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Bioland-Schweinetagung: Viele Wege – Ein Ziel!

09.03.2020

Auch die in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnene Bio-Schweinehaltung ist ständig gefordert, Praktiken zu hinterfragen und für Neues offen zu sein. Vor diesem Hintergrund lud der Verband Bioland in Kooperation mit dem Thünen-Institut für Ökologischen Landbau alle Bio-Schweinhalter und Branchenakteure vom 11. bis 12. Februar 2020 zu einer Tagung nach Schleswig-Holstein ein. Christian Wucherpfennig von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen berichtet von der interessanten Veranstaltung.

"Wer soll vorangehen, wenn nicht der ökologische Landbau", so begann Dr. Hans Marten Paulsen vom Thünen-Institut für Ökologischen Landbau sein Grußwort. Einer hohen Erwartungshaltung der Gesellschaft stehe das Bedürfnis der Praxis gegenüber, bei den gegebenen Preisen möglichst kostengünstig zu produzieren. "Vor diesem Hintergrund muss sich auch die ökologische Landwirtschaft stetig fortentwickeln", erklärte Paulsen und verwies beispielhaft auf Forschung hinsichtlich der Immissionen bei frei gelüfteten Ställen, deren Ergebnisse dann in die Genehmigungspraxis einfließen können.

Dr. Heinrich Terwitte, Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein, sieht zwischen den Belangen der Landwirtschaft und denen des Natur- und Umweltschutzes keinen Widerspruch. "Wenn wir das gemeinsam mit den Menschen verwirklichen, ist mir um die Zukunft des Sektors nicht bange", erklärte Terwitte daher auch.

Peter Boysen, Mitglied des Bioland-Präsidiums, verwies auf die veränderten Vermarktungsstrategien des Bioland-Verbandes als Folge der größeren Bedeutung des Lebensmitteleinzelhandels beim Verkauf von Bio-Produkten. "Die bisherigen Kanäle reichen nicht mehr aus, wenn über Naturkosthandel und Direktvermarktung nur noch 30 Prozent des Absatzes erfolgen", betonte Boysen. Als vor drei Jahren Lidl auf Bioland zukam, bestand zunächst auch die Sorge vor Preisdruck. Aus früheren Erfahrungen habe man aber gelernt und mit Lidl über einen längeren Zeitraum einen entsprechenden Vertrag geschlossen, der auskömmliche Preise für die Landwirte garantiert, ohne Schwierigkeiten mit dem Wettbewerbsrecht zu bekommen.

Defizite in der Tierhaltung

Wohin geht die Reise in der Schweinehaltung? Mit dieser Frage beschäftigte sich Antje Schubbert vom Friedrich-Loeffler-Institut für Tierschutz und Tierhaltung. Den großen Fortschritten in der Ressourceneffizienz stehen erhebliche Defizite in der Tierhaltung gegenüber. Daraus hat der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik 2015 Leitlinien für den Tierschutz abgeleitet, die für Schweine unterschiedliche Klimazonen sowie Funktionsbereiche vorsehen bei einem Verzicht auf Amputationen und der Durchführung von mehr betrieblichen Eigenkontrollen.

In der Folge gab es zahlreiche Bemühungen die Tierhaltung zu verbessern, beispielsweise in Buchten durch die Schaffung einer zweiten Ebene oder dem Angebot von Beschäftigungsmaterial.  Für die Branche sei es zwingend notwendig, verbesserte Verfahren einzuführen, um wettbewerbsfähig zu sein, wenngleich agrarromantische Vorstellungen nicht erfüllt werden könnten. Bei der Stufe 3 des Tierschutzlabels könnte es sogar schwierig werden, den Verbrauchern die Unterschiede in der Haltung gegenüber biologischer Erzeugung mit deutlich höheren Preisen zu vermitteln. "Künftig kann es daher sinnvoll sein, mittels Tierwohlindikatoren die besondere Qualität ökologischer Erzeugung auch nachzuweisen“, erläuterte Schubbert, denn durch die Verbesserungen in der Haltung bei konventioneller Erzeugung komme es zu einer gewissen Annährung zwischen den beiden Wirtschaftsweisen.

