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Wiederkäuer "lesen" mit Obsalim

30.03.2023

 

Füttern wir unsere Rinder, Schafe, Ziegen optimal oder geht da noch was? Interessante Antworten gab Ende Februar das Seminar „Obsalim – Ein Fütterungskonzept für Rinder“ im Versuchs- und Bildungszentrum Landwirtschaft Haus Riswick der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

Teilnehmer aus nah und fern, aus Ostfriesland, den Niederlanden und Belgien, hatten den Weg nach Kleve gefunden und ließen sich von Kursleiterin Mechthild Knösel, Gut Rengoldshausen, die Methode erläutern.

Obsalim ist ein Kunstwort aus den zwei französischen Wörtern „observation“ (= Beobachtung) und „alimentation“ (= Fütterung). Die Methode wurde vor rund 30 Jahren vom französischen Tierarzt Dr. Bruno Giboudeau entwickelt, der viel mit alternativen Heilmethoden arbeitet und die Tiere sehr genau beobachtet. Er hatte das Tierwohl im Blick, als er Symptome sah, die einem Unwohlsein gleichkommen. Ist der Stoffwechsel hingegen im Gleichgewicht, geht es dem Tier gut. Bei Giboudeau hat Mechthild Knösel gelernt.

Obsalim gibt es für alle Wiederkäuer; im Seminar standen die Rinder im Fokus. Grundlage der Methode ist die Erkenntnis, dass Fütterungsberechnungen sowie Fütterungs- und Ruhezeiten optimiert werden können, wenn man die Tiere sehr genau beobachtet; sie senden eindeutige Signale. Daraus können eine bessere Herdengesundheit, bessere Futterverwertung, höhere Milchleistungen, Futtermitteleinsparungen oder Arbeitsersparnis bei gleichbleibender Leistung resultieren.

Die Kuh im Blick

Die Tiere zeigen durch verschiedene Symptome am Körper, aber auch durch ihr Verhalten, wie ihr aktueller Ernährungsstand und was mit ihrem Stoffwechsel los ist. Diese kleinen Symptome entstehen, bevor das Tier krank wird. Regelmäßige Herdendiagnosen sollten daher zum festen Bestandteil des Herdenmanagements werden. Mit Obsalim wird immer auf Herdenebene in einer Fütterungsgruppe gearbeitet. „Zeigen nur einzelne Tiere ein bestimmtes Symptom, ist das nicht aussagekräftig. Es muss mindestens die Hälfte der Tiere das Symptom zeigen“, so die Referentin.

Zunächst wird die Homogenität der Herde bezüglich Verhalten, Vitalität, Fellglanz und Ernährungszustand bewertet. Kommt man hier zu dem Schluss, dass sich die Herde eher inhomogen präsentiert, ist zu erwarten, dass sich im Folgenden viele Symptome zeigen. Als nächstes wird das sogenannte Kniekreuz gemacht: Dabei geht es darum, ob, und wenn ja in welchen Körperregionen die Tiere verschmutzt sind. Dies lässt Rückschlüsse zu auf Luftatmosphäre (oben), Fütterung (unten), Unterbringung (hinten) und Erkrankungen der inneren Organe (vorne).


61 Symptom-Karten

Dann geht es an die einzelnen Symptome. Dafür hat Giboudeau sogenannte Symptom-Karten entwickelt. Auf 61 Kärtchen sind die wichtigsten Ernährungssymptome dargestellt. Dabei werden verschiedene Bereiche beobachtet: Augen, Nase, Hufe, Fell, Haut, Euter, Urin, Milch, Wiederkäuen…. Wenn ein Einzelsymptom, wie beispielsweise Leckstellen im Fell, bei der Mehrzahl der Tiere beobachtet wird, nimmt der Tierhalter die dazugehörige Karte aus dem Kartenstapel heraus. Für eine sichere Diagnose muss mindestens aus drei verschiedenen Bereichen je mindestens ein Symptom erkannt werden. Zusätzlich wird in der Herde Kot gesammelt, der in einem feinen Sieb mit Wasser ausgewaschen wird. Die Rückstände werden in einer umfunktionierten Spätzlepresse zu einer kleinen, runden Torte gepresst. Die Höhe dieses Presskuchens und die Länge der Fasern im Presskuchen lassen Rückschlüsse auf die Qualität der Futterverwertung zu.

Interpretation der Beobachtungen

Die Symptom-Karten haben unten eine Reihe von Ziffern, die im Bereich zwischen -2 und +2 liegen. Sie beziehen sich auf Energie, Eiweiß, Fasern des Futters und die Pansenstabilität. Jedem Symptom sind bestimmte Ziffern zugeordnet. Beispiel: Gelbe Kristalle am inneren Augenwinkel sind spezifisch für einen Überschuss an löslichem Stickstoff; entsprechend sind die Stickstoffwerte mit 1 und 2 beziffert, alle anderen Parameter haben eine 0. Diese Werte auf den ausgesuchten Symptomkarten werden addiert. Das Ergebnis wird nach einem zunächst etwas komplexen Verfahren interpretiert, welches man sich beim ersten Mal am besten von einem Obsalim-Trainer erläutern lässt. Anhand der Erkenntnisse können Futtermittel oder Futter- und Ruhezeiten angepasst werden.



Praktische Erfahrungen

Mechthild Knösel berichtete von ihren Erfahrungen mit Obsalim in ihrer eigenen Herde sowie in Herden von anderen Landwirten. Demnach gebe es in fast allen Herden Probleme mit der Pansenstabilität, also instabile pH-Werte im Pansen (meist Pansenübersäuerung), sodass die Verdauung nicht optimal funktionieren kann. Dies gelte es zuerst in Ordnung zu bringen. „Stellschrauben sind Futtermittel, Rationen und Fütterungszeiten. Wird ein Futtermittel nur alle 24 Stunden vorgelegt, müssen sich die daran angepassten Pansenbakterien immer erst wieder neu aufbauen, weil sie 24 Stunden nicht überleben - also ein und dasselbe Futtermittel besser zweimal am Tag vorlegen“, empfahl die Obsalim-Trainerin. Bei Maßnahmen, die stark in die Arbeitswirtschaft des Betriebes eingreifen, sei allerdings stets die Verhältnismäßigkeit im Blick zu halten, bemerkte sie.

Oftmals würde den Tieren auch zu wenig Zeit zum Wiederkäuen eingeräumt, der Futtertisch dürfe ruhig mal leer sein. Die Tiere sollten hungrig zur Mahlzeit kommen und nicht im Futter herumselektieren, weil sie eigentlich satt sind. „Das widerspricht zwar allem, was man als Landwirt in der Ausbildung lernt“, räumte Knösel ein, „aber die Herden reagieren darauf mit einem Rückgang der Symptome und gleicher Milchleistung bei Futter- und Arbeitsersparnis!“

Ein großer Vorteil der Obsalim-Methode ist, dass der Landwirt das Fütterungsmanagement selbst in der Hand hat, ohne auf Laboranalysen oder Beratung angewiesen zu sein. Er lernt seine Tiere besser kennen und kann Freude am Beobachten entwickeln. „Anfangs muss man sich schon Zeit nehmen, um die Methode zu erlernen. Mit der Zeit kennt man aber immer mehr Symptome und weiß um die Ursachen. Geübte Beobachter brauchen etwa eine Viertelstunde pro Herde“, machte die Referentin Mut. Mindestens einmal im Monat, bei Problemen auch häufiger, sollte Obsalim durchgeführt werden.


Sabine Aldenhoff/LZ Rheinland

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