Nachfrage da, mehr schaffen wir leider im Moment nicht.“ Unter anderem ist er dabei, sein Schlachtunternehmen umzustrukturieren. „Mein Traum ist, irgendwann ein Schlachtunternehmen zu haben ohne jegliche Lebendtierannahme“, so der Juniorchef.
Nach seinen Aussagen bringt die teilmobile Schlachtung von Rindern eine Reihe von Herausforderungen mit sich. Für jeden landwirtschaftlichen Betrieb braucht das Schlachtunternehmen eine Extra-Abnahme durch den Kreisveterinär und kreisübergreifend hat Bonkhoff mit verschiedenen Veterinärämtern zu tun. Nach wie vor das größte Problem seien aber die 60 Sekunden, meint der engagierte Unternehmer. „Diese Zeit zwischen der Betäubung und dem Anfang der Entblutung einzuhalten, ist eine echte Herausforderung.“ Derzeit sind im Betrieb Bonkhoff vier Schlachtmobile für Not- und Gesundschlachtungen vorhanden. Im August wird der Ascheberger Familienbetrieb auch mit der teilmobilen Schlachtung von Schweinen starten. „Für uns als kleineres Unternehmen bietet die teilmobile Schlachtung eine hervorragende Möglichkeit, uns gegenüber der Industrie und anderen Schlachtbetrieben abzusetzen“, so Bonkhoff und fügt hinzu: „Für den Direktvermarkter ist es ebenfalls ein Alleinstellungsmerkmal. Metzger und Landwirt können mit diesem System sehr gut kommunizieren, dass hierbei das Tierwohl an erster Stelle steht.“ Begeistert ist er zudem von der guten Fleischqualität durch die mobile Schlachtung.
Das Allerwichtigste für das Funktionieren der teilmobilen Schlachtung ist laut Bonkhoff, dass Metzger und Landwirt überzeugt von dem System sind und etwas verändern wollen. „Wenn das der Fall ist, dann klappt das auch“, versicherte er.
Dr. Elisabeth Legge,
LZ Rheinland
Investitionen im Bereich mobiler und teilmobiler Schlachtung für landwirtschaftliche Nutztiere werden noch in diesem Jahr durch das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW gefördert. Das teilt das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) mit. Ziel der Förderung ist es, das Tierwohl zu steigern und den Tieren unter anderem lange Transporte zum Schlachthof zu ersparen. Das Einzeltier steht damit im Fokus des Geschehens, Angst und Unruhezustände während der Fahrt zum Schlachthof werden vermieden. Daneben steht das mobile Schlachten für große Transparenz bei allen Vorgängen, so das LANUV.
Gefördert werden rechtlich zulässige Investitionen in die (teil-)mobile Schlachtung für Nutztiere inklusive vor- und nachgelagerter Tätigkeiten und Ausstattung; Beratungsgebühren, die im direkten Zusammenhang mit der (teil-)mobilen Schlachtung stehen, bis zu einer Höhe von maximal 12 % der förderfähigen Investition.
Das Programm endet am 31. Dezember 2021; Maßnahmen müssen bis zum 28. Februar 2022 vollständig abgeschlossen sein. Einen Antrag auf Förderung können Kleinst-, Klein- und mittelständische Unternehmen aus der Land- und Ernährungswirtschaft mit Sitz in NRW stellen.
Für die Förderung gilt:
Aus veterinäramtlicher Sicht sind (teil-)mobile Schlachtanlagen für Nutztiere grundsätzlich zulassungsfähig. Weitere Auskünfte erteilt Jürgen Sons, LANUV NRW, E-Mail: juergen.sons@lanuv.nrw.de, Telefon: 01 72/ 2 15 03 70.
LANUV/Maria Forstreuter-Wieck,
Landwirtschaftskammer NRW