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Die Vollkosten der Bio-Milcherzeugung

24.01.2022

Der Bio-Milchpreis ist seit vielen Jahren stabil auf einem Niveau, das deutlich über dem des konventionellen Milchpreises liegt. Im Schnitt wurden in den vergangenen fünf Jahren 48 Cent pro kg ECM (netto) an die Milchviehbetriebe ausbezahlt, wobei der Preis im Süden um 1,4 Cent pro kg ECM höher war als im Norden und der Mitte. Der konventionelle Milchpreis lag bei durchschnittlich 33 Cent pro kg ECM, die Differenz betrug also 16 Cent pro kg ECM. Dennoch gelingt es laut einer bundesweiten Auswertung den meisten Bio-Milchviehbetrieben wegen steigender Kosten nicht, ihre Vollkosten zu decken.

Die in der Grafik zusammengefasste Auswertung umfasst 63 Betriebe aus dem gesamten Bundesgebiet und zeigt angesichts der kleinen Stichprobe eher Tendenzen als absolute und statistisch abgesicherte Ergebnisse auf. In den Vollkosten ist die Entlohnung der nicht entlohnten Familienarbeitskraft (20,60 €o/h), des eingesetzten Kapitals und der eigenen landwirtschaftlichen Nutzfläche berücksichtigt. Alle Ergebnisse der Vollkostenauswertung sind als Brutto-Werte bezogen auf das erzeugte kg Milch (energiekorrigiert) angegeben.

Mangelnde Kostendeckung

Im bundesweiten Durchschnitt des Wirtschaftsjahrs 2019/2020 liegen die Vollkosten für die Bio-Milchviehhaltung bei 71 Cent pro kg ECM (brutto), darin enthalten ist das eigene Grundfutter zu Vollkosten. Dem gegenüber stehen Leistungen in Höhe von 59 Cent pro kg ECM (brutto) - ohne entkoppelte Betriebsprämie und ohne Bewertung des Wirtschaftsdüngers. Daraus ergibt sich eine Unterdeckung von 12 Cent pro kg ECM (brutto). Bei Berücksichtigung der entkoppelten Betriebsprämie (4,7 Cent pro kg ECM) liegt das Ergebnis bei 7 Cent pro kg ECM Unterdeckung.

Die Spanne in den Vollkosten (ohne Betriebsprämie) zwischen den betriebswirtschaftlich erfolgreichen und weniger erfolgreichen Betrieben beträgt dabei 24 Cent pro kg ECM, wobei auch die Gruppe der wirtschaftlich erfolgreichen Betriebe keine Vollkostendeckung erreicht. Für die Betriebe bedeutet das ganz konkret: Keine vollständige bis gar keine Entlohnung der nicht entlohnten Familienarbeitskräfte, des eingesetzten Kapitals und der eigenen landwirtschaftlichen Nutzfläche. In Einzelfällen bedeutet es sogar keine Deckung der Kosten laut Gewinn- und Verlustrechnung.

Auch die konventionellen Betriebe können ihre Vollkosten für die Milcherzeugung im Durchschnitt nicht decken, zeigen die Veröffentlichungen der Landwirtschaftskammern in Schleswig-Holstein und Niedersachsen und der Landesanstalt für Landwirtschaft in Schwäbisch Gmünd. Ohne Berücksichtigung der entkoppelten Betriebsprämie liegt die Differenz – je nach Region – bei ungefähr 3 bis 4 Cent pro kg ECM (brutto), siehe auch dazu die Grafik.


Kostentreiber Futter und Arbeitserledigung

Knapp 50% der Produktionskosten (durchschnittlich 34 Cent pro kg ECM) entstehen durch Aufwendungen für Kraft-, Saft- und Grobfutter. Die Grobfutterkosten der betriebswirtschaftlich erfolgreichen Betriebe sind gut 11 Cent pro kg ECM geringer als die der weniger erfolgreichen Betriebe, das senkt damit die Produktionskosten insgesamt wesentlich.

Ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Futterkosten ist das Ertragsniveau: Bei ähnlichem Aufwand pro Hektar verteilen sich die Kosten bei einem höheren Flächenertrag auf mehr geerntetes Futter.