Fleischersatz für Fleischesser

Dr. Claus Deblitz vom Thünen Institut für Betriebswirtschaft ging der Frage nach, welche Fleischersatzprodukte es schon gebe und was künftig zu erwarten sei. "Fleischersatzprodukte zielen auf den Ernährungstypen Fleischesser und nicht auf Vegetarier und Veganer", berichtete Deblitz. Dabei ist die Hauptantriebsquelle, den Fleischkonsum zu reduzieren, die eigene Gesundheit und weniger ethische oder Umweltgedanken. Dabei müsse man sich bewusst machen, dass Fleischersatzprodukte stark verarbeitete Lebensmittel sind. Bestandteile seien z. B. neben pflanzlichem Protein Rote Bete-Saft zum Einfärben und Methylcellulose, um die Form der Produkte zu halten. Noch sei der Markt für Fleischersatzprodukte sehr klein. Mehrere Prognosen erwarten bis 2035 jedoch einen massiven Wandel des globalen Fleischkonsums zugunsten von Fleischersatzprodukten. Aus Umweltsicht komme es darauf an, ob die benötigte Energie aus regenerativen Energiequellen stamme, hob Deblitz hervor und ergänzte: "Das hat nichts mit Landwirtschaft zu tun, sondern ist ein hochtechnologischer Prozess.“ Wenn die zurzeit noch sehr hohen Preise jedoch sinken, die technologischen Probleme gelöst werden und die Menschen die Produkte akzeptieren, sei es plausibel anzunehmen, dass der Markt für Fleischersatzprodukte künftig beträchtlich wachsen kann.


Mobilställe auch für Schweine

Mobilställe bei Legehennen sind in der Praxis schon weit verbreitet, aber geht das auch bei Schweinen? Peer Sachteleben gründete im niedersächsischen Belm 2018 einen Betrieb und hält seitdem Bentheimer Schweine in Mobilställen. Die Ställe sind so konzipiert, dass sie ohne große Veränderungen sowohl von ferkelführenden Sauen als auch von Mastschweinen genutzt werden können. Pro Hütte steht den Tieren zudem knapp 1.000 m2 Fläche zur Verfügung. Wählt man die Fläche größer, verteilen die Schweine ihre Ausscheidungen zu ungleichmäßig und wenn die Fläche zu klein ist, muss man die Wagen zu oft umsetzen.

Die Mobilställe sind Teil der Fruchtfolge und sollen langfristig auf den gesamten 35 ha rotieren. Der Arbeitsaufwand für das Versetzen hält sich in Grenzen. An einem Tag können alle 12 Mobile versetzt werden. Sachteleben kann gute Preise in der Direktvermarktung im Handel erzielen, wobei die Kunden vor allem Wert auf die besondere Fleischqualität legen und sich (leider) weniger für das ausgefallene Haltungssystem interessieren. Übrigens sind die Mobilställe nicht patentierbar. "Fahrgestell und Stallungen gibt es schon", so Sachteleben.


Inhalations- oder Injektionsnarkose

Sabine Heckmann, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, hat sich im Rahmen des MuD-Projektes Tierschutz mit dem Vergleich der Inhalations- mit der Injektionsnarkose beschäftigt. An dem Projekt waren auch acht Öko-Ferkelerzeuger beteiligt, deren Erfahrungen über ein ganzes Jahr begleitet wurden. Die Mortalität war bei beiden Verfahren mit etwa 0,5 Prozent in etwa gleich, während sie nach 72 Stunden bei der Injektionsnarkose höher lag, was zur Hälfte an Kümmerern gelegen hat.

Im Laufe des Jahres wurde die Dosierung bei der Injektion etwas zurückgefahren, damit die Nachschlafphase nicht zu lang ist. Bei der Narkose mittels Isofluran dauerte die Nachschlafphase hingegen im Schnitt nur vier Minuten und liegt nur bei kleinen Ferkeln etwas höher. Allerdings zeigten sich auch einzelne dieser Ferkel im Verlauf des Tages noch etwas schläfrig. "Die Verfahren sind auf Augenhöhe", resümierte Heckmann, sie sieht aber noch Verbesserungsbedarf. Beispielsweise seien einige Isoflurannarkosegeräte schlecht zu reinigen und auch wenn die Grenzwerte (basierend auf den niedrigen Werte aus Kanada und Israel, da es noch keine deutschen Referenzwerte gibt) selten überschritten wurden, klagten nicht wenige Anwender nach dem Isofluraneinsatz über leichte Kopfschmerzen. Die Injektionsnarkose zeichnet sich hingegen durch einen höheren Managementbedarf aus. Beispielsweise müsse man in Abhängigkeit vom Ferkelalter die richtige Kanülenlänge wählen.

