Tierwohl vs. Umweltwirkungen - wie lösen wir die Herausforderungen für eine zukunftsorientierte Milchviehhaltung? Im Rahmen des diesjährigen Düsser Milchviehforums am 7. und 8. Februar wurde über die diversen Möglichkeiten diskutiert, wie bei Erhaltung des Tierwohls Emissionen reduziert und Kreisläufe besser geschlossen werden können.
Die Ziele im Rahmen der Status Quo NEC-Richtlinie sind formuliert. Die Emissionen aus der Rinderhaltung müssten nachhaltig und tiergerecht reduziert werden. Prof. Dr. Hartung, Universität Kiel und KTBL, vermutet, dass die gegenwärtigen Anforderungen, die an die Schweinehalter gestellt werden, in Zukunft auch für die Milchviehhalter relevant werden können. Mit der Novellierung der TA Luft 2021 sei der Anfang gemacht. Ob zukünftig Geruchsemissionen gemessen und Auflagen für die Filtrierung der Abluft erlassen werden, bleibe aktuell noch offen. Wechselwirkungen zwischen Anforderungen an Tierwohl und Immissionsschutz dürften dabei nicht vergessen werden. So biete der moderne Boxenlaufstall zum Beispiel eine tiergerechte Aufstallung, die richtig ausgelegt, Tierwohl garantiere. Dabei produziere er jedoch dreimal so viel Ammoniak wie die Anbindehaltung. Kühe aber zukünftig wieder in der Anbindung zu halten, sei dann doch keine Option. Somit müssten andere Mittel und Wege verfolgt werden, die Emissionen aus der Milchviehhaltung zu reduzieren.
So zählt Hartung die aktuellen Möglichkeiten auf, wie Emissionen verhindert oder reduziert werden können. Zu den direkt umsetzbaren Möglichkeiten, die auch in dem KTBL Heft „Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft mindern – gute fachliche Praxis“ dargestellt werden, zählen:
Auch wenn über die NEC Richtlinie zurzeit vor allem Ammoniak im Fokus steht, so wäre es ein Fehler, CO2, Methan und auch Lachgas nicht zu berücksichtigen. Vielmehr müsse in Ketten gedacht werden und das Reduktionspotenzial gesamtbetrieblich und über die gesamte Produktionskette berücksichtigt werden.
Kees de Koning, Chef und Manager des Dairy Campus in Leeuwarden in den Niederlanden, berichtete über die aktuelle Situation der Landwirte und der Landwirtschaft in den Niederlanden in Bezug auf Treibhausgase und Ammoniak. In den Betrieben in den Niederlanden haben sich durch Anpassungen im Management und den Einsatz bestimmter Technologien bereits 50 bis 70 % der Gesamtemissionen reduzieren lassen. Denn in den Niederlanden müssen bereits heute Maßnahmen, die nachweislich Emissionen reduzieren, umgesetzt werden. Produkte und Maßnahmen würden zertifiziert und für bauliche Genehmigungen hinzugezogen. Der Naturschutz stehe über den Techniken und Maßnahmen. Das bedeutet, dass auch beim Einsatz der bestmöglichen Techniken an einem Standort in der Nähe eines Naturschutzgebiets keine Milchviehhaltung genehmigt wird.
Dr. Sebastian Hoppe, Landwirtschaftskammer NRW, zeigte in seinem Vortrag die Potenziale der Fütterung zur Reduktion von Emissionen auf. Um Ammoniak zu reduzieren, müssen in der Fütterung die optimalen Bedingungen für die Bereitstellung des pansenverfügbaren Stickstoff und der Energie gegeben sein. Daraus ergeben sich konkrete Maßnahmen für die Fütterung:
Zur Reduzierung der Methanemissionen könnten zum Beispiel Rotalgen mit dem Inhaltsstoff Bromoform, Fette und Öle, Tannine oder 3-NOP (chemische Methaninhibitoren) eingesetzt werden. Bei dem Einsatz dieser Futtermittelzusatzstoffe müssten unbedingt die Einsatzhöchstmengen und die möglichen physiologischen Nebenwirkungen berücksichtigt werden.
Über die Grundlagen und Wirkungen der Emissionen und zu den Umweltwirkungen referierten Dr. Manfred Trimborn vom Institut für Landtechnik der Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn und Dr. Daniel Werner, Landwirtschaftskammer NRW. Sie sind den Emissionen auf der Spur und legen den Fokus ihrer Forschungsarbeiten immer mehr auf die Nutzung der Nährstoffe. In ihren Vorträgen machten sie deutlich, dass die Kreisläufe mehr beachtet und vor allem besser geschlossen werden müssen. Die Verluste in der Wertschöpfungskette „Nährstoffe aus Flüssigmist“ betragen nach Angaben von Manfred Trimborn über 1 000 000 000 € je Jahr.
