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Bioschweine: Herausforderungen im wachsenden Markt

29.01.2016

Die aktuelle günstige Marktlage für Bioschweine beflügelt die Branche nach der Öko-Schweinekrise in 2013. Vor diesem Hintergrund luden die Verbände Bioland und Naturland in Kooperation mit dem Thünen-Institut für Ökologischen Landbau alle Bio-Schweinhalter und Branchenakteure vom 27. bis 29. Januar 2016 zu einer Tagung ins niedersächsische Nienburg ein. Hier der Bericht der interessanten Veranstaltung.

Grußwort des Niedersächsischen Landwirtschaftsministers

In seinem Grußwort freute sich Christian Meyer, Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Niedersachsen, über das Wachstum bei Ökobetrieben in Niedersachsen, wenngleich der Anteil im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern noch gering sei. "Wir wollen das Land der intakten Schwänze werden", betonte Meyer. Die Ringelschwanzprämie sei dabei bewusst auf 1.000 Mastschweine je Durchgang begrenzt, um ein Signal für kleinere und mittlere Betriebe zu setzen. Die Ökoprämien in Niedersachsen würden weiter erhöht und mit einer "Pacht- und Bodenpreisgrenze" wird nun auch ein eigenes Grundstücksverkehrsrecht auf den Weg gebracht.

Restrisiko -Schwanzbeißen

Trotz einer für die Schweine mit Raufutter, mehr Platz und Auslauf nach draußen deutlich attraktiveren Umgebung besteht auch unter ökologischen Bedingungen ein "Schwanzbeißrestrisiko". Mirjam Lechner, UeG Hohenlohe Franken, sieht darüber hinaus auch einen engen Zusammenhang zwischen Stoffwechselstörungen und Schwanzbeißen. Erste Schwanznrekrosen zeigten sich bereits beim Saugferkel in den ersten Lebenstagen durch endo- und mykotoxinbelastetes Kolostrum in Form von Schwellungen, Ringabschnürungen oder auch als Schwanzbasis- und Schwanzspitzennekrosen. "Schwanzbeißen ist hier Teil einer umfassenden Entzündungsreaktion", betonte daher Lechner, wobei einzelne Zuchtlinien unterschiedlich starke Reaktionen zeigen.

In der Fütterung empfiehlt sie zur Vorbeuge geringere Stärkegehalte (weniger Weizen, mehr Gerste), ausreichend Rohfaser und etwas mehr Fett als Energiequelle. Hitzestress sollte unbedingt vermieden werden. Die in der Mast oder bei Sauen zu beobachtenden Schwanzspitzennekrosen sind zwar primär nicht auf Verhaltensstörungen zurückzuführen, erhöhen aber die Wahrscheinlichkeit für sekundäres Schwanzbeißen.

Ringelschwanzprämie

"Das routinemäßige Kupieren von Schwänzen ist verboten", stellte Dr. Jörg Baumgarte vom Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Niedersachsen zu Beginn klar. Die vorherrschende Praxis in vielen Betrieben verstoße daher gegen geltendes Recht. Mit Hilfe von Beratung und Training sowie Staatlichen Maßnahmen und einer Honorierung des Mehraufwands soll darauf hingewirkt werden, dass die Betriebe künftig auf das Kupieren verzichten können. "Die Ringelschwanzprämie, insgesamt 28 Mio. Euro, wird ausschließlich mit EU-Mitteln finanziert", erklärte Baumgarte und ergänzte: "Eine Auszahlung erfolgt nur, wenn 70 Prozent der Tiere einen intakten Schwanz haben".

