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Kartoffeln für die Kuh?

04.11.2022

Aus der Ernte 2022 sind vermutlich verschiedentlich Futterkartoffeln zu erhalten. Der von Trockenheit geprägte Sommer ließ zwar wenig Krautfäule zu, sodass die Kartoffeln besonders stärkereich und teilweise sogar zu groß sind. Andererseits hatte die Trockenheit auch einen vermehrten Befall mit Drahtwurm zur Folge. Hinzu kommen Stoßschäden, die durch den hohen Stärkeanteil und Klutenanteil bei trockenen Rodebedingungen hervorgerufen werden. Dort, wo nicht beregnet werden konnte, können also größere Mengen nicht als Speisekartoffeln verwertet werden und als Futterkartoffeln zur Verfügung stehen.

Die aussortierten Kartoffeln aus den Lagern haben eine gute Qualität, wenn die Kartof­feln kühl gelagert und bestenfalls bei der Verladung gebürstet werden. Saubere, keimarme Kartoffeln bieten gute Voraussetzungen für die Verfütterung. Dieses ist jedoch erst Thema, wenn im kommenden Jahr zugekauft wird.

Bei erntefrischen Kartoffeln ist vor allem auf wenig Erdanhang und Fäulnis zu achten. Je nach Bodenverhältnissen und Erntetechnik sind die Kartoffeln sauber (Sandboden) oder mit Schmierboden behaftet (lehmiger Standort). In der Regel wird jedoch von den Anbauern auf eine saubere Ernte geachtet, um das Risiko von Fäulnis in den Lagern zu minimieren. Vorteilhaft ist es auch, wenn die Futterkartoffeln aus einer ersten Absortierung vor dem Einlagern der Speisekartoffeln stammen.

Ab wann wird es wirtschaftlich?

Kartoffeln sind reich an Energie, sie haben rund 8 MJ NEL/kg TM. Futterkartoffeln können die Energiekonzentration der Ration nennenswert er­höhen. Werden täglich zum Beispiel 6 kg Frischmasse Kartoffeln zusammen mit Anwelkgras je Kuh verfüttert, entspricht dieses ener­getisch einer Getreidemenge von 1,5 bis 2 kg Weizen. Aufgrund der Stärkemengen, insbesondere bei spätreifen Sorten, wird die Ener­gieversorgung am Darm deutlich verbessert mit der Folge von Milchleistungssteigerung und Anstieg des Milcheiweißgehalts. Insofern können die Kartoffeln ernährungsphysiologisch mit Körnermais verglichen werden, der preislich zurzeit noch sehr hoch notiert wird. Bei einem Einsatz von täg­lich 6 kg Kartoffeln je Kuh zu einem Preis von 5,50 €/dt (brutto), muss rechnerisch die tägliche Milchleistung nur um rund 1 kg/Kuh steigen, damit sich der Kartoffeleinsatz rentiert. Dabei ist die Grobfutterverdrängung und eventuelle Knappheit wegen Trockenheit noch nicht berücksichtigt.


Das ist zu beachten

Auch wenn die Fütterung von Kartoffeln rechnerisch attraktiv aussieht, so ist doch Folgendes zu überlegen:

  • Kartoffeln sollten in Rationen für Trockensteher gänzlich ausgelassen werden. Die energiereichen Kartoffeln lassen das Risiko des unerwünschten Aufflei­schens ansteigen, womit erhebliche Probleme des Stoffwechsels zu Laktationsbeginn verbunden sind. Wenn also auch die Trockensteher aus dem Silo für die laktierenden Kühe versorgt werden, so dürfen Kartoffeln nicht eingemischt werden. Hiervon ausgenommen ist die Anfütterungsphase im geburtsnahen Zeitraum.
  • Betriebe mit Silomaisanbau müssen noch intensiver das Einmischen von Kartoffeln ab­wägen. Mit dem Silomais steht eine Futterkomponente zur Verfügung, die in weiten Bereichen die gleiche Wirkung wie die Kartoffeln hat.
  • Wichtig ist ein kontinuierlicher Einsatz! Die Kuh muss sich (und ihre Vormägen) an die hohen Stärkemengen anpassen, insbesondere, wenn zuvor kein oder nur wenig Mais in der Ration enthalten war.
  • Kartoffeln stellen eine hohe Attraktivität für die Kühe auf dem Futtertisch dar. Die ständige Suche nach den besten Rationsbestandteilen führen zu zusätzlicher Unruhe in der Herde. Dies sollten vor allem Betriebe bedenken, die begrenzte Fressplätze haben und/oder mit behornten Kühen arbeiten. 

