Aktueller Inhalt:

Bio-Geflügeltag NRW: Das Huhn hinter dem Ei....

27.04.2023

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen aus allen Bereichen der breit aufgestellten Biogeflügelbranche: interessierte Landwirte, Bioerzeuger von Eiern und Geflügelfleisch, Junghennenaufzüchter sowie Beteiligte aus dem Kreis der Verarbeitung und Vermarktung, Futtermittelfirmen, Stallbau, aus der Beratung, den Bioverbänden, dem LANUV NRW sowie einer Tierarztpraxis für Geflügel.

Axel Hilckmann, der als Fachberater für die Geflügelhaltung im Referat für ökologischen Landbau der Landwirtschaftskammer NRW den Biogeflügeltag NRW bereits zum zweiten Mal organisiert hat, befragte zum Einstieg in das Thema "Markt" die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Ergebnis: Das Bild zur Marktsituation war trotz eines Verbrauchs von 238 Eiern pro Kopf mit einem im Biosegment allgemeinen Umsatzrückgang insgesamt positiv. Der Zuwachs auf dem Eiermarkt durch den Boom der Mobilställe 2021 befeuere den Wettbewerb. „Nordrhein-Westfalen hat in Deutschland die meisten Tierplätze in Mobilstallhaltung“, berichtete Pia Niewind, Landwirtschaftskammer NRW. Lediglich konkurrenzlose Direktvermarkter als jeweilige Marktführer einer Region verzeichneten Umsatzsteigerungen und könnten von der Nachfrage her sogar mehr Legehennen aufstallen. Der Trend zu Bio und Regionalität sei da. Das Neukundengeschäft gestalte sich schwierig, Tendenzen zeigten, dass sich Kunden in der Masse bei knappem Budget eher für Freiland und Regionalität als für Bio mit Verbandsqualität entschieden.  

Eier sind aktuell knapp, denn aufgrund der Geflügelpest würden insgesamt weniger Legehennen eingestallt. Es gebe zwar in diesem Jahr weniger Fälle der Vogelgrippe, dennoch sei sie nicht mehr wegzudenken. Dem knappen Angebot steht eine leicht wachsende Nachfrage nach Bio-Eiern gegenüber, die vor allem im Lebensmitteleinzelhandel und in Discountern gekauft werden. Die anwesenden Aufzüchter berichteten, dass bereits in der zweiten Jahreshälfte 2022 wieder etwas mehr Junghennen eingestallt worden seien als im ersten Halbjahr. Da das Eiergeschäft zeitversetzt zur Einstallung der Junghennen stattfindet, kann man das Angebot von Eiern für 2023 abschätzen.

Viele Betriebe sind in den letzten Jahren in die Direktvermarktung eingestiegen. Hier sei eine gute Kundenbindung erforderlich. „Man trägt mehr das eigene Risiko für die Vermarktung der Ware, dafür kann man mehrere Standbeine streuen und ist weniger abhängig von einzelnen Vermarktungswegen“, meinte Axel Hilckmann. Zunehmend viele Direktvermarktungs-Betrieben seien mit interessanten neue Betriebszweige gestartet, wie Bauernhof- und Erlebnispädagogik und KiTa Betreuung.

Der Absatz von Biogeflügelfleisch über den Fach- und den Lebensmitteleinzelhandel war 2022 eher rückläufig. Aufgrund des sehr hohen Preisunterschiedes von Biogeflügel zu konventioneller Ware entscheiden sich die Kunden sehr unterschiedlich. Der Absatzmarkt ist aber insbesondere in inhabergeführten Geschäften wieder leicht im Aufbau, sodass auch die beiden auf der Tagung anwesenden Verarbeiter und Vermarkter von Biogeflügel die Markttendenz 2023 positiv bewerteten. Sie freuen sich über interessierte Landwirte, die sich vorstellen können, in diesen Betriebszweig einzusteigen.


Den Grünauslauf doppelt nutzen

Bei größeren Stallanlagen von Biogeflügel, wie etwa 9 600 Masthähnchen oder auch 6 000 Legehennen, ist es sinnvoll, über eine Doppelnutzung des Grünauslaufs nachzudenken. „Gesetzlich vorgeschrieben sind 4 m² pro Tier. Bei 9 600 Biohähnchen wären das fast 4 ha Fläche, die die Hähnchen niemals vollständig nutzen“, führte Berater Hilckmann ins nächste Thema ein. Die mutigsten Tiere trauten sich bis 500 m weit weg vom Stall. Doch wie könne die große Fläche genutzt werden? Bei den Regelungen gebe es Unterschiede zwischen den Bundesländern: So ist nicht erlaubt, Grasaufwuchs oder Produkte zu verkaufen, die die Betriebsleitung dazu motivieren, die Tiere nicht rauszulassen oder den Auslauf einzuschränken. In Nordrhein-Westfalen sind Kurzumtriebsplantagen, Obstanlagen, Agroforststreifen oder Streuobstbäume sowie Agri-PV-Anlagen zur Energiegewinnung zugelassen. Auch eine Beweidung der Auslaufflächen mit anderen Tieren als Schutz vor Beutegreifern sei vorbehaltlich erlaubt. Diese Nutzungen dürfen aber den Auslauf der Tiere nicht behindern oder gar hemmen. „Eine Einzäunung ist übrigens erst ab zwei Herden nach EU Verordnung Art. 15 (3a), 16 (2) (EU)VO 2020/464 erforderlich“, so der Berater.