Improvac-Einsatz bei Saugferkeln

Sinje Büttner vom Thünen-Institut für Ökologischen Landbau stellte Versuchsergebnisse zum Improvac-Einsatz bei Saugferkeln vor, die während der dritten und der siebten Lebendwoche behandelt wurden. Während die Adrostenonwerte durchweg unter dem Grenzwert lagen, überschritten sieben Prozent der Ferkel den Skatolgrenzwert und wären somit als "Stinker" einzuordnen. Gegenüber geimpften Mastschweinen erreichten die Ferkel in der Mast vergleichbare biologische Leistungen. Verletzungen traten bei den Ferkeln zwar auf, aber dabei handelte sich lediglich um oberflächliche Kratzer. Büttner sieht die Improvac-Impfung daher als "vielversprechenden Ansatz mit weiterem Forschungsbedarf".

Viele verlangen zu Recht eine stetige Fortentwicklung der Praxis der ökologischen Schweinehaltung. Dem wird die Branche gerecht! Eine höhere Eigenerzeugung von Eiweißfuttermitteln und weitere Erkenntnisse bei der Betäubung männlicher Ferkel vor der Kastration demonstrieren das Bedürfnis sich weiter zu verbessern. Und es zeigt sich: Ökologie und Ökonomie sind kein Widerspruch!


Zulässigkeit von Improvac in der ökologischen Schweinehaltung

Es besteht noch Klärungsbedarf, inwieweit Improvac nach Inkrafttreten der neuen EU-Bio-Verordnung 2018/848 in der Bio-Schweinehaltung noch eingesetzt werden darf. Einzelne Formulierungen der in 2021 in Kraft tretenden neuen Verordnung deuten darauf hin, dass keine Mittel eingesetzt werden dürfen, die die Fortpflanzung verhindern. Ein bei der Tagung anwesender Vertreter von Zoetis geht jedoch davon aus, dass der Improvaceinsatz auch künftig rechtskonform ist.


Tierwohlchecks zwingen zur Kontrolle

Nach Durchführung eines mehrjährigen Projektes zum Tierwohl und zur Tiergesundheit in der Bioschweinehaltung formulierte Ulrike Westenhorst von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen Empfehlungen für Beratung und Praxis. "Tierwohlchecks zwingen zur regelmäßigen und objektiven Kontrolle des Tierbestandes", erklärte Westenhorst und man könne damit Schwachstellen aufdecken und komme der Verpflichtung zur Eigenkontrolle nach. Sie empfahl die Kontrollen halbjährlich zusammen mit einem Berater durchzuführen, wobei man im Laufe der Zeit auf einzelne Bereiche auch verzichten könne, wenn dort keine Probleme aufträten. Mit Hilfe des Ampelschemas seien Zusammenhänge und Schwachstellen schnell erkennbar. "Das Kennen der eigenen Zahlen ist Basis der eigenen Betriebsentwicklung", ermunterte Westenhorst die Landwirte. Grundsätzlich müsse man hartnäckig sein und auch häufiger untersuchen. Nicht immer entständen Probleme da, wo man sie sähe. Zum Schluss verwies Westenhorst auf die Prüfung der Durchflussraten an den Tränken, wo es trotz aller Appelle immer wieder Verbesserungsbedarf gäbe. Landwirte, die an dem Projekt mitgewirkten, bestätigten ihren Ansatz: "Das Auge wird geschult!"

