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Auch bei Bio-Schweinen: Tierwohl im Fokus

23.02.2015

Tierwohl geht bei den ökologischen Anbauverbänden über die bestehenden Richtlinien hinaus. Daher luden die Verbände Bioland und Naturland zusammen mit dem Thünen-Institut für Ökologischen Landbau alle Bio-Schweinhalter und Branchenakteure vom 18. bis 20. Februar zu einer Tagung nach Utting in Bayern ein. Neben "Tierwohl" ging es bei der Veranstaltung auch um Ebermast, Marktentwicklung und Fütterung. Christian Wucherpfennig von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen berichtet.

Verbände mit "Leitfaden zur Tierwohlkontrolle" zukunftsweisend

Dr. Cornelie Jäger, Landesbeauftragte für Tierschutz in Baden-Württemberg, sieht die Anbauverbände Bioland und Naturland mit dem gemeinsam mit Biokreis und Demeter entwickelten "Leitfaden zur Tierwohlkontrolle" gut aufgestellt und gewissermaßen als Vorreiter. Aus Sicht von Jäger ist Tierschutz bei Nutztieren sicher gestellt, wenn Nahrungsaufnahme und Abkoten, Bewegung sowie Ruhe- und Sozialverhalten gewährleistet sind. Seit knapp einem Jahr sei im Tierschutzgesetz verankert, dass Tierhalter geeignete Tierschutzindikatoren erheben und bewerten müssen. "Dabei kommen viele Kriterien, wie Verlustraten, in Frage, die ohnehin erhoben werden", berichtete Jäger. "Durch eine Kombination und Gewichtung der Indikatoren kann im Ergebnis ein Index bestimmt werden, der eine Vergleichbarkeit zwischen Betrieben ermöglicht", warf Jäger einen Blick in die Zukunft.

Wichtig in kleineren Beständen: fester Absetzrhythmus

"Eine steigende Zahl toter Ferkel als Folge immer größer werdender Würfe bildet eine Gefahr für die Verbraucherwahrnehmung", warnte Ralf Bussemas vom Thünen-Institut für ökologischen Landbau zu Beginn seiner Ausführungen. Müssen Ferkel gemerzt werden, müsse dies tierschutzgerecht erfolgen: mit einer ordnungsgemäßen Betäubung und der anschließenden Tötung mittels Ausbluten.

Eine wichtige Voraussetzung für das Handling großer Würfe ist ein fester Absetzrhythmus, um auch in kleineren Beständen mehrere einigermaßen gleichzeitig ferkelnde Sauen zu haben. "Umgesetzt werden sollten die stärksten Ferkel und wenn kastriert wird, die weiblichen Tiere", erklärte Bussemas, wobei dies nur zwölf bis 48 Stunden nach der Geburt möglich sei. Wie in der Kälberaufzucht benötigen auch frisch geborene Ferkel unmittelbar nach der Geburt Biestmilch. Schwache Ferkel erhalten in Trenthorst 15 ml aus verschiedenen Zitzen abgemolkenes Kolostrum, das mittels einer Spritze (zwangs-)verabreicht wird.

"Tierwohl" für die Branche bedeutsam

Dr. Alexander Hinrichs von der neu gegründeten Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung stellte die Bedeutung der Brancheninitiative Tierwohl für die Bio-Branche vor. Da es gleichgültig sei, wohin die Ware gehe, könnten Bio-Betriebe in vollem Umfang an der Initiative teilnehmen, wenn das Schlachtunternehmen bei der Initiative mitmache. "Da die meisten Bio-Betriebe die Vorgaben ohnehin erfüllen, ist es für sie möglich, die jeweiligen Höchstsätze zu erzielen", erklärte Hinrichs. Allerdings müssen sich Bio-Betriebe der QS-Zertifizierung unterziehen, die in der Vermarktung von Bio-Schweinefleisch bisher nur eine geringe Bedeutung hat.

BLE fördert zwei Projekte zur ökologischen Ebermast

Bis Herbst 2015 laufen zwei von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung geförderte Projekte zur Ebermast in ökologischen Betrieben. Ulrike Westenhorst stellte vorläufige Ergebnisse von Versuchen vor, die die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen zusammen mit drei anderen Forschungseinrichtungen durchführt. "In einem Vorversuch konnte geklärt werden, dass die ungetoasteten Leguminosen die gleichen Leistungen erbrachten wie mit einer Toastung", stellte Westenhorst eingangs fest. Erwartungsgemäß erzielten die mit hochwertigem Futter versorgten Schweine mit bis zu knapp 900 Gramm Tageszunahmen bessere Leistungen und höhere Magerfleischanteile als in der Variante mit betriebsüblichem Futter. "Insofern können auch Bio-Eber mit im ökologischen Landbau verfügbaren Futtermitteln bedarfsgerecht versorgt werden", erklärte Westenhorst, wenngleich die Wirtschaftlichkeit noch geprüft werden müsse. Von bisher 338 "Projektebern" mussten bisher nur fünf Tiere wegen zu starker Geruchsabweichung aussortiert werden. Eine Trennung am Schlachtband erwies sich dabei als grundsätzlich praktikabel, obwohl belastete Eber über die Raumluft auch zu Fehleinschätzungen bei unbelasteten Schlachtkörpern führen können. Grundsätzlich waren die Eber aggressiver, schwerwiegende Verletzungen blieben aber aus.

