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Optimaler Weidestart mit Kühen und Rindern

30.03.2021

Laut Umfragen entspricht die Weidehaltung der Verbrauchererwartung. Neben dem positiven Image der Weide ergeben sich durchaus auch ökonomische Vorteile. Eine moderne Weidewirtschaft im System der Kurzrasenweide reduziert den Arbeitsaufwand, minimiert die Futterverluste und garantiert während der gesamten Weideperiode bei ausreichenden Niederschlagsmengen und optimaler Niederschlagsverteilung eine gleichbleibende Futterqualität auf höchstem Niveau. Ebenso bietet sich als besonders tiergerechte, arbeitssparende und kostendeckende Aufzuchtvariante die Weidehaltung von Jungrindern an. Hier können auch Hof ferne Weideflächen problemlos im Rahmen der Vollweide oder Ganztagsweide genutzt werden.

Jungrinder sechs bis acht Monate weiden

Auswertungen des Instituts für Tierzucht der LfL Bayern zufolge kann eine weidebetonte Aufzucht die Nutzungsdauer der Tiere um bis zu 100 Tage steigern. Erhalten die Rinder anschließend als Milchkuh auch noch Weidegang, so erhöht sich die Nutzungsdauer der Tiere im Vergleich zur Stallhaltung um bis zu 200 Tage. Gleichzeitig ergab diese Auswertung der Daten des Landeskontroll-Verbands eine Steigerung der Milchlebensleistung der Tiere um rund 3 500 kg bei Weidehaltung.

Bei optimaler Weideführung im System der Kurzrasenweide kann durch ein konstantes, qualitativ hochwertiges Futterangebot ein Erstkalbealter von 25 Monaten erzielt werden. Im Ökobetrieb Haus Riswick der Landwirtschaftskammer NRW lag das Erstkalbealter in den vergangenen Jahren bei Vollweideangebot der Färsen während der Weideperiode zwischen 25 und 27 Monaten. Eine Erhöhung der Nutzungsdauer und eine Reduzierung des Erstkalbealters bedeuten eine geringere Jungrinderaufzuchtquote mit der Folge der Entlastung der Nährstoffbilanz für den Betrieb.

Hochwertiges Weidefutter auch für Rinder

In der Praxis wird allerdings immer wieder beobachtet, dass Jungrinder zu spät großflächig in häufig schnittreife Weidebestände aufgetrieben werden. Ein Großteil des überständigen Weideaufwuchses wird niedergetreten, die Zuwachsleistungen der Tiere sind begrenzt und die Weidefläche erholt sich nicht. Auch für Jungviehweiden gilt der Grundsatz des Angebots von qualitativ hochwertigem Weidefutter entweder in Form einer Kurzrasenweide oder einem Umtriebsweidesystem mit Ruhezeiten. Wichtig für ein zügiges Wachstum der Rinder ist die Qualität des Weidefutterangebots.

Stundenweise Vorweide mit Milchkühen

Ein optimaler Weidestart mit Milchvieh gelingt mit einer stundenweisen Beweidung zu Vegetationsbeginn. Alle hofnahen und erreichbaren Weide- und Schnittflächen, sofern mit Zaun versehen, können in die stundenweise Vorweide mit einbezogen werden. Auf diese Weise werden alle möglichen Flächen für einige Tage kurz überweidet; zeitig wachsendes Unkraut verbissen und frühe Obergräser gekürzt. Diese schonende Vorweide fördert Narbendichte und Trittfestigkeit und sorgt zudem für eine kontinuierliche Weidefuttergewöhnung.