Verschiedene Möglichkeiten der Betäubung

Dr. Katja Brase, Fachtierärztin für Schweine beim Tiergesundheitsdienst der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, bewertete die verschiedenen zur Verfügung stehenden Betäubungsmaßnahmen bei der Kastration der Ferkel. "Die Lokalanästhesie, ähnlich einer Zahnbehandlung beim Zahnarzt, ist wenig praktikabel, weil man bis zur Wirkung der Narkose zu lange warten muss", erklärte Brase und wies zudem auf erhöhte Wundheilungsstörungen hin. Die Injektionsnarkose mit Ketamin bzw. Azaperon sollte erst im Alter von vier Wochen erfolgen, weil bei zu kleinen Ferkeln als Folge der Nachschlafzeit zu viele Saugakte ausfallen. Häufigere Wundheilungsstörungen bei Kastration älterer Ferkel kann sie aus der Praxis nicht bestätigen. "Die Inhalationsnarkose mittels Isofluran ist nur nach einer Umwidmung des Narkosemittels möglich", betonte Brase. Sie sieht die Voraussetzungen dafür aber gegeben, weil kleine Ferkel nur so schadensfrei zur Kastration betäubt werden können. Da Isofluran keine schmerzausschaltende Wirkung habe, müsse die Schmerzmittelgabe rechtzeitig zuvor erfolgen.

Impfung gegen Ebergeruch

Auch in der ökologischen Schweinemast wird die Impfung gegen Ebergeruch diskutiert und derzeit in mehreren Bio-Betrieben erprobt. Dr. Elisabeth Banholzer von der Zoetis Deutschland GmbH empfiehlt für die Praxis die Anwendung eines vereinfachten Impfschemas. "Wenn man bei Einstallung in die Mast erstmalig impft und fünf Wochen vor Schlachtung der ersten Tiere erneut impft, hat man ab Ablieferung der ersten Tiere fünf Wochen Zeit zum Abliefern", so Banholzer. Dabei wirkt die erste Impfung als Vorbereitung des Immunsystems und hat noch keine Auswirkungen auf Geschlechtsgeruch und Verhalten der Eber. Die Zweitdosis führt zur Produktion von Antikörpern gegen das körpereigene Hormon GnRF. "Dies führt zu einer vorübergehenden immunologischen Unterdrückung der Hodenfunktion und ebertypische Verhaltensweisen werden reduziert", berichtete Banholzer. Nur wenn die Schlachtung später als zehn Wochen nach der zweiten Impfung erfolge, müsse eine dritte Impfung verabreicht werden.

Bei zweimaliger Impfung betragen die Impfkosten laut Banholzer 4 Euro bis 4,50 Euro je Tier. Dabei sieht die Referentin die Lebensmittelsicherheit als gewährleistet an, denn das eingesetzte Mittel habe keine hormonelle und pharmakologische Wirkung und die Immunreaktion erfolge ausschließlich über die Injektion und könne nicht oral erfolgen. Einzelne Praktiker haben die Impfung schon angewendet, um damit beispielsweise Binneneber oder Alteber vermarktungstauglich zu machen.

Vertreter der Anbauverbände machten deutlich, dass die Impfung marketingtechnisch begleitet werden muss, damit die Verbraucher das Verfahren auch akzeptieren. Nach einer Phase der Ablehnung scheinen erste Lebensmittelketten sich die Impfung gegen Ebergeruch als Alternative zur betäubungslosen Kastration vorstellen zu können.

Während der Diskussion wurde deutlich, dass sowohl einzelne Praktiker als auch die Anbauverbände zum Teil unterschiedliche Ansichten vertreten, welches Verfahren zu favorisieren sei. Vermutlich werden alle Alternativen zur betäubungslosen Kastration bis hin zur Ebermast zum Einsatz kommen. Einig war man sich, dass man über eine Kastration ohne Betäubung nicht mehr diskutieren muss.

„Seit der verpflichtenden Einführung der Kastration mit Betäubung im Jahr 2010 gibt es in der Schweiz in der Gesellschaft keine Diskussion über die Kastration mehr. Wir betrachten das als riesigen Fortschritt.“
Dr. Henning Luther, SUISAG

Vermarktung entscheidend für Rassewahl

Einen Überblick über die im Ökologischen Landbau eingesetzten Genetiken gab Dr. Horst Brandt von der Universität Gießen. "Die Vielfalt ist deutlich größer als konventionell", legte Brandt dar, betonte aber zugleich: "Grundsätzlich ist jede moderne Rasse bzw. Kreuzung auch unter ökologischen Bedingungen leistungsfähig. Die Wahl einer geeigneten Rasse und die Erhaltung Bedrohter Rassen sollte dabei nicht vermischt werden", betonte Brandt darüber hinaus und ergänzte: "Die Bunten Bentheimer haben nur einen Intramuskulären Fettgehalt von 1,6 Prozent und die Tiere sind nicht hundertprozentig stressresistent."