In einem weiteren Projekt mit mehreren Institutionen untersucht das Thünen-Institut für ökologischen Landbau den Einfluss von Genotyp und Umwelt auf die Stinkerrate. Auch hier handelt es sich um vorläufige Ergebnisse. Kathrin Höinghaus berichtete vom Einfluss der Rassen Pietrain und Dänischer Duroc als Endstufeneber und der Fütterung mit und ohne 10 %  Kartoffelstärke ab 95 kg Lebendmasse im Hinblick auf Mast- und Schlachtleistungen sowie die Rate geruchsauffälliger Schlachtkörper. Die Tiere wurden in der Endmast rationiert gefüttert. Sie erhielten zudem 1 kg Kleegras bezogen auf Frischmasse. "Bei einem insgesamt niedrigen Niveau konnten wir einen Einfluss der Kartoffelstärke auf die Verringerung des Skatolgehalts nachweisen", berichtete Höinghaus. Die Rasse Duroc führte zu höheren Androstenongehalten.

Während in Bezug auf Verletzungen ähnliche Beobachtungen wie bei den Versuchen der Landwirtschaftskammer NRW gemacht wurden, waren die Erfahrungen mit der Trennung der geruchsauffälligen Tiere am Schlachtband weniger gut. In einigen Schlachthöfen wurden, wie sich später herausstellte, eher zu viele Tiere verworfen.

Hoher Anteil eigener Futterkomponenten angestrebt

Ein möglichst hoher Anteil eigener Futtererzeugung im Sinne des Kreislaufgedankens ist wesentlicher Bestandteil des ökologischen Landbaus. Peter Thoma aus dem bayerischen Landsberg mästet auf rund 800 Plätzen Bio-Schweine nach Naturland-Richtlinien. Bio-Getreide und Leguminosen bilden die Grundlage der eigenen Futtererzeugung. Seit zwei Jahren baut Thoma zudem auch Sojabohnen an, sodass er im Zukauf im Wesentlichen nur noch auf Mineralfutter und konventionelles Kartoffeleiweiß angewiesen ist. "Schließlich bauen wir in unserer Fruchtfolge auch noch Körnermais an, da er in der Vormast den bitteren Geschmack des Kartoffeleiweiß überdeckt", erklärte Thoma. Während in der Vormast schwerpunktmäßig Erbsen als Leguminose gefüttert werden, kehrt sich das Verhältnis in der Endmast in Richtung der Ackerbohnen um. "Ackerbohnen können die Futteraufnahme senken, da wir auch noch Roggen als Komponente einsetzen", begründete Thomas diesen Weg.

Das gleiche Ziel auf einem anderen Weg strebt Georg Strobel an, der Schweine nach Bioland-Richtlinien nahe Augsburg hält. Die Grundlage seiner Fütterung bilden neben Getreide Luzernegrascobs. "Wir steigern den Anteil von 5 % in der Vormast auf 20 % in der Endmast", sagte Strobel. "Die Cobs haben sich seit über zehn Jahren in der Fütterung bewährt, die steigenden Energiekosten machen sich jedoch zunehmend bemerkbar." Die Trocknungskosten betragen etwa 15 € je dt, was zu Vollkosten von etwa 25 € je dt führe. Wichtig ist ein früher Erntezeitpunkt, der vor der Knospe liegen muss, um eine ausreichende Verdaulichkeit zu erzielen. "Mit 50 % Luzerneanteil in der Mischung kommen wir auf Rohproteingehalte bis zu 30 %", ergänzte Strobel. Die Eiweißerträge je Hektar können so dreimal so hoch liegen wie bei Ackerbohnen. Mit seinem System kommt Strobel gänzlich ohne konventionelles Kartoffeleiweiß aus, das noch bis Ende 2017 im beschränkten Umfang in der ökologischen Schweinehaltung eingesetzt werden darf.

Freies Abferkeln bei 80 Bio-Sauen

Bei der Suche nach einem Konzept für die Zukunft wurde Volker Härle bei der ökologischen Schweinehaltung fündig, dessen Betrieb im Rahmen der Tagung besucht wurde. Zusammen mit seiner Familie bewirtschaftet er im baden-württembergischen Emerkingen einen Betrieb mit 63 ha Fläche. Die Umstellung begann 2012 und im September 2014 konnten die ersten Bioferkel verkauft werden. Dabei wurde der Bestand von ehemals 120 Sauen auf 80 reduziert, damit auf teure Neubauten möglichst verzichtet werden konnte.