Andreas Pelzer, Landwirtschaftskammer NRW; referierte über das abgeschlossene Projekt zu den Gesamtbetrieblichen Haltungskonzepten für Milchkühe. Im Rahmen dieses Projekts haben Fachleute aus ganz Deutschland Konzepte für eine zukunftsorientierte Milchviehhaltung entwickelt. Im Rahmen der Nachhaltigkeit wurden aus Sicht der Ökonomie, der Ökologie sowie aus der Sicht des Tierwohls je ein Stall für 240 Kühe gebaut. In den nachfolgenden Diskussionen wurde dann der Kompromissstall entwickelt. In diesem Stall wurden möglichst viele Aspekte der Fokusställe integriert. Die Ergebnisse dieses Projekts können auf der Internetseite www.fokus-tierwohl.de unter Gesamtbetriebliche Haltungskonzepte Rind abgerufen werden.
Dass auch in Bezug der Emissionsreduzierung Landwirte in Deutschland und in den Niederlanden ihrer Zeit voraus sind, zeigten die drei Betriebsvorstellungen, in denen alternative Laufgänge in Verbindung mit einer Unterflurentmistung, ein Kompostierungsstall und der Freilebenstall mit dem „BeddingCleaner“, der nach einem niederländischen Konzept den Kot aus der Einstreu siebt und somit die Emissionen reduziert, im Fokus standen. Diese Milchviehbetriebe setzen bereits emissionsreduzierende Techniken ein:
Und auch in der Industrie liegt der Schwerpunkt aktuell auf der Entwicklung neuer Technik zur Emissionsminderung.
Smarte, das heißt digitale und intelligente, Systeme werden hoffentlich zukünftig dazu beitragen, dass sich Technik, Tierwohl und Emissionsminderung im Stall miteinander verbinden lassen. Haltungskonzepte, die Tierwohl, Ökonomie und ökologische Aspekte darstellen oder teilweise auch vereinen, wurden anhand von Praxisbeispielen vorgestellt. Der Kompostierungsstall komme der Weide durch seine Eigenschaften mit viel Fläche und einer Trennung von Kot und Harn nahe. Ein weiterer Praxisbetrieb zeigte eine Lösung für den klassischen Liegeboxenlaufstall. Ein modifizierter Schieber und der schnelle Abfluss von Urin und dünner Gülle in den Mittelkanal bieten Emissionsminderungspotenzial in einem Stall, der sich vor allem durch seine klassische Strukturierung enorm flächeneffizient präsentierte. Interessant war auch das Konzept des Beddingcleaners aus den Niederlanden, der den Kot täglich aus der Einstreu siebt und somit Emissionen reduziert, Einstreu einspart und ein Maximum an Tierwohl sicherstelle.
Um die Emissionen aus der Milchviehhaltung nachhaltig zu reduzieren, müssten Praxis, Wissenschaft, Politik und Industrie zusammenarbeiten. Nur so lassen sich Lösungen entwickeln und in den Praxisalltag integrieren, die auf die Milchviehhaltung zugeschnitten sind: nachhaltig, innovativ und wirtschaftlich.
Zukunftsorientiertes Bauen, Nachhaltigkeit und Digitalisierung bilden den Fokus für die Modernisierung der Düsser Lehrwerkstätten. Die aktuellen Planungen wurden vorgestellt und diskutiert.
Andreas Pelzer und Kathrin Asseburg,
Landwirtschaftskammer NRW
Traditionell präsentierten auch in diesem Jahr junge Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse und innovative Forschungsansätze zur Reduzierung von Emissionen in der Landwirtschaft.
Ein großer Anteil der Emissionen entsteht bekanntermaßen bei der Lagerung der Gülle. Durch das Zusammentreffen von Kot und Urin entsteht Ammoniak. Um diese Emissionen zu verringern, beschäftigt sich die Forschung aktuell intensiv mit der Behandlung von Gülle. Eine Möglichkeit ist die Ansäuerung, wodurch der pH-Wert der Gülle gesenkt und die Ausgasungen reduziert werden. Weiter können Additive, Inhibitoren oder mikrobielle Zusätze zur Gülle gegeben werden, die Ammoniakemissionen reduzieren können. Das Landesamt für Landwirtschaft aus Bayern hat eine Messstation entwickelt, mit der die Wirkung der verschiedenen Zusätze genau untersucht werden kann.
Eine weitere Möglichkeit stellt die Kot-Harn-Trennung dar. Durch die Kuhtoilette wird der Urin direkt an der Kuh aufgefangen und somit der Kontakt zum Kot verhindert wird. Das Urinal stimuliert einen natürlichen Reiz, der die Kuh zum Urinieren motiviert. Der Urin wird direkt aufgefangen und abgepumpt. Vor der Urinabgabe erhält die Kuh Kraftfutter in der Station. Die Frage, ob die Kuh in dieser Situation Stress hat, konnte verneint werden.