Auch die Vermarktung ist ausschlaggebend für die Wahl der Rasse. Während man bei der Direktvermarktung besonderen Wert auf die Genussqualität lege, spiele bei der Vermarktung an Großabnehmer die Fleischfülle eine größere Rolle. Unabhängig von der Vermarktung kommt es nach Brandt vor allem auf die optimale Wurfgröße an, um ausgeglichene Würfe und geringe Ferkelverluste zu erzielen.

Freies Abferkeln verpflichtend

Von den Vorzügen der Schweizer Edelschwein-Sauen wusste Dr. Henning Luther, SUISAG, zu berichten. Die Haltungsvorschriften in der Schweiz sind deutlich strenger als in Deutschland. Die Gruppenhaltung tragender Sauen ist seit 2002 vorgeschrieben und das Freie Abferkeln ist seit Mitte 2007 verpflichtend. "Der Verzicht auf Ferkelschutzkörbe wirkt dabei wie ein Selektionskriterium", erklärte Luther, denn: "Wenn eine Schweizer Sau ihre Ferkel umbringen will, dann tut sie das. Das ist dann aber auch das letzte, was sie tut." Die Haltungsvorschriften wirken sich auch auf die Zuchtziele aus: Die Ferkelaufzuchtrate ist mit 21 Prozent als wichtigstes Kriterium im Zuchtwert gewichtet. Die Zahl der abgesetzten Ferkel ist übrigens in der Schweiz durch den Verzicht auf den Ferkelschutzkorb nicht gesunken, sondern kontinuierlich gestiegen.

Die Säugezeit ist bei ökologischer Produktion mit mindestens 40 Tagen deutlich länger als bei konventioneller Wirtschaftsweise. Da die Sauenmilch wenig Eisen enthält und säugende Ferkel noch wenig Beifutter aufnehmen, stellte sich Anja Renger von der SMUL Sachsen die Frage, ob die Eisenversorgung von Bio-Ferkeln gewährleistet ist. In ihren Versuchen konnte sie nachweisen, dass eine einmalige Eisengabe nicht ausreicht. Wurde eine zweite bzw. sogar dritte Eisengabe verabreicht, erzielten die Ferkel nach dem Absetzen bessere Tageszunahmen. "Die herausragende Wirkung des Eisens erkennt man auch an der höheren Widerstandsfähigkeit von Ferkeln gegen Infektionen", berichtete Renger darüber hinaus.

Umstellung gemeistert

"Die Umstellung von 450 konventionellen Sauen auf 160 ökologisch gehaltene Sauen machte nicht nur einen Neubau erforderlich, sondern führt auch bei uns zu einem völlig anderem Blick auf die Dinge", erklärte Wilhelm Schulte-Remmert aus Lippstadt einleitend. "In wenigen Jahren ökologischer Haltungsweise habe ich mehr über das Verhalten von Schweinen gelernt als während 30 Jahren konventioneller Bewirtschaftung", ergänzte er. Bei der Haltung abferkelnder Sauen orientierte sich Schulte-Remmert am Wildschwein, das sich zur Geburt ins Dickicht zurückziehe. "Alle Sauen, die am 8.September 2014 in die neuen Stallungen einzogen, waren am Abend tiefenentspannt", zeigte sich Schulte-Remmert begeistert und dankbar zugleich über die Reaktion seiner Tiere. Mit Abliegehilfe an den Seiten und der Installation eines Windschutznetzes im Auslauf wurden die Abferkelbuchten zwischenzeitlich optimiert.