Bei der Abferkelbucht entschied sich Härle für das System WelCon der Firma Schauer, das speziell für das freie Abferkeln ohne Ferkelschutzkorb konzipiert wurde und mit einer Größe von 7,5 m² exakt an die Vorgaben der EU-Bio-Verordnung angepasst wurde. Für konventionelle Betriebe bietet Schauer eine 6,5 m² große Bucht ohne Auslauf an. "Die Bucht ist in ihren Funktionsbereichen Liege- und Fressbereich sowie dem Ferkelnest mit Anfütterungsbereich klar gegliedert und gleichzeitig übersichtlich", zeigte sich Härle überzeugt. "Außerdem kann die Sau bequem abliegen und wird durch den abgerundeten seitlichen Bügel sanft geleitet, um Erdrückungsverluste zu minimieren." Im sich anschließenden Fressbereich kann die Sau bei Bedarf auch fixiert werden. Auf eine Abdeckung der Bucht kann verzichtet werden, weil das Massivgebäude und die Eigenwärme der Sauen für eine ausreichende Temperatur sorgen. Das Ferkelnest am Gang ist mit einer Deckelheizung ausgestattet. Wasser wird nur im Auslauf angeboten. "Das verringert die Verschmutzung der Bucht beträchtlich", beobachtete Härle.

Da nur 20 Abferkelbuchten vorhanden sind, wechselt ein Teil der Sauen zusammen mit den Ferkeln nach zwei bis drei Wochen ins Gruppensäugen mit drei bis vier Sauen. Dabei werden zunächst die Sauen und zwei Stunden später die Ferkel umgestallt. "Bis dahin haben die Sauen ihre Rangordnung festgelegt", erklärte Härle seine Strategie. In den ersten Tagen bleibt auch nachts das Licht teilweise an, um den Ferkeln die Orientierung zu erleichtern. "Die Ergebnisse bei der Einzelhaltung sind etwas besser, aber die Gruppenhaltung säugender Sauen funktioniert auch" zeigte sich Härle zufrieden.

60 Bio-Sauen im innovativen Abferkelstall

Um ein vorhandenes Stallgebäude für die Ferkelerzeugung weiter nutzen zu können, entschied sich Martin Mohr, der einen Betrieb im oberschwäbischen Schwendi mit 62 ha Fläche nach Naturland-Richtlinien bewirtschaftet, für eine Gruppenhaltung der säugenden Sauen von Beginn an. In jeder der vier Gruppen werden acht Sauen zusammen gehalten. Dabei ferkeln die Sauen in 5 m² großen Liegekesseln ab, die sie zum Fressen und Koten jederzeit verlassen können. Den Ferkeln hingegen ist der Weg in den ersten beiden Lebenswochen durch eine Rolle versperrt, sodass Fremdsaugen in dieser Zeit ausgeschlossen ist. Das Ferkelnest verfügt über eine Fußbodenheizung und einen Infrarotstrahler. "Die Kunst bei diesem System ist es, durch ein entsprechenden Belegungsmanagement dafür zu sorgen, dass die Sauen in etwa gemeinsam abferkeln", sagte Mohr. "Außerdem müssen die Sauen miteinander harmonieren." Nach zwei Wochen werden die Rollen entfernt und die Ferkel können den gesamten Stallbereich und den Auslauf nutzen.  

Aufgrund des fast doppelt so hohen Platzbedarfs wurde für die sich anschließende Mast der Stall trotz reduziertem Tierbestand erweitert. Die Vormast erfolgt im Massivgebäude. "In der Endmast kommen die dann schon robusteren Tiere mit dem Offenfrontstall und Liegehütten gut zurecht", berichtete Mohr.

Aktuelle Marktsituation

Anfang 2014 sprach die Branche noch von einer "Bio-Schweine-Welle". Die Erzeugerpreise fielen und einzelne Gruppen mussten sogar konventionell verkauft werden. Allerdings waren die Landwirte von dieser Entwicklung unterschiedlich betroffen. Betriebe mit festen Lieferbeziehungen oder Verträgen konnten ihre Bio-Schweine deutlich besser absetzen und hatten auch unter dem Preisrückgang weniger zu leiden. Bei den Abnehmern erwiesen sich vor allem Unternehmen als stabiler, die vornehmlich in den Naturkosthandel lieferten.

Ein Jahr später ist von der "Krise" nichts mehr zu spüren. Einem verringerten Angebot, auch als Folge der Rückumstellung einzelner Betriebe, steht eine wachsende Nachfrage gegenüber. Entsprechend sind die Auszahlungspreise für Bio-Schweine stetig gestiegen und die meisten Abnehmer zahlen zwischen 3,20 und 3,40 € je kg Schlachtgewicht. Besonders der Bedarf nach Verbandsrichtlinien und regional erzeugten Bio-Schweinen steigt, weil auch die Handelsketten darauf zunehmend Wert legen. Von den höheren Erzeugerpreisen profitieren auch die Bio-Ferkelerzeuger, denn in vielen Partnerschaften wird der Ferkelpreis automatisch mit angehoben. Im Schnitt führte dabei eine Preiserhöhung von 5 Cent zu einem um etwa 2 € höheren Ferkelpreis.

Quelle: Christian Wucherpfennig, Ökoteam Landwirtschaftskammer NRW, Tel.: 02821-996-177, E-Mail: christian.wucherpfennig@lwk.nrw.de

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