Unterschiede in den Chargen

Es ist jedoch zu beachten, dass die verfügbaren Kartoffeln sehr unterschiedlich sein können. Nur wenn die Kartoffeln sauber und intakt sind, können sie lose im Haufen gelagert werden. Bei bakteriellem Befall und offensichtlich faulen Stellen müssen die Kartoffeln auf jeden Fall siliert werden! Der Sauerstoffabschluss verhindert ein weiteres Wachstum der Fäulnisbakterien. Die Voraussetzung für eine gute Silierung ist jedoch die Verdichtung, die nur erreicht wird, wenn die Kartoffeln mit Gras- oder Maissilage einsiliert werden. Dort, wo dieses Jahr noch einmal Gras geschnitten werden konnte, wird wahrscheinlich nur wenig Masse zusammenkommen, die vielleicht auch nicht den gewünschten hohen Eiweißgehalt aufweisen wird.

Alternativ empfiehlt es sich, eine Mischsilage mit bereits durchsilerten Gras- und eventuell zusätzlich Maissilagen mit den Futterkartoffeln aufzusetzen. Damit könnte dann über den Winter sehr konstant gefüttert werden, bei einer gleichzeitigen Reduzierung des Aufwands für das tägliche Mischen. Dies bedingt aber einer Rationsberechnung.


Die Vorteile von Mischsilagen

     Das Aufsetzen einer Mischsilage bringt die Vorteile, dass:

  • die Schädlinge in den Kartoffeln gehemmt werden und ein weiterer Substanzverlust vermieden wird.
  • die Ration auch ohne Futtermischwagen den Winter über in konstanter Zusammensetzung vorgelegt wird.
  • die Silagen von mehreren Grasschnitten gleichzeitig eingesetzt werden können, wobei zur Fütterung nur eine Miete im Anschnitt ist und so ausreichend Vorschub einer Nacherwärmung entgegenwirkt.
  • auch Lohnunternehmer das Aufsetzen von Mischsilagen auf einer freien Siloplatte anbieten. An einem Tag können je nach Ausstattung etwa 50 Mischungen a 10 t Futter durchgeführt werden, also 500 t Mischsilage hergestellt werden. Bei 100 Kühen deckt das dem Futterbedarf für etwa 100 Tage. Die Kosten liegen bei etwa 180 € je Stunde, zuzüglich Diesel und Anfahrt. Gerundet auf insgesamt 3.000 € entspricht das Kosten von etwa 0,3 € pro Kuh und Tag oder 30 € täglich bei 100 Kühen. Wenn also durch die Mischsilage die Milchleistung nur um 1 kg pro Kuh und Tag steigt, ist diese bereits rentabel. Diese Berechnung variiert jedoch stark je nach Anfahrtskosten und Kuhzahl.
  • Auch Betriebe mit ausschließlich Rundballen können dieses Verfahren nutzen, soweit eine Siloplatte für die Mischsilage und eine geeignete Entnahmetechnik vorhanden sind.

     Zu berücksichtigen ist jedoch, dass

  • ein erneuter Trockenmasseverlust der Silagen während des zweiten Silierprozesses um etwa 8 % eintritt. Dies führt auch zu der Empfehlung, die Mischsilage mindestens zwei Wochen abgedeckt ruhen zu lassen, bevor der Haufen verfüttert wird.
  • nichts mehr an dem Verhältnis der einsilierten Komponenten verändert werden kann. Deshalb ist zuvor mit Analyseergebnissen eine Rationsplanung vorzunehmen. Sprechen Sie und dazu gerne an.
  • sich das Einsilieren nennenswerter Mengen von Kartoffeln vor allem für Betriebe anbietet, die auch im letz­ten Laktationsdrittel noch Milchleistungen über 18 kg/Kuh (im Mittel des Laktati­onsdrittels) erreichen. Kühe mit niedrigerer Milchleistung werden die Stärke der Kartoffeln vornehmlich in Körperansatz umwandeln. Hier besteht das Risiko einer Verfettung bei zu hohen Stärkemengen!