Auch bei den Arbeitserledigungskosten der Innenwirtschaft, wie für Personalaufwand, Lohnansatz und Maschinen, gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Betrieben. Das betriebswirtschaftlich weniger erfolgreiche Viertel gibt knapp 10 Cent pro kg ECM mehr für die Arbeitserledigung aus als das erfolgreiche Viertel. Betriebe mit einem höheren Personalaufwand und Lohnansatz geben häufig auch mehr Geld für Maschinen der Innenwirtschaft aus. Offensichtlich hilft die eingekaufte Technik bei diesen Betrieben nicht, um Arbeit einzusparen.

Nicht nur Milchleistung entscheidet über Erfolg

Zum erfolgreichen Viertel gehören Betriebe mit größeren Herden und einer höheren Milch- und Lebensleistung sowie Betriebe mit geringeren Tierverlusten und kürzeren Zwischenkalbezeiten, siehe Tabelle 1. Große Unterschiede gibt es auch bei der Produktivität: Die betriebswirtschaftlich erfolgreichen Betriebe produzieren 157 kg ECM pro eingesetzter Arbeitskraftstunde, bei einer Arbeitszeit pro Kuh und Jahr von 53 Stunden. In den Kosten pro kg ECM macht sich der unterschiedliche Arbeitszeitbedarf mit über 5 Cent Differenz zwischen den weniger erfolgreichen und erfolgreichen Betrieben bemerkbar.

Süddeutsche Betriebe produzieren günstiger

Die Auswertung nach Regionen ergibt, dass die Kosten der süddeutschen Betriebe niedriger waren als die der Betriebe in Mittel- und Norddeutschland. Das liegt zu einem wesentlichen Teil an geringeren Kosten für das Energie- und Grobfutter: Bei den süddeutschen Betrieben betragen die Futterkosten 30 Cent pro kg ECM, die Differenz zu Hessen/NRW beläuft sich auf 6,9 Cent, zu Niedersachsen auf 6,3 Cent und zu Schleswig-Holstein/Mecklenburg-Vorpommern auf 4,2 Cent. Wie bereits erwähnt, kommen die niedrigeren Futterkosten im Süden in erster Linie durch die höheren Erträge zustande. Ein Blick auf den Dürremonitor der Jahre 2018 und 2019 zeigt: Die Trockenheit war in Mittel- und Norddeutschland deutlich stärker ausgeprägt und hat für den Verbrauch der Futterreserven im Wirtschaftsjahr 2018/2019 und geringere Flächenerträge im Wirtschaftsjahr 2019/2020 gesorgt. Der regionale Vorteil des Südens ist folglich vor allem auf die Niederschlagsverteilung in den Jahren 2018 und 2019 zurückzuführen. Pro kg ECM werden in Bayern und Baden-Württemberg 202 g Energiefutter verfüttert, im bundesweiten Durschnitt sind es 239 g. In Niedersachsen ist der Aufwand mit 265 g am höchsten – auch das ist der schlechten Grundfuttersituation aufgrund der Trockenheit geschuldet.

Die höchste Milchleistung pro Kuh nach Region wird mit 7 372 kg ECM pro Kuh in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ermolken. In diesen Ländern sowie in Niedersachsen befinden sich außerdem die größten Milchviehbestände mit durchschnittlich 109 Kühen (Süden: 85 Kühe). Darüber hinaus ist bei den Betrieben dieser Länder der Anteil an den Personalkosten mit 30 % für Fremdarbeitskräfte am höchsten.


Günstige Silage und teure Weide

Der Flächenbedarf pro GV (Kühe mit Färsen) ist in Süddeutschland am geringsten (0,6 ha HFF pro GV), in Mitteldeutschland mit 0,9 ha HFF pro GV am höchsten und liegt im Bundesdurchschnitt bei 0,7 ha HFF pro GV. Im Umkehrschluss ist der Viehbesatz mit 1,7 GV pro ha HFF in Süddeutschland am höchsten und in Hessen und NRW mit 1,1 am niedrigsten, siehe Tabelle 2

Die Kosten pro Hektar (ohne die Bewertung der Dungkosten, nach gekoppelter und entkoppelter Prämie) für Grassilage (1 195 €/ha) und Maissilage (1 616 € (ha) sind in Süddeutschland im Vergleich zu den anderen Regionen nahezu durchschnittlich. Bei durchschnittlichen Kosten und hohen Erträgen sind die Kosten von 15 € pro dt TM Grassilage (gefressen) in Süddeutschland aber am niedrigsten (Bundesdurchschnitt 19 € pro dt TM). Auch Silomais wird in Süddeutschland von den Betrieben verhältnismäßig günstig produziert. Ausschlaggebend sind hier die niedrigen Flächenkosten und hohen Erträge. Die Produktionskosten liegen bei 12 € pro dt TM Maissilage (gefressen), der bundesweite Durchschnitt beträgt 18 € pro dt TM Maissilage. Mit 23 € pro dt TM sind die Kosten der niedersächsischen Betriebe am höchsten.

