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Schlaue Lösungen für intelligente Tiere

03.04.2018

Mit der wachsenden Bedeutung der Öko-Schweinehaltung rücken die Haltungssysteme stärker in den Fokus, auch bei den Verbrauchern. Deshalb lud Bioland zusammen mit dem Thünen-Institut für Ökologischen Landbau alle Bio-Schweinehalter und Branchenakteure vom 5. bis 6. März zu einer Tagung nach Fulda ein. Christian Wucherpfennig, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, berichtet.

Kann Großbritannien Vorbild und Maßstab für die Bio-Schweinehaltung sein? Schließlich hat die Inselrepublik schon 1822 die ersten Regelungen zum Tierschutz erlassen. Dr. Anne Warzecha arbeitet seit Anfang des Jahres als praktische Tierärztin in Großbritannien und kann somit einen Vergleich ziehen mit den Verhältnissen in Deutschland. Besonders beeindruckt ist Warzecha davon, wie professionell Tierärzte bei Nottötungen mit dem Bolzenschussgerät umgehen. "Außerdem führen die Tierarztpraxen Schulungen durch, damit auch die Landwirte mit dem Gerät umgehen können“, berichtete Warzecha.

Der britische Tierschutzverband ist sehr einflussreich und wird daher auch an vielen Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Entsprechend ist auch die Bevölkerung bis hin zur Queen für Tierschutzfragen außerordentlich sensibilisiert, sodass alle Handelsketten neben Bio-Produkten vor allem vom Tierschutzverband gelabeltes Fleisch führen. Aldi, lange als Billigdiscounter eingestuft, führt mittlerweile in Großbritannien rund 70 dieser Produkte.

Tiergesundheit beginnt bei der Planung

"Die Tiergesundheit fängt bei der Stallplanung an", mahnte Dr. Stefan Wesselmann, Tierarzt aus Wallhausen, an. So sei auf ausreichend Krankenställe und auf die Unterbrechung von Infektionsketten zu achten. Daher sollten möglichst unterschiedliche Produktionsgruppen nicht unter einem Dach gehalten und die Ausläufe sollten getrennt gemistet werden können. „Buchten, die an einer Auslaufachse liegen, sind möglichst im Rein-Raus-Verfahren zu belegen, um auch so Infektionsketten zu unterbrechen.“ Vor dem Futtertrog empfiehlt Wesselmann eine Stufe, damit die Schweine nicht hineinkoten können.

„In der Ferkelaufzucht fehlen häufig Fressplätze“, so Wesselmann. Viele Landwirte seien der Überzeugung, dass Ferkel genug Zeit zum Fressen hätten. „Die Ferkel sind es aber vom Säugen her gewohnt, gemeinsam Futter aufzunehmen und wollen dies auch nach dem Absetzen tun. Nicht umsonst hieß Ferkeldurchfall früher Automatendurchfall“, erklärte der Referent.

Den Auslauf empfiehlt er zumindest teilweise zu überdachen, damit die Schweine beim Rein- und Rauslaufen aus dem Stall nicht ausrutschen. Und wegen der Sonnenbrandgefahr müssten für den offenen Teil auch Netze zur Verfügung stehen. Für Nottötungen eignet sich nach Wesselmann insbesondere die Elektrozange, da so auch auf das Entbluten verzichtet werden könne. Alle Bauern, die über ein solches Gerät verfügten, erlösten ihre Tiere nun früher.

Auf die finanziellen Folgen einer mangelnden Tiergesundheit wies Steffen Döring von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen hin. "Die Baukosten dürfen ruhig etwas höher sein, wenn anschließend die Leistungen stimmen", so Döring. Beispielsweise würden 100 € höhere Baukosten in der Mast schon durch 50 g zusätzliche Tageszunahmen mehr als ausgeglichen.

Schwierigkeiten in der Mast sind häufig auch Folge von Problemen in der Ferkelerzeugung, sodass Döring rät, miteinander offen zu sprechen und regelmäßig betriebswirtschaftliche Auswertungen durchzuführen, um Probleme frühzeitig zu erkennen. So wurde in einem Betrieb erst durch die Betriebszweigauswertung aufgedeckt, dass die Verluste infolge verpilzten Futters anstiegen und die Leistungen sanken, was bei 100 Sauen 43 000 € entsprach.

Konsequent reinigen

Die Desinfektion als Hygienemaßnahme ist für den praktischen Tierarzt Dr. Matthias Link nur ein Teil eines äußeren und inneren Bio-Sicherheitskonzeptes, das jeder Betrieb für sich entwickeln und optimieren sollte. Dabei setzt er auf stabile Kleingruppen altersgleicher Tiere und eine konsequente Reinigung nach einzelnen Durchgängen.