Einsilieren von Kartoffeln

Wer am Einsilieren der Kartoffeln interessiert ist, sollte folgende Hinweise be­achten:

  • Die Kartoffeln sollten möglichst sauber und frei von Fäulnis sein. Der Eintrag von Verschmutzungen und Fäulnis erschwert den Silierprozess und vermindert den Futterwert. Je größer der Befall der Kartoffeln ist, desto weniger sollten eingesetzt werden, um den Silierprozess nicht zu stören. Zudem besteht das Risiko einer Magen-Darm-Versandung.
  • Die Kartoffeln sollten vor der Anlieferung gebürstet sein, nicht nur zur Reinigung, sondern (im späteren Winter oder Frühjahr bei gelagerten Kartoffeln) auch zur Entfernung der Keime. Keime und grüne Kartoffeln werden in der Regel von den Kühen nicht gefressen, es gibt also Futterreste und Nährstoffverluste, und begünstigen wegen des Solaningehalts Verdauungsprobleme.
  • Die Kartoffeln sind in Schichten von maximal 10 bis 15 cm in das Silo einzubringen. Die Si­lage darf einen TS-Gehalt von 45 % nicht überschreiten, um eine gute Verdichtung zu ermöglichen. Im obersten Drittel des Silos sollten deshalb vorbeugend keine Kar­toffeln eingemischt werden.
  • Es sollten möglichst ganze Kartoffeln eingesetzt werden. Aus zerkleinerten rohen Kartoffeln tritt deutlich mehr Saft aus. Eine absorbierende Unterlage aus Heu oder Stroh beugt Gärsaftaustritt vor. Wichtig ist, dass von oben genug Gewicht für die Verdichtung sorgt. Auch trockene Melasseschnitzel oder Weizenkleie eignen sich hierfür, jedoch sind sie in großen Mengen nur schwer verfügbar. Für die Aufnahme durch die Kühe ist eine Zerkleinerung der Kartoffeln nicht erforderlich, da Schlundverstopfungen bei Kühen praktisch nicht zu beobachten sind – bei einem Tier-Fressplatzverhältnis von 1:1.
  • Mengenmäßig können 10 bis 15 % der Frischmasse, je nach Rationsgestaltung auch bis 20 %, an Kartoffeln mit einsiliert werden. Bezogen auf durchschnittliche Gra­serträge sind 25 t Kartoffeln mit mindestens 25 ha Grassilage - 7 bis 9 t Frischmasse je ha zum Beispiel beim ersten Schnitt - kombinier­bar.
  • Bei einsilierten Kartoffeln kann nichts mehr an dem Verhältnis der Komponenten verändert werden. Kartoffeln erhöhen eindeutig den Zwang, eiweißreiche Grassilage zu erzeugen, damit die Pansenbakterien aktiv bleiben. Tritt durch die Kartoffeln im Verhältnis zur Energieversorgung ein Eiweißmangel auf, ist dafür ein Ausgleich einzurechnen, beispielsweise in Form von Ackerbohnenschrot. Die richtige Menge orientiert sich dabei an dem Eiweißgehalt der Silage und der Einsatzmenge der Kartoffeln. Ob die beschriebenen maximalen Einsatzmengen ausgereizt werden können, richtet sich nach den Qualitäten und den Anteilen der verschiedenen Silagen und der Kartoffeln laut Rationsplanung. Dabei sind wir Ihnen gerne behilflich!

Judith Stratbücker,

Landwirtschaftskammer NRW

Weitere Informationen

Judith Stratbücker
Fachbereich 53 — Ökologischer Land- und Gartenbau

Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Düsse
Kreisstelle Soest
Ostinghausen, 59505 Bad Sassendorf
Tel.: 02945 - 989-553
Fax: 02945 - 989-533
Mobil: 0151 5060 6206
E-Mail: Judith.Stratbücker@lwk.nrw.de

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