Weide erfordert Arbeitszeiteinsatz, vor allem in kleinstrukturierten Regionen. Ein erhöhter Aufwand für den Zaunbau, die Wasserversorgung und das Umtreiben der Tiere macht die Weide in Bayern und Baden-Württemberg mit 6 € pro dt TM und 278 € pro ha im Bundesvergleich am teuersten. Am günstigsten ist die Weide in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern (4 € pro dt TM, 200 € pro ha) – vermutlich aufgrund der günstigeren Strukturen sowie des höheren Weideanteils an der Gesamtration. Denn bei geringem Weideumfang bedeutet die Weide vor allem Mehrarbeit ohne Einsparung von Arbeitszeit für die Futtervorlage im Stall.

Steigender Bio-Milchpreis für nachhaltiges Wirtschaften

Es gelingt nur sehr wenigen Bio-Milchviehbetrieben, ihre Vollkosten zu decken. Einen großen Einfluss auf den betriebswirtschaftlichen Erfolg haben die Futter- und Arbeitserledigungskosten. Auch die bundesweit unterschiedlich ausgeprägte Trockenheit hatte im Wirtschaftsjahr 2019/2020 einen wesentlichen Einfluss auf die Kostenstruktur. Einerseits wirken sich die Betriebsgröße, Milchleistung und die Produktivität auf den Erfolg aus, andererseits schneiden die süddeutschen und eher kleinstrukturierten Betriebe in der Auswertung gut ab. Am Ende muss jeder einzelne Betrieb – unter Berücksichtigung aller Produktionsfaktoren – betrachtet und weiterentwickelt werden, denn es gibt nicht das perfekte Produktionssystem für alle Betriebe.

Fakt ist: Mit dem derzeitigen Bio-Milchpreis kann kaum ein Betrieb nachhaltig wirtschaften, sodass eine Steigerung des Milchpreises stattfinden muss. Und zwar Stand heute eine Erhöhung um mindestens 12 Cent pro kg ECM. Unter Berücksichtigung der entkoppelten Betriebsprämie von 5 Cent pro kg ECM beträgt der Mindestaufschlag 7 Cent pro kg ECM. Angesichts jährlich steigender Kosten wird dieser Betrag zukünftig aber nicht ausreichen.

Sören Binder, Dr. Otto Volling,

Bioland

Quellen

Datenerfassung und -bereitstellung: Bioland, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, Landwirtschaftskammer NRW, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)

Weitere Informationen

Engagement von Bioland

Bioland arbeitet kontinuierlich an der Verbesserung der Situation für Milcherzeuger und schließt mit Molkereien und Handelsunternehmen Lizenzverträge, um damit langfristige und faire Partnerschaften zu erreichen. Der Verband betreibt zudem die Koordinationsstelle Bio-Milch. Diese publiziert eine monatliche Marktberichterstattung für die Vorstände und Sprecher der Bioland-Milchliefergemeinschaften und erstellt einen monatlichen Bio-Milchpreisspiegel von 40 Bio-Molkereien, zu finden unter www.biomilchpreise.de. Zudem stellt die Koordinationsstelle den Informationsfluss zwischen Bio-Liefergemeinschaften auf Bund- und Europaebene sicher. Über Fachzeitschriften veröffentlicht die Koordinationsstelle regelmäßig Artikel zum Thema.

Die von Bioland mitbegründeten Bio-Milcherzeugergemeinschaften Süd, Nord und der Mittelgebirgsbauern bündeln als eigenständige Vermarktungsfirmen die Bio-Milch-Aktivitäten in Bayern/Baden-Württemberg und den nördlichen Bundesländern, siehe dazu die Website www.bio-meg.de. So ist ein größerer Einfluss auf die Marktgestaltung sowie bei Preis- und Vertragsverhandlungen möglich.

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