Bio-Betriebe sollten bei der Desinfektion die DLG-Desinfektionsmittelliste nutzen und auf die Positivliste der zugelassenen Desinfektionsmittel der EU-Bio-Verordnung achten. "Eine gute Orientierung bietet hier auch die jährlich neu erscheinende Betriebsmittelliste des FIBL", riet Link.

Bei der Parasitenbekämpfung empfahl Link neben dem Spulwurm auch auf Infektionen mit Schweinepeitschenwurm zu achten, denn hier müssten die Wurmbehandlungsmittel anders dosiert werden, damit sie auch wirksam sind.

Abferkelsysteme verglichen

Dr. Heiko Janssen, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, berichtete von einem Projekt, bei dem über neun Durchgänge drei unterschiedliche Abferkelsysteme miteinander verglichen wurden. Dabei wurde das konventionelle System mit Ferkelschutzkorb einer freien Abferkelbucht und einer Gruppenhaltung säugender Sauen gegenübergestellt.

Die freie Abferkelbucht wies über alle Durchgänge die höchsten Saugferkelverluste auf. Allerdings wurden während des Versuches auch Mängel an diesem Buchtentyp festgestellt, sodass hier verschiedene Anpassungen vorgenommen wurden. So war beispielsweise der Abliegebereich der Sau vergleichsweise knapp bemessen.

Beim Gruppensäugen wurde eine hohe Zahl von Fremdsaugen festgestellt. Einige Sauen brachen ihre Saugakte sofort ab, wenn sie Fremdsaugen bemerkten, was folglich zu weniger erfolgreichen Saugakten führte. Beim Gruppensäugen fand das Abferkeln zunächst in Einzelbuchten statt, doch schon wenige Tage nach der letzten Geburt konnten sich die Tiere frei bewegen. In der Praxis des ökologischen Landbaus werden die Ferkel zusammen mit ihren Müttern frühestens nach zwei, besser erst nach drei Wochen in die Gruppenhaltung überführt. Dementsprechend erklärte Janssen zum Schluss auch: „Wir stehen noch ganz am Anfang unserer Untersuchungen."

Seit mehreren Jahren beschäftigt sich Gesa Miehlke, Thünen-Institut für Ökologischen Landbau, mit der Reduzierung gasförmiger Emissionen aus dem Schweineauslauf durch dessen Überdachung. Dabei verhalten sich Lachgas- und Ammoniak-Emissionen temperaturabhängig gegenläufig. Während die Ammoniakverluste bei Temperaturen ab 8°C steigen, ist es bei Lachgas genau umgekehrt. Ein eindeutiger Effekt auf die Höhe der Emissionen dieser beiden Klimagase durch eine Überdachung war bisher nicht nachweisbar.

Einbahnstraßen im Sauenstall

Immer mehr Firmen entdecken die ökologische Schweinehaltung als Markt für sich. Die zusammen mit dem österreichischen Institut für Biologische Landwirtschaft Raumberg Gumpenstein entwickelte Welconbucht mit Auslauf nach draußen wurde von Gerhard Lengauer, Firma Schauer, vorgestellt.

Durch ein Einbahnstraßensystem wird die Sau so geleitet, dass sie vom Auslauf zum Trog gelangt, um von dort wiederum in den Liegebereich zu kommen. Verlässt sie den Liegebereich, landet sie schließlich wieder im Auslauf. Das Konzept gibt es auch in Fertigbauweise als vollständiges Stallsystem.

Big Dutchman, vertreten durch Daniel Holling, passt sich mit seinen Produkten an die Bedürfnisse der Kunden an und hat unter anderem die Aufstallung für die ökologische Haltung im Landwirtschaftlichen Bildungszentrum Echem eingebaut.

Die Firma Hölscher und Leuschner stellte ihr Konzept eines Schweinestalles mit konventioneller Zwangslüftung und aktiv gesteuertem Auslauf vor, der sich sowohl für die Mast als auch für die Gruppenhaltung tragender Sauen eigne.

Angelika Grümpel, Doktorandin am Friedrich-Löffler-Institut, arbeitet an der Entwicklung von Verfahren, mit denen Schwachstellen systematisch erkannt und behoben werden können. Das schon für die Mast entwickelte Verfahren wird von ihr auf die Ferkelaufzucht übertragen mit dem Ziel, es in allen Stallsystemen anwenden zu können.

Die Analyse des Betriebes erfolgt idealerweise durch eine externe Person. Dabei werden auch Verhaltensdaten und Tierbonituren einbezogen. Mit Unterstützung durch einen Berater und den Hoftierarzt legt der Landwirt anschließend seine Ziele und Maßnahmen zur Verbesserung der Schwachstellen selbst fest. In regelmäßigen Zeitabständen erfolgt dann eine Erfolgskontrolle. In der Praxis zeigte sich teilweise, dass die Landwirte zunächst motiviert starteten, aber diese Motivation nicht immer durchhielten.


Aktuelles vom Markt

Seit 2010 sind die Preise für Bio-Ferkel und Bio-Mastschweinen mit einem kurzen Einbruch im Jahr 2014 kontinuierlich gestiegen, so die Botschaft von Dr. Uwe Balliet, Geschäftsführer der Landbio Erzeugergemeinschaft Nordwest. Mit 3,80 € je kg Schlachtgewicht und über 140 € je Ferkel erzielen Bio-Schweinehalter erfreuliche Preise. Auch wenn für pauschal bezahlte Schweine, häufig handelt es sich um Nicht-Verbandsware, die Preise jüngst geringfügig zurückgingen, erwartet Balliet keine spürbaren Preissenkungen.

"In unserem Erzeugerzusammenschluss könnten wir noch mehr Bio-Schweine verkaufen, denn Bioland-Ware ist gefragt", konnte sich Balliet sogar freuen. Die Ware sei jedoch nicht ausreichend verfügbar. „Allgemein ist die Marktversorgung im Vergleich zu den Vorjahren gut, aber die angebotene Ware fließt auch ab“, berichtete Balliet weiter. Dennoch solle sich Bio weiter entwickeln, indem beispielsweise noch mehr auf Regionalität und kurze Transportwege geachtet werde.


Viele Labels

Um Haltungsdefizite in der konventionellen Haltung zu beheben, wird immer mehr Tierwohl eingeführt. Auch die Bevölkerung setzt zunehmend auf Fleisch aus artgerechter Haltung. "Schließlich gelten 26 % der Menschen als Quality Euter", erklärte Rudi Wiedmann, selbständiger Berater aus Tübingen. Mangels eines staatlichen Siegels entwickelt der Handel eigene Labels.

Dabei unterscheiden sich deren Grundsätze in der Haltung mit freier Abferkelung, Ringelschwänzen und mehreren Klimabereichen mit Auslauf nach draußen nur wenig von der Bio-Schweinehaltung. "Diese Schweinehaltung nähert sich deshalb immer mehr den Bio-Vorschriften", so Wiedmann. Entsprechend seien für den normalen Konsumenten die Unterschiede beispielsweise zwischen dem höchsten Standard des Deutschen Tierschutzbundes und der ökologischen Schweinehaltung kaum noch wahrnehmbar.

Auch werde bei den Labels der bäuerliche Familienbetrieb mit schönem Hofambiente herausgestellt. "Die Auswahl der Betriebe bei manchen Labelprogrammen geht somit teilweise deutlich über die eigentliche Haltung hinaus", berichtete Wiedmann weiter.

Daher müsse die Bio-Schweinehaltung ihre Stärken, wie Kreislaufwirtschaft und Bodenfruchtbarkeit, mehr herausstellen. Der Auslauf als "Schaufenster" müsse eingestreut sein und Raufutter angeboten werden. "Wesentlich ist auch der regionale Bezug", erklärte Wiedmann, der zudem anregte, über Bestandsobergrenzen nachzudenken, die Bestandteil vieler Premiumprogramme, aber nicht der Richtlinien der ökologischen Anbauverbände seien.

Stephanie Meiss von Edeka-Südwest äußerte während der Diskussion die Erwartung, dass Label- und Bio-Produkte zusammen etwa 10 % des Fleischverkaufes künftig ausmachen werden, wovon etwa ein Viertel auf den Bio-Bereich falle. Rudi Wiemann ist noch optimistischer und hält einen Anteil von mindestens 20 % für realistisch.

Da Bio-Fleisch im Handel gegenwärtig nur einen Anteil von 0,5 % hat, sind dies durchaus ambitionierte Ziele. Obgleich die Bio-Schweine-Branche weder vom Gesetzgeber noch von den Verbrauchern und Verbraucherinnen angetrieben wird, versucht sie ihrer Vorreiterrolle weiter gerecht zu werden und die hohen Standards noch weiter zu entwickeln, sodass die Teilnehmer der Tagung sowohl Anregungen für die tägliche Arbeit als auch Einblick in künftige Entwicklungen erhielten.

Quelle: Christian Wuchpfennig, Landwirtschaftskammer NRW

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