Umsetzung der neuen EU-Öko-Verordnung

Während der Veranstaltung wurde auch über verschiedene Regelungen diskutiert. Beispielsweise seien hier der zusätzlich überdachte Außenklimabereich oder die Veranda genannt. Je nach Ausstattungsform könne dieser Bereich mit zur Besatzdichte gezählt werden – oder auch nicht. Wenn er dazugerechnet werde, müssten die Tiere uneingeschränkt Zugang dazu haben, auch nachts, obwohl die Tiere in der Dunkelphase den Wintergarten sicher nicht nutzen würden. Lamellen in den Türen könnten helfen, die warme Temperatur im Stall zu halten und gleichzeitig den Tieren einen Zugang zum Wintergarten zu ermöglichen. Ein Landwirt merkte an, dass es sinnvoll sei, einen Wintergarten mit der Möglichkeit zur Verdunkelung zu versehen, um die Mauser durchführen zu können.

Bei Puten in Bio-Haltung würden jetzt keine Ausnahmegenehmigungen mehr für das Schnabelkürzen ausgestellt. Die Praxis zeigt, dass es in der Bioputenhaltung auch ohne Schnabelkürzen geht, wenn man einige wichtige Dinge beachtet.

Auch die offenen Wasserstellen zum Beispiel bei Enten und Gänsen wurden diskutiert: Hier sei die Wasserhygiene sehr problematisch, denn die Tiere würden eine offene Wasserstelle gleichzeitig als Bad und als Tränke nutzen. Daraus ergäben sich gesundheitliche Herausforderungen für Tierhalter und Tiere. Bei Gänsen reiche es nach EU Öko-VO aus, wenn die Tiere den Kopf ins Wasser stecken können. Enten hingegen bräuchten eine offene Wasserstelle, unter anderem zur Säuberung des Federkleides.


Alternative Betriebszweige: Bio-Brüterei

Malte Wolters, Geschäftsführer der abovo Geflügelvermehrung aus Delbrück, berichtete in seinem Vortrag über die speziellen Betriebszweige Elterntierhaltung und Junghennenaufzucht. An mehreren Standorten ist das Familienunternehmen tätig: In Ahlen ist der Stammhof, weitere Betriebe mit Geflügelhaltung sind in NRW verteilt. 2010 entschied sich die Familie, auf Bio umzustellen. Das neueste Projekt sei der Bau der Bio-Brüterei über die Firma „ab ovo bio“, an der das Familienunternehmen beteiligt sei. Weltweit entstehe hier die erste Bio-Brüterei mit Erdwärme Heizung und Strom über PV-Anlagen.

„Grundsätzlich wird bei der Zuchtarbeit ein Zuchtfortschritt oder überhaupt ein Effekt durch die Zucht erst im Folgejahr deutlich“, sagte Wolters zur Genetik. Das Zuchtunternehmen Hendrix Genetics arbeite daher mit genomischen Auswertungen über Blutuntersuchungen, um auf diese Weise schneller an Eigenschaften des genetischen Materials zu gelangen und insgesamt die Zuchtwertschätzung zu beschleunigen. Wolters arbeite mit der Mastlinie JA 757 CA, einer weißen Henne mit braunen Eiern. Als Legelinie werde die Bovans Braun eingesetzt. „Vorteilhaft ist, wenn weibliche und männliche Tiere ein unterschiedliches Federkleid haben, dann sind sie bei Früherkennungsverfahren im Ei oder nach dem Schlüpfen beim Sortieren schneller zu unterscheiden“, so Wolters.

Früherkennung im Ei

Seit dem Verbot über das Kükentöten verändere sich die Herangehensweise. 2022 seien noch etwa 20,7 Mio. Bruderhähne aufgezogen worden, doch seit Juli 2022 seien bereits mehr ausgebrütete Legehennen mit Früherkennung aufgezogen worden als aufgezogene Brüderhähne. „Bis zum zwölften Tag ist die Früherkennung erlaubt. Dazu werden die Eier maschinell angestochen und beprobt, ob sich im Brutei Östrogensulfat befindet, ein weibliches Hormon als Zeichen für das weibliche Geschlecht im Ei“, erklärte Wolters. Rewe habe beispielsweise über das Unternehmen Seleggt die Entwicklung von Maschinen zur Früherkennung initiiert. Eine Weiterentwicklung sei erforderlich, um eine frühere Treffsicherheit zu erhöhen. „In diesem Marathon ist man gerade den ersten Kilometer gelaufen“, so Malte Wolters. Das Ziel sei, die Geschlechtsbestimmung vor dem ersten Tag treffsicher durchzuführen, um die männlich befruchteten Eier möglicherweise dem Konsum zuzuführen.

Durch die Bruderhahnaufzucht oder die Früherkennung seien die Kosten für die Eintagsküken auf aktuell etwa 2,10 € gestiegen, sodass die Junghennenaufzucht jetzt auch ein sehr gutes Management erfordere. Von den 3 bis 5 % Verlusten sei der größte Anteil von 60 % in den ersten zehn Tagen zu verzeichnen.


Auf großes Interesse stieß der Anhänger, den Thorsten Beimborn von seinem Betrieb in Herscheid mitgebracht hatte. 


Die Mobile Geflügelschlachtung

Thorsten Beimborn, Mobile