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Stall 4.0 auf der Milchviehtagung 2.0

08.12.2022

„Das Bestechende am Energie-Plus-Stall ist, dass er fast die gesamte auf dem Hof benötigte Energie bereitstellt. Bei Strom liegt unsere Eigenversorgung bei 96 bis 97 %, eng wird’s nur, wenn die Photovoltaikanlage nicht arbeiten kann, weil es schneit“, berichtete Franz Demmel, Landwirt aus Königsdorf-Schönrain in Bayern, auf den Düsser Öko-Milchviehtagen über die Vorteile des auch als Stall 4.0 bekannten Systems.

Gemeinsam mit der Technischen Universität München (TUM) plante Franz Demmel, Eigentümer des Huabahofs, den Neubau des Milchviehstalls, der 2020 von 90 Fleckvieh-Milchkühen bezogen wurde. Das Dach ist mit einer Photovoltaikanlage (PV) ausgerüstet, ebenso die Dachfläche eines weiteren Wirtschaftsgebäudes, wobei die Leistung bei 140 beziehungsweise 75 kWp liegt. Die Ansprüche an den Stall waren hoch, erläuterte Prof. Dr. Hans Bernhardt von der TUM. „Klimaschutz, Tierschutz und das Produzieren von regenerativer Energie waren die Prämissen. Fossile Energieträger sollten soweit wie möglich durch Strom aus der Photovoltaikanlage ersetzt werden.“

Selbstversorger in Sachen Energie

Heute können der praktische Landwirt und die innovativen Köpfe der TUM sagen, dass ihr hehres Ziel erreicht ist. Der Betrieb ist fast vollständig elektrifiziert, vom Hoftrac über den 100 kW-Schlepper bis hin zum Futteranschieber, Spaltenreiniger und den E-Betriebsautos, um die wichtigsten Energieabnehmer zu nennen. Die Elektrifizierung war Voraussetzung, um den aus der PV-Anlage anfallenden Strom optimal nutzen und mithilfe der Batterien in den verschiedenen Maschinen auch speichern zu können.

Zentraler Baustein des fast energieautarken Milchviehbetriebs ist das Energie-management-System, kurz EMS, als computergesteuerte Schaltstelle. Hier sind die Verbrauchsdaten jedes Stromabnehmers hinterlegt, und zwar inklusive der energieintensiven Startphase der einzelnen Motoren, ihrer Einsatzzeiten und ihrer Priorität. Demmel ging ins Detail: „Der Melkroboter besitzt oberste Priorität, er muss jederzeit einsatzbereit sein. Anders das Güllerührsystem. Es hat eine niedrigere Prio, die aber mit der Zeit ansteigt und zur hohen Prio wird, damit die Gülle rechtzeitig gerührt wird. Hier entscheidet das EMS, wer wann mit Laden dran ist“. Ebenso verhalte es sich mit dem Futtermischwagen. Er müsse morgens und abends seinen Dienst tun, das bedeute, dass er mittags zur Zeit der höchsten Sonneneinstrahlung und damit höchsten Stromproduktion optimal geladen werden könne. Auch hier steige die Prio, wenn es auf 17 Uhr und damit auf die Fütterungszeit zugehe. Energie, die nicht unmittelbar zum Laden von Batterien notwendig ist, wird gespeichert – und zwar bevorzugt in den augenblicklich nicht benötigten Batterie-Aggregaten.

Plus für die Bevölkerung

Um auch an Tagen mit weniger Sonne genügend Energie produzieren zu können, wurde die PV bewusst überdimensioniert. Und das aus mehrerlei Gründen: Zum einen geht es darum, vorhandene Energie zu „lagern“, bis sie benötigt wird, zum anderen wird alle über den Bedarf des Hofes hinaus vorhandene Energie ins öffentliche Netz eingespeist. Prof. Bernhardt und Franz Demmel betonten, dass die Landwirtschaft in weitaus größerem Maße als bisher gedacht zur Sicherung des Energiebedarfs der Bevölkerung fähig sei. Denkbar seien als Modell Zusammenschlüsse von mehreren Höfen oder Lohnunternehmern, die breite Teile der Bevölkerung mit regenerativen Energie versorgten. Beide Referenten sahen hier eine Perspektive für ein zweites Standbein vieler landwirtschaftlicher Betriebe und den enormen Imagegewinn der Landwirtschaft bei den Verbrauchern. „Selbst ein Blackout ließe sich mithilfe der Landwirtschaft als Produzent regenerativer Energie vermeiden“, schwächte Bernhardt die oft geschürte Angst vieler Verbraucher, stromlos im Dunklen zu sitzen. Leider fänden solche Energiesicherungssysteme bisherwenig Zustimmung in der Politik. Diese blockiere in vielen Fällen den weiteren Ausbau regenerativer Energien in der Landwirtschaft durch behördliche Vorgaben.

Wasserstoff – der Stoff der Zukunft

Der Huabahof von Franz Demmel ist energetisch noch nicht ausgereizt. Weitere Überlegungen gehen in Richtung Biogasanlage und Windkraft, aber noch zielgerichteter in die Erzeugung von Grünem Wasserstoff, der in Zukunft nach Meinung des Wissenschaftlers der TUM mehr und mehr Motoren antreiben wird. Dieser Wasserstoff könne mit dem Strom erzeugt werden, der in Spitzenzeiten wie des Mittags anfalle und nicht zum Betreiben von Akkus benötigt werde. Erste Traktorenhersteller arbeiteten bereits recht erfolgreich an Prototypen.

Nicht nur die beiden Referenten, auch die Zuhörer brachten mit ihren Fragen zur Nutzung von regenerativen Energien auf dem Hof und durch die Bevölkerung viele neue Impulse ins Gespräch. Prof. Heinz Bernhardt resümierte: „Die Landwirte wären zur Energielieferung fähig und bereit, bei der Umsetzung ist jetzt die politische Ebene gefragt.“        

Maria Forstreuter-Wick,

LZ Rheinland    

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