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Bedeutung des Gewichts der Weidekuh für die Effizienz der Milchproduktion

17.12.2020
  • Kleinere Kühe sind unter Vollweidebedingungen futtereffizient - mehr Milch aus gleicher Energiemenge.
  • Größere Kühe haben eine geringere Futtereffizienz, vor allem, weil sie bei höheren Leistungen die erforderliche Futtermenge auf der Weide nicht aufnehmen können.

Vor dem Hintergrund des Klimawandels und unsicherer Futtervorräte stellt sich die Frage nach der Futtereffizienz: Wie viel Milch wird aus dem Futter produziert? Im Folgenden wird mit Berechnungen und Ergebnissen von wissenschaftlichen Untersuchungen diese Frage an Hand von Beispielen beantwortet.

Beispiel 1:

Annahmen:

Umtriebsweide; Vergleich einer Kuh mit 450 kg Lebendgewicht (LG) und 20 kg Milch/Tag mit einer Kuh mit 650 kg LG bei gleicher Produktionsintensität (iP);
(iP = NEL-Aufnahme total / NEL-Erhaltung) = Definition für die Effizienz

Gewicht
 kg

Erhaltungs-bedarf
MJ NEL/Tag

Milchpro-duktion kg/Tag

Energiein-
halt Milch
MJ NEL

NEL-Bedarf total MJ

iP   Produkt-
ionsinten-sität

notwendiger TS-Verzehr kg pro Tag*

450

28.6

20,0

62.8

91.4

3.19

14.5

650

37.7

26.4

82.8

120.5

3.19

19.1

*Annahme: NEL-Gehalt des Weidegrases: 6.3 MJ/kg TS (entspricht dem durchschnittlichen NEL-Gehalt auf Umtriebsweide)

Interpretation:

Ausgangspunkt ist eine Kuh mit 450 kg Gewicht, die 20 kg Milch pro Tag produziert und ausschliesslich Weidegras frisst. Wenn eine Kuh mit 650 kg Gewicht gleich effizient sein will, so muss sie 26.4 kg Milch pro Tag produzieren. Unter der Annahme, dass das Weidegras einen Energiegehalt von 6.3 MJ NEL/kg TS hat, muss die kleine Kuh 14.5 kg TS/Tag fressen, um den Bedarf zu decken, während die grössere Kuh 19.1 kg TS Weidegras pro Tag fressen muss, um gleich effizient zu sein.

Ergebnisse von verschiedenen wissenschaftlichen Untersuchungen zur TS-Aufnahme (TS= Trockensubstanz) von Weidekühen zeigen, dass das Verzehrsvermögen begrenzt ist, da pro Abriss- Bewegung von Gras mit der Zunge nur wenige Gramm TS aufgenommen werden und im Laufe des Tages die Kaumuskulatur erschlafft, was die Weidezeit pro 24 h begrenzt. Im Durchschnitt liegt die Grenze des möglichen Tagesverzehrs bei maximal rund 17.5 kg TS/Tag. Die Grösse der Kuh spielt dabei eine untergeordnete Rolle. In unserm Beispiel müssen wir davon ausgehen, dass die Kuh mit 650 kg Gewicht weniger als die berechneten 19.1 kg Futter aufnehmen kann und somit ihren Bedarf nicht decken kann, oder, dass sie weniger Milch produziert oder dass sie Körperreserven mobilisiert.

Beispiel 2:

Annahmen:

Umtriebsweide; Vergleich einer Kuh mit 450 kg LG und 25 kg Milch/Tag mit einer Kuh mit 650 kg LG bei gleicher Produktionsintensität (iP)

Gewicht
 kg

Erhaltungsbedarf
MJ NEL/Tag

Milchproduktion kg/Tag

Energieinhalt Milch
MJ NEL

NEL-Bedarf total MJ

iP   Produktions-intensität

notwendiger TS-Verzehr kg pro Tag*

450

28.6

25,0

78.5

107.0

3.74

17.0

650

37.7

32.9

103.3

141.0

3.74

22.4

*Annahme: NEL-Gehalt des Weidegrases: 6.3 MJ/kg TS; (iP = NEL-Aufnahme total / NEL-Erhaltung) = Definition für die Effizienz

Interpretation: 

Es ist fraglich, ob die 450 kg Kuh in der Lage ist, 17.0 kg TS Weidegras pro Tag aufzunehmen. Aber es ist klar, dass die 650 kg Kuh keine 22.4 kg TS Weidegras pro Tag aufnehmen kann. Würde die 650 kg Kuh im Stall gehalten und erhielte eine Totalmischration (inklusive Kraftfutter), dann wäre ein Verzehr von 22.4 kg TS/Tag durchaus möglich. Dies ist sowohl in der Wissenschaft wie auch in der Praxis bewiesen worden. Das zeigt, dass wir bei Stallhaltung und Fütterung einer Totalmischration Kühe mit anderen Eigenschaften benötigen als bei Weidehaltung. Eine gezielte Zucht für verschiedene Produktionsrichtungen ist deshalb sinnvoll.

Da es in der IG-Weidemilch (Interessensgemeinschaft Weidemilch (www.weidemilch.ch)) nur wenige Betriebe gibt, deren Kühe im Herden-Durchschnitt 450 kg schwer sind (es müsste eine reine Jersey Herde sein), aber relativ viele, die im Herden-Durchschnitt 500 kg schwer sind, ist hier noch ein Vergleich von 500 kg schweren Kühen mit 650 kg schweren Kühen dargestellt ebenfalls bei 20 und 25 kg Milchleistung pro Tag (Beispiele 3 + 4).

Beispiel 3:

Annahmen:

Umtriebsweide; Vergleich einer Kuh mit 500 kg LG und 20 kg Milch/Tag mit einer Kuh mit 650 kg LG bei gleicher Produktionsintensität (iP)

Gewicht
 kg

Erhaltungsbedarf
MJ NEL/Tag

Milchproduktion kg/Tag

Energieinhalt Milch
MJ NEL

NEL-Bedarf total MJ

iP   Produktions-intensität

notwendiger TS-Verzehr kg pro Tag*

500

31.0

20,0

62.8

93.8

3.03

14.9

650

37.7

24.4

76.5

114.2

3.03

18.1

*Annahme: NEL-Gehalt des Weidegrases: 6.3 MJ/kg TS; (iP = NEL-Aufnahme total / NEL-Erhaltung) = Definition für die Effizienz

Interpretation:

Es ist sicher, dass die kleine Kuh (500 kg LG) pro Tag 14.9 kg TS Weidegras aufnehmen kann. Und gleichzeitig ist es unwahrscheinlich, dass die 650 kg schwere Kuh 18.1 kg Gras TS pro Tag fressen kann. Das heisst, die kleinere Kuh ist effizienter und deshalb besser für die Vollweide geeignet als die grössere.

Da Weidekühe im Frühling meist mehr als 20 kg Milch pro Tag produzieren, ist im Beispiel 4 die gleiche Berechnung für eine Tagesleistung von 25 kg Milch dargestellt.

Beispiel 4:

Annahmen:

Umtriebsweide; Vergleich einer Kuh mit 500 kg LG und 25 kg Milch/Tag mit einer Kuh mit 650 kg LG bei gleicher Produktionsintensität (iP)

Gewicht
 kg

Erhaltungsbedarf
MJ NEL/Tag

Milchproduktion kg/Tag

Energieinhalt Milch
MJ NEL

NEL-Bedarf total MJ

iP   Produktions-intensität

notwendiger TS-Verzehr kg pro Tag*

500

31.0

25,0

78.5

109.5

3.53

17.4

650

37.7

30.4

95.5

133.2

3.53

21.1

*Annahme: NEL-Gehalt des Weidegrases: 6.3 MJ/kg TS; (iP = NEL-Aufnahme total / NEL-Erhaltung) = Definition für die Effizienz

Interpretation:

Wie bereits erwähnt, zeigen Verzehrsmessungen, dass Kühe bei Vollweide rund 17.5 kg TS Weidegras pro Tag aufnehmen können. Die Berechnung im Beispiel 4 zeigt, dass diese maximale Verzehrsgrenze bei einer Kuh mit 500 kg Gewicht und einer Tagesleistung von 25 kg Milch gerade erreicht wird. Um gleich effizient zu sein wie eine 500 kg schwere Kuh, müsste die 650 kg schwere Kuh pro Tag 21.1. kg TS Weidegras aufnehmen, was sehr unwahrscheinlich ist. Dies zeigt ein weiteres Mal, dass kleinere Kühe bei ausschliesslicher Weidegrasfütterung effizienter sind als grössere Kühe.

Kurzrasenweide:

Es gibt Betriebsleiter/innen, die ihre Kühe auf Kurzrasen weiden lassen. In diesem Fall geht man von einem höheren Energiegehalt des aufgenommenen Weidegrases aus als bei einer Umtriebsweide. Allerdings gibt es dazu wenig wissenschaftlich exakt erhobene Analysenergebnisse. In unserm Beispiel (5) gehen wir aus von einem Energiegehalt von 7.5 MJ NEL/kg TS im Frühling und von 7.0 MJ NEL/kg TS im Sommer.

Beispiel 5:

Annahmen:

Kurzrasenweide; Vergleich einer Kuh mit 500 kg LG und 25 kg Milch/Tag mit einer Kuh mit 650 kg LG bei gleicher Produktionsintensität (iP)

LG
 kg

Erhaltungsbedarf
MJ NEL/Tag

Milchproduktion kg/Tag

Energieinhalt Milch
MJ NEL

NEL-Bedarf total MJ

iP   Produktions-intensität

Gras 7.5 MJ notwendiger TS-Verzehr kg pro Tag

Gras 7.0 MJ notwendiger TS-Verzehr kg pro Tag

500

31.0

25,0

78.5

109.5

3.53

14.6

15.6

650

37.7

30.4

95.5

133.2

3.53

17.8

19.0

*Annahme: NEL-Gehalt des Weidegrases: 7,5 MJ/kg TS im Frühjahr, 7 MJ NEL/kg T im übrigen Weidejahr

Interpretation:

Die notwendige TS-Aufnahme einer 500 kg schweren Kuh mit einer Tagesmilchleistung von 25 kg sinkt mit steigendem Energiegehalt des Grases. Bei einem NEL-Gehalt von 6.3 MJ (Umtriebsweide, Bsp. 4) muss sie 17.4 kg aufnehmen, bei einem Gehalt von 7.0 MJ noch 15.6 (Bsp. 5) und bei 7.5 MJ nur noch 14.6 kg TS pro Tag (beides Kurzrasenweide).

Wie hoch der maximale TS-Verzehr auf Kurzrasenweide ist, ist unseres Wissens nicht untersucht worden, da in Ländern, in welchen zur Milchproduktion auf Vollweide geforscht wird (Irland, England, Neuseeland, Frankreich, Schweiz), die Umtriebsweide der Standard ist. Klar ersichtlich ist, dass auch bei einem höheren Energiegehalt des Weidegrases auf der Kurzrasenweide die schwerere Kuh (650 kg LG) nicht genügend Futter aufnehmen kann, um gleich effizient zu sein wie die kleinere Kuh mit 500 kg LG.

Gewicht der Kuh und Fleischleistung

Um das Vollweide-Produktionssystem ganzheitlich bewerten zu können, muss neben der Effizienz, mit der die Milch produziert wird, auch die Menge und Qualität des produzierten Fleisches (abgehende Kühe und verkaufte Kälber bzw. Mastrinder) berücksichtigt werden. Nur dann kann beurteilt werden, ob kleinere im Vergleich zu grösseren Kühen aus betriebswirtschaftlicher Sicht interessant sind. Dazu werden in einem der nächsten Rundschreiben Ergebnisse, Meinungen, Strategien und Erfahrungen von Landwirten beschrieben.

Autoren: Peter Kunz, Allmendingen (Schweiz) und Edmund Leisen, Ökoteam der LWK NRW, Münster, 21. November 2020

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