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Lohnt sich die ammengebundene Aufzucht von Mastkälbern?

23.08.2021

Verbraucher hinterfragen zunehmend die Herkunft und Erzeugung ihrer Lebensmittel. Das betrifft auch die Trennung von Kuh und Kalb in der Milchviehhaltung, die beim Konsumenten auf wenig Verständnis stößt. Eine Alternative könnte die ammengebundene Aufzucht der Kälber sein. Doch wie sinnvoll ist diese – vor allem aus wirtschaftlichen Aspekten?  

Wenngleich die Gründe, warum Kuh und Kalb frühzeitig nach der Geburt voneinander getrennt werden, nach einer Erläuterung häufig auch rational vom Verbraucher verstanden werden, findet ein Großteil die Trennung dennoch nicht gerechtfertigt. Auch unter den Milcherzeugern selbst wird vermehrt diskutiert, ob eine kuhgebundene Aufzucht auch Vorteile für den eigenen Betrieb bringt. Die Erwartungen dabei sind unter anderem eine Reduktion der Arbeitszeit, eine bessere Stoffwechselstabilität der frischmelken Mutter und eine verbesserte Kälbergesundheit. Dazu spielen gerade auch ethische Aspekte bei solchen Überlegungen auf dem (Bio-)Hof immer häufiger eine entscheidende Rolle. Nicht zuletzt geht es darum, auf die Wünsche der Kunden auf Betrieben mit einer Direktvermarktung einzugehen.

Fehlende Honorierung

Bei der wirtschaftlichen Betrachtung der kuhgebundenen Aufzucht zeichnet sich ab, dass eine geringere lieferbare Milchmenge den Erlös aus dem Milchverkauf deutlich vermindert. Um aus wirtschaftlicher Perspektive diesen Mindererlös allein über den Milchverkauf wieder auszugleichen, wäre nach diesen Kalkulationen ein Mehrerlös von 7 bis 9 Cent / kg ECM erforderlich. Seitens der Molkerei wird die Aufzuchtform jedoch aktuell nicht monetär honoriert. Eine Möglichkeit zur Deckung der Kosten wird deshalb häufig in der Direktvermarktung von Milch oder Rindfleisch gesehen.

Hinzu kommt der Konflikt, dass Kälber, die nicht der eigenen Bestandsergänzung dienen, die Betriebe üblicherweise im Alter von zwei Wochen verlassen. Die Aufzucht dieser Kälber durch eine Kuh ist problematisch, weil

  • der Trennungsstress nach dieser Bindungszeit besonders hoch ist. Er äußert sich bei den Kühen in einem Rückgang der Futteraufnahme und Milchleistung sowie Unruhe in der ganzen Herde.
  • die Eingewöhnung der Kälber in das Haltungssystem des Mästers deutlich problematischer ist.

In der Konsequenz können also entweder ausschließlich die Nachzuchtkälber kuhgebunden aufgezogen werden, was bei einer ethischen Motivation zu dieser Aufzuchtform nur wenig zufriedenstellend sein kann, oder die Bullen- und Kreuzungskälber verbleiben ebenfalls bis zum Absetzen bei den Kühen oder Ammen. Die kostendeckende Vermarktung der nicht für die eigene Bestandsergänzung benötigten Kälber nach einer so teuren Aufzucht stellt jedoch eine besondere Herausforderung dar.

Werden dennoch alle Kälber im Betrieb mutter- oder ammengebunden aufgezogen, so müssen über den Verkauf der aufgezogenen Kälber die Kosten und der Mindererlös bei der Milch der kuhgebundenen Aufzucht ausgeglichen werden. Diese Möglichkeit kann die Vermarktung von Kalbfleisch direkt vom Hof oder eine Rindfleischvermarktung in Kooperation mit einem Mäster bieten.

Die Kosten im Blick

Die Aufzucht mehrerer Kälber durch Ammen ist generell kostengünstiger als von einzelnen Kälbern durch die eigene Mutterkuh. Bei säugenden Kühen reduziert sich die vermarktungsfähige Milchmenge zusätzlich über die vom Kalb aufgenommene Menge hinaus, da die Kühe im Melkstand die Milch teilweise (für das Kalb) zurückhalten. Hierbei ist bei einer dreimonatigen Tränkephase mit Verlusten von 1 000 kg bis 1 200 kg Milch zu rechnen. Zum Vergleich: Bei der Aufzucht über den Nuckeleimer mit 8 kg pro Tag werden 750 kg Milch an das Kalb vertränkt. Der Milchertrag ist also maximal, wenn die Kühe im Betrieb entweder zu 100% gemolken werden oder zu 100% Kälber tränken. Bei Mischsystemen ist immer mit einem zusätzlichen Milchverlust zu rechnen. In Praxisbetrieben hat sich gezeigt, dass dieses Problem insbesondere bei Erstlaktierenden auftritt und sich einige der Kalbinnen auch nach dem Absetzten des Kalbes nicht Melken lassen. Dies kann zu zusätzlichen Abgängen und wirtschaftlichen Verlusten führen.

Die Trennung und Zusammenführung von Kühen und Kälbern zu Melkzeiten oder Kontaktzeiten bedeutet einen zusätzlichen Arbeitszeitbedarf, wenn auch systembedingt teilweise geringfügig im Vergleich zur Ammenhaltung.

Möglichkeiten und Herausforderungen

Ob die kuhgebundene Aufzucht aus diesen Gründen gegenüber der herkömmlichen Kälberaufzucht zu bevorzugen ist, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Fest steht aber, dass die Aufzuchtform für die Verbraucher mehr und mehr in die Kaufentscheidung mit einbezogen wird. Wenn man als Landwirt auf die Kundenwünsche eingehen und sich diesem Trend anpassen möchte, so bieten sich neue Möglichkeiten, aber auch Herausforderungen, die im Folgenden aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht erläutert werden.  