Die Vorweidekann unmittelbar nach Vegetationsbeginn ab einer Temperatursumme von 200 °C beginnen, wenn die Weideflächen gut abgetrocknet sind. Am Niederrhein war diese am 8. März in diesem Jahr erreicht; die Flächen jedoch noch viel zu nass. Im Rahmen der Vorweide mit einer geringen Tierbesatzstärke pro Hektar nehmen die Kühe natürlich noch keine großen Weidefuttermengen auf; sie fressen nur die ersten Spitzen und regen auf diese Weise die Bestockung der Gräser bestens an. Die Narbendichte wird also ideal gefördert und trittfest für die anstehende Vegetation vorbereitet. Außerdem können die Weidetiere in dieser Zeit hervorragend den Ampfer bekämpfen. Die Rosettenblättchen des Ampfers zeigen sich recht früh nach Vegetationsbeginn und sollten in diesem Stadium verbissen werden - das schwächt sie. Der Ampfer wird in diesem ganz jungen Stadium von den Wiederkäuern gern gefressen. Da die Kühe vor dem Hintergrund wassergesättigter Flächen immer noch früher auf die Weideflächen können ohne Schaden anzurichten als die Pflegetechnik, bietet sich im Anschluss an die Vorweide die technische Frühjahrsweidepflege  mit Schleppen, gegebenenfalls Walzen und einer Nachsaat an. In dem Zuge werden die Kotfladen auf den geplanten Schnittflächen gleich wieder verteilt.

Die Vorweide dient weniger der Sättigung der Kühe, als vielmehr der Bestockung der Gräser sowie der Zurücksetzung frühblühender Kräuter, wie Vogelmiere oder Scharbockskraut, und Gräser, wie Wiesenfuchsschwanz oder Wolliges Honiggras. Die Kühe fressen in der Regel diesen ersten Aufwuchs zusätzlich zur Stallration. Um Pansenblähungen und dünne Kotkonsistenz zu vermeiden, sollten die Kühe zu dieser Zeit nur sattgefüttert aufgetrieben werden.

Kontinuierliche Futtergewöhnung

Die Umstellung von der Winterfütterung auf die Frühjahrsweide bedeutet eine deutliche Veränderung der Futterzusammensetzung. Aktuelle Forschungsergebnisse zur Weideübergangsfütterung zeigen, dass die Vormägen der Wiederkäuer mit ihren Pansenmikroben Zeit benötigen, um sich optimal an den Rationswechsel zu gewöhnen. Der zeitige Weideaustrieb bietet den Wiederkäuern eine sanfte Futterumstellung, da Graswachstum, Weidezeiten und Weidefutteraufnahme im Laufe des Frühjahrs kontinuierlich ansteigen. Der Pansen und die darin lebenden Mikroorganismen können sich zunehmend auf den Futterwechsel einstellen. So wird mit der zeitigen Überweideung automatisch eine kontinuierliche Anpassung des Wiederkäuers und der Pansenmikroben an das hoch verdauliche energiereiche Weidefutter im Frühjahr erzielt. Zunächst sollten die Kühe noch im Stall gesättigt auf die Stundenweide für etwa ein bis drei Stunden/Tag gehen mit zwei bis drei Kühen pro Hektar. Später wird das Futterangebot im Stall reduziert und die Weidezeit ausgedehnt. So erfolgt die schonende Fütterungsumstellung.

Wenn das Weidegrasangebot dann nach wenigen Wochen voll einsetzt, sind sowohl Wiederkäuer als auch Pansen auf die Weide umgestellt und damit kann das Weidefutter optimal verwertet und in Milchleistung umgesetzt werden. Aus ernährungsphysiologischer Sicht ermöglichen die begrenzte Weidedauer und der noch spärlich vorhandene Aufwuchs einen fließenden Übergang von der meist stärkereichen Winterrationen zur Weidefutterration mit Gräsern, Leguminosen (Weißklee) und Kräutern (Löwenzahn). Aufgrund des höheren Zuckergehalts des Grases gegenüber Silagen ist zu empfehlen, den Kraftfutteranteil, besonders den Anteil an leichtlöslichen Kohlehydraten wie Getreide zu reduzieren. Dadurch kann einer möglichen Pansenübersäuerung und einer Pansenblähung entgegengewirkt werden. Steigt der Harnstoffgehalt in der Tankmilch, ist auch die Anpassung des Milchleistungsfutters sinnvoll.

Aufwuchs bei höchster Verdaulichkeit nutzen

Die in Europa üblichen Gräser besitzen maximal drei funktionsfähige Blätter. Wird an der Triebspitze ein viertes Blatt ausgebildet, beginnt das unterste Blatt abzusterben. So besteht der Massenzuwachs während eines Aufwuchses überwiegend aus Stängelanteil. In diesen Stängeln werden vermehrt Cellulose und Lignin zur Stabilität eingelagert, was die Verdaulichkeit der Pflanze senkt. So sinkt die Verdaulichkeit von anfangs 85 % im Blattstadium auf unter 40 % zum Ende der Blüte ab. Dies erklärt unter anderem auch den rückläufigen Energiegehalt bei zunehmender Aufwuchshöhe. Sollen nun optimale Energieerträge je Hektar erzielt werden, ist bei Weidegang der Grasaufwuchs im 2,5- bis 3-Blattstadium zu nutzen. In diesem Stadium ist die Pflanze fertig ausgebildet und würde dann beginnen, den Stängelanteil zu erhöhen. Jedes zusätzlich gebildete Blatt bedeutet ein Absterben des untersten Blatts und somit einen Verlust an bereits gewachsener Pflanzenmasse.

Anhand von Verdauungsversuchen an Hammeln mit sehr kurzem Gras konnten je nach Vegetationszeit Energiegehalte von 6,6 bis 7,4 MJ NEL/kg TM nachgewiesen werden. Da im Weidebetrieb keine „Erntekosten“ je kg TM anfallen, sollte Weidegras im Zustand der höchsten Verdaulichkeit genutzt werden. Die auf Weiden bestandsbildenden Gräser wie Weidelgras und Wiesenrispe erreichen das 2,5- bis 3-Blattstadium bei etwa 7 bis 8 cm Aufwuchshöhe. Da bei der Aufwuchsmessung mittels Herbometer/Platemeter der Bestand leicht gedrückt wird, sind hier 5 bis 7 cm anzustreben. Bei einer Weideführung im klassischen Koppelumtriebssystem bedeutet dies, dass bei Weideauftrieb die Bestandeshöhe maximal 6 bis 8 cm betragen sollte. Die Koppelgröße sollte dabei so gewählt werden, dass der Futteraufwuchs für einen Tag ausreicht. Der Aufwuchs muss nach dem Verlassen der Koppel auf 3 bis 5 cm Höhe abgefressen sein. Dadurch lässt sich verhindern, dass sich von Umtrieb zu Umtrieb immer mehr Futterreste aufbauen und annähernd der gesamte Aufwuchs in Milch oder Zuwachs umgewandelt wird. Bei Kurzrasenweiden ist zu beachten, dass in der Regel kein Weidewechsel erfolgt. Dadurch findet man auf der Weide Teilbereiche vor, die auf 2,5 bis 3 cm abgefressen sind und einen gewissen Anteil höheren Aufwuchses in den Geilstellen. Der Mittelwert der Aufwuchsmessungen soll bei Milchkühen 5 bis 7 cm, bei Jungvieh und Mutterkühen 4 bis 6 cm betragen.

 

Riswicker Weideplaner online

Gut geführte Weiden unabhängig vom Weidesystem  - Kurzrasenweide, Umtriebsweide oder Portionsweide - liefern über die gesamte Weidesaison hohe Futterqualitäten und Erträge bei gleichzeitig niedrigen Kosten. Vor allem der Frühjahrsaufwuchs ist sehr energie- und proteinreich sowie hoch verdaulich. Der aktuelle Riswicker Weideplaner und Weidekalender bietet Hilfestellung bei der Weidemanagementplanung und kann unter www.riswick.de heruntergeladen werden.

Laktationsgruppen und Tiergewohnheiten

Bei der Vollweide wird den Tieren im Stall kein zusätzliches Grobfutter angeboten, nur eine angepasste Mineralstoffversorgung. Auf diese Weise werden die Weideaufwüchse am besten, also besonders verlustarm genutzt. Kühe, die wissen, dass im Stall eine hochwertige, schmackhafte Mischration auf sie wartet, werden nie sauber abweiden. Spätestens nach der besonders schmackhaften Frühlingsphase auf der Weide werden die Weidetiere ab Juni am Weidetor warten und in den Stall zum alternativen Futter drängen. Bei hohen Einzeltierleistungen von mehr als 25 kg Milch/Tag wird eine Kraftfutterergänzung mit pansenschonenden Komponenten wie Körnermais nötig. Die maximale Kraftfuttermenge ist auf 3 kg jeTier täglich zu begrenzen. Es gilt immer zu bedenken, dass jede Zufütterung im Stall kostengünstiges Weidegras verdrängt.

Bei einer saisonalen Kalbung im Winter wird die Laktationsspitze mit bestem Grobfutter und Kraftfutterergänzung im Stall während der Winterperiode ausgefüttert. Bei Weideaustrieb liegt das Milchleistungsniveau der Herde dann idealerweise bei etwa 25 kg Milch/Tier und Tag. Obwohl kurzes Weidegras höchste Energiegehalte je Kilo TM aufweist, ist bei Weidegang die Gesamtenergieaufnahme begrenzt, da die Futteraufnahme den limitierenden Faktor darstellt. Praxisbetriebe mit zwei Leistungsgruppen füttern aus diesem Grunde häufig die Hochleistungsgruppe mit den Frischmelkern im Stall aus und gewähren den tragenden Tieren dann Weidegang.

Verluste bei der Futterkonservierung

Eine optimierte Weidehaltung kann hinsichtlich der Futtereffizienz zusätzlich punkten. Die konsequente Beweidung von kurzem Gras minimiert Weideverluste und Weidereste. Im Vergleich dazu sind die Verluste bei Konservierung des Futters bis zum Maul des Tieres erheblich. In einem von der LfL Bayern durchgeführten Projekt zur „Effizienten Futterwirtschaft“ wurden an den Lehr-, Versuchs- und Fachzentren die Verlustquellen von der Erntemenge vom Feld bis hin zu den tatsächlich gefressenen Futtermengen ermittelt. Dabei wurden Verluste bis zu 30 % der Trockenmasse berechnet.

Trittschäden und Weideverluste

Bei unsachgemäßer Weideführung können zum Teil erhebliche Verluste durch Tritt, Verschmutzung und Überalterung der Bestände auftreten. Durch die Wahl des für den Betrieb geeigneten Weidesystems gilt es, die Weideverluste zu minimieren. Das System der Kurzrasenweide beruht auf dem Prinzip der Abstimmung zwischen täglichem Futterzuwachs und Futterverzehr auf der Weide. Das Futterangebot ist dabei knapp zu halten, damit der gesamte Aufwuchs möglichst verlustarm gefressen und über eine entsprechende Flächenzuteilung gesteuert wird. Das Beweiden von kurzem Gras im Rahmen der Kurzrasenweide oder intensiven Umtriebsweide garantiert höchste und gleichbleibende Futterqualität während der gesamten Vegetationszeit, eine ausreichende und gleichmäßige Niederschlagsverteilung vorausgesetzt. Gleichzeitig werden die Futterverluste im Gegensatz zur Konservierung minimiert. Die Umsetzung einer Vollweidehaltung animiert die Tiere am besten zum intensiven verlustarmen Weiden.

Inwieweit ganzheitliche Weidesysteme unter Trockenheitsbedingungen funktionieren, müssen Praxisversuche in den hiesigen Breitengraden erst noch zeigen.

Anne Verhoeven,

Landwirtschaftskammer NRW

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