Überversorgung, als auch Unterversorgung vermeiden

Im Rahmen des Projektes "Potentialanalyse" identifizierte Leonie Blume von der Universität Kassel die Fütterung als wesentlichen Einflussfaktor auf den Deckungsbeitrag. Anhand von Rationen von über 30 Betrieben zeigte sie auf, dass sowohl eine Überversorgung, beispielsweise in der Endmast, als auch eine Unterversorgung bei ferkelführenden Sauen oder in der Vormast unnötig Geld kostet oder aber nicht bedarfsgerecht ist. Blume empfiehlt die Untersuchung der Einzelkomponenten, denn bei einer Spannbreite von 8,2 bis 14,2 Prozent beim Rohprotein beispielsweise bei Weizen, sei dies immer wirtschaftlich. "Die preiswerte NIRS-Analyse reicht dabei übrigens aus", erklärte Blume. Rechnerisch lassen sich viele der in der Praxis eingesetzten Rationen optimieren und die Deckungsbeiträge beachtlich steigern.

Vom großen Potential einheimischer Grünpflanzen berichtete Martin Kötter-Jürß von der Bioland-Beratung. Mit früh geschnittenen Klee- und Luzernegrassilagen und der Trennung der Halme von den Blättern werden dabei zwei unterschiedliche Ansätze verfolgt, um deren hohen Rohproteinertrag nutzbar zu machen. Für die getrennte Nutzung der eiweißreichen und faserarmen Blätter fehle es aber momentan noch an einer geeigneten technischen Lösung. Bei der Analyse der Gemenge muss darauf hingewiesen werden, dass das Untersuchungsergebnis für die Fütterung von Schweinen gedacht ist, damit aus den Rohnährstoffen auch die richtigen Werte berechnet werden.

Betriebseigene Futtermittel nutzen

Ziel von Versuchen zu Bio-Mastschweinen, die von Ralf Bussemas von Thünen-Institut für Ökologischen Landbau vorgestellt wurden, ist es, die Fütterung ab der Endmast möglichst weitestgehend mit betriebseigenen Futtermitteln sicherzustellen. Neben Ackerbohnen enthält dabei die Ration der Versuchsvariante nur Kleegras als Eiweißträger, während in der Kontrollgruppe noch Raps- und Sonnenblumenkuchen eingesetzt werden. Nach ersten noch vorläufigen Ergebnissen erreichten die Schweine der Kleegrasgruppe dabei nur geringfügig geringere Leistungen bei einer etwas niedrigeren Ausschlachtung, so dass Kleegras als Futtermittel für Endmastschweine eine sinnvolle Alternative darstellen kann.


Bio-Schweine im Thünen-Institut in Trenthorst

Das Thünen-Institut für Ökologischen Landbau im schleswig-holsteinischen Trenthorst wird seit 2003 ökologisch bewirtschaftet und seit 2005 werden dort auch Bio-Schweine gehalten. Insbesondere bei den Sauen, aber auch bei den Mastschweinen wurden seitdem zahlreiche Forschungsvorhaben durchgeführt. Nach einem Brand im Jahr 2018 wurde der Abferkelstall zu großen Teilen neu erbaut und ein neuer Buchtentyp entwickelt.

Ziel von Ralf Bussemas, der den Bereich Schweine in Trenthorst leitet, war es dabei, einen geringen Arbeitsbedarf und einen niedrigen Energiebedarf in einer haltungsmäßig optimierten Bucht zu realisieren. Mit Hilfe eines schwenkbaren Bügels besteht die Möglichkeit sowohl die Sau zu fixieren als auch die Ferkel abzusperren. Im Winter kann mittels eines Aufsatzfensters die Wärmedämmung verbessert werden, so dass in dem massiven Gebäude nur selten im Winter zugeheizt werden muss.

Durch kleine Einsätze innerhalb der Bucht kann die Sau so geleitet werden, dass sie an der gewünschten Stelle abferkelt bzw. sich ablegt. Ein Teil des Ferkelnestes ist von drei Seiten umschlossen, so dass keine Zugluft eindringen kann. Bei Abmessungen von 2,40 x 3,20 m bietet die Bucht im Stall 7,8 m2 Fläche, so dass zusammen mit dem Auslauf den ferkelführenden Sauen rund 12 m2 zur Verfügung stehen. 11,6 abgesetzte Ferkel je Wurf dokumentieren die Qualität der Bucht, wobei Ralf Bussemas mehrmals darauf hinweist: "Der Erfolg einer jeden Bucht hängt maßgeblich vom Management ab."


Quelle: Christian Wucherpfennig, Ökoteam Landwirtschaftskammer NRW, Tel.: 02821-996-177, E-Mail: christian.wucherpfennig@lwk.nrw.de

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