Bei der wirtschaftlichen Betrachtung der kuhgebundenen Aufzucht zeichnet sich durch die geringere lieferbare Milchmenge ein deutlich verminderter Erlös ab. Um aus wirtschaftlicher Perspektive diesen Mindererlös allein über den Milchverkauf wieder auszugleichen, wäre nach diesen Kalkulationen ein Mehrerlös von 7 bis 9 Cent / kg ECM erforderlich. Eine Möglichkeit zur Deckung der Kosten wird deshalb häufig in der Direktvermarktung von Milch oder aber auch von Rindfleisch gesehen.

Hinzu kommt der Konflikt, dass Kälber, die nicht der eigenen Bestandsergänzung dienen, die Betriebe üblicherweise im Alter von zwei Wochen verlassen und deshalb trotzdem in dem herkömmlichen System aufgezogen werden müssen. Werden dennoch alle Kälber im Betrieb mutter- oder ammengebunden aufgezogen, so müssen auch die nicht zur Bestandsergänzung bestimmten Kälber länger im Betrieb bleiben und über den Verkauf dieser die Kosten und der Mindererlös bei der Milch ausgeglichen werden. Im Folgenden wird deshalb beispielhaft die Vermarktung von Kalbfleisch direkt vom Hof und eine Rindfleischvermarktung in Kooperation mit einem Mäster aus betriebswirtschaftlicher Sicht betrachtet.

In den Tabellen 1 a und b sind die Kosten für eine siebenmonatige Mast von drei Kälbern je Amme dargestellt. Grundlage sind die Kosten je Kuh inklusive Färsenaufzucht im Jahr nach den Durchschnittszahlen der BZA 2019/20 (Tabelle 1a, €/Kuh und Jahr). Diese Jahreskosten wurden auf den siebenmonatigen Zeitraum der Aufzucht umgerechnet (Tabelle 1b, €/Kuh und Mastdurchgang). In Tabellenteil b wurden die Kosten entsprechend der Unterschiede zwischen den beiden Verfahren Milchkuh- und Ammenkuhhaltung abgewandelt (€ / Amme plus drei Kälber sieben Monate).

Die vorgestellten Kalkulationen orientieren sich an Durchschnittsergebnissen. Betriebsindividuell kann es zu starken Abweichungen der Kosten und Leistungen kommen, unter anderem durch die Faktoren wie die Genetik der Kälber, bauliche Maßnahmen und die Vermarktungskosten.

Bei den Leistungen fallen der Erlös aus dem Verkauf von Milch und Kalb weg, sodass hier nur der Altkuherlös stehen bleibt. Zu den Kosten kommt zusätzlich der (innerbetriebliche) Zukauf von zwei Mastkälbern. Die Kosten für Personal und Maschinen sind vor allem durch den Wegfall des Melkens deutlich verringert. Die Gebäudekosten sind für jeden Betrieb sehr unterschiedlich einzuschätzen und hängen davon ab, inwiefern Um- und Neubauten erforderlich sind oder Altgebäude genutzt werden können.

Negatives Saldo

Als Ergebnis steht ein Saldo von -1 994 € für eine Amme mit drei Kälbern je siebenmonatiger Aufzuchtphase. Je Kalb entspricht das einem Verlust von 665 €. Bei einem Lebendmassezuwachs von 170 kg (TGZ rund 840 g/Tag) betragen die Kosten allein für die Aufzucht 3,91 € / kg Zuwachs (665 € / 170 kg). Bezogen auf die Aufzuchtdauer von 210 Tagen betragen die täglichen Kosten 3,17 € / Kalb.

Hinzu kommen Kosten für Schlachtung und Vermarktung. Das Ergebnis von -1 565 € je Kalb entspricht dem Mindesterlös, der aus dem Verkauf des Kalbfleisches zu erzielen ist. Bei einer Lebendmasse von 220 kg am Mastende (170 kg LMZ + 50 kg Geburtsgewicht) oder einem Schlachtgewicht von 140 kg bedeutet das einen Zielerlös von mindestens 11,20 € / kg Fleisch. Inklusive Vermarktung betragen die täglichen Aufzuchtkosten 7,45 € / Kalb.

Alternativ zur Vermarkung als Kalbfleisch können die abgesetzten Kälber nach der Aufzuchtphase an einen Mäster „frei Hof“ weiterverkauft werden. Die Kosten für Schlachtung und Vermarktung wären in dem Fall zu streichen. Demnach könnten die Kälber nach sieben Monaten für rund 700 €/Kalb kostendeckend verkauft werden. Bei einer angenommenen Weitermast der Tiere durch den Mäster bis zu einem Alter von etwa 24 Monaten (17 Monate beim Mäster), steigt das Kälbergewicht von 220 kg nach sieben Monaten auf 650 kg nach 24 Monaten (TGZ rund 840 g). Bei einer Ausschlachtung von 62 % ergibt sich ein Schlachtgewicht von 400 kg.

Wird das Masttier am Ende auf klassischem Weg an einen Schlachthof verkauft, ergibt sich mit einem Bruttopreis von 4,98 € / kg SG (4,5 € / kg SG netto, R-Notierung) ein Markterlös von 2 000 €. Nach Abzug der Kosten für den Zukauf von 700 € dürften die Erzeugungskosten für den Mäster maximal 1 300 € über 17 Monate (2,55 €/Tag) betragen, um kostendeckend zu produzieren, wenn keine Direktvermarktung erfolgt.

Judith Stratbücker,

Landwirtschaftskammer NRW

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