Ökosauen im Außenklimastall

Als Gerhard Maaß 1999 bald nach der Umstellung auf ökologische Wirtschaftsweise nach Bioland-Richtlinien einen Neubau für seine Sauen plante, konnte er praktisch auf keine Vorbilder zurückgreifen. Vor rund 15 Jahren wurden Sauen ökologisch beinahe ausschließlich in kleinen Beständen in Altgebäuden gehalten. Nach der Besichtigung einer Outdoorhaltung entschied sich Maaß für einen Hüttenstall auf einer Betonplatte für insgesamt 48 Sauen und knapp 100 Mastschweine. Die Sauen ferkeln dabei zunächst einzeln in wärmegedämmten Hütten ab und nach 10 bis 14 Tagen geht es ins Gruppensäugen mit jeweils drei Sauen. "Da wir in den Hütten nur sehr eingeschränkt auf das Geschehen Einfluss nehmen können, nutzen wir seit knapp zwei Jahren Deutsches Edelschwein-Sauen aus der Schweiz", berichtete Maaß.

Da in der Schweiz schon seit Jahren auch in der konventionellen Schweinehaltung auf den Ferkelschutzkorb verzichtet werden muss, kommen diese Tiere besser mit dem Verfahren "Freies Abferkeln" zurecht. "Unsere ersten Erfahrungen sind gut, obgleich es sich nur um F1-Sauen handelt, die aus der Kreuzung mit schon bei uns vorhandenen Sauen entstanden sind. Die Würfe sind etwas kleiner und die Ferkel sind vitaler", freute sich Maaß über die offensichtlich richtige Entscheidung. Ein Teil der Ferkel wird für den Hofladen selbst gemästet, die anderen gehen an Mäster mit kleinen Beständen, die sie ebenfalls für die eigene Direktvermarktung halten.

500 Sauen in Outdoorhaltung

2012 stellten Konrad Dammeier und Martin Busse ihre seit 12 Jahren bestehende Outdoorhaltung um und schlossen sich einige Zeit später dem Naturland-Verband an. Auf 25 ha Acker werden im westfälischen Petershagen 500 Sauen gehalten, wobei die Fläche jährlich mit der übrigen Betriebsfläche wechselt. Alle Sauen ferkeln selbständig in den Hütten ab. "Die Kälte ist sowohl für die Sauen als auch für die Ferkel kein Problem, solange sich keine Feuchtigkeit absetzt", erklärte Dammeier und Martin Busse ergänzte: "Wir stellen daher den Eingang der Hütten bewusst in Windrichtung." Als Sauen eignen sich vor allem Tiere mit nicht zu großen und vor allem gleichmäßigen Würfen sowie guter Konstitution. Entsprechend den Vorschriften der EU-Bio-Verordnung beträgt die Säugezeit rund 40 Tage. Anschließend werden die Ferkel als "Öko-Babyferkel" mit etwa 12 kg verkauft oder selbst gemästet, dann aber in einem Stall.

Die Fütterung erfolgt mit "Outdoorpellets", die aufgrund ihrer Größe auch direkt von der Fläche aufgenommen werden können, ohne dass es zu größeren Verlusten kommt. Ein Teil des Futters wird auf den eigenen Flächen in Form von Körnermais und Triticale selbst erzeugt und an den Hersteller der Outdoorpellets verkauft. Das übrige Futter wird von einem Kooperationsbetrieb bezogen, der im Gegenzug Mist erhält. Dammeier und Busse gehen davon aus, dass die Arbeitszeit je Sau geringer ist als bei Stallhaltung, weil die aufwändige Entmistung, Reinigung und Desinfektion weitgehend entfällt. "Es ist aber nicht so einfach Mitarbeiter zu finden, die sich für diese Haltungsform begeistern", erklärte Konrad Dammeier abschließend, der die Arbeit selbst an der frischen Luft (fast) immer genießt.

Quelle: Christian Wucherpfennig, Ökoteam Landwirtschaftskammer NRW, Tel.: 02821-996-177, E-Mail: christian.wucherpfennig@lwk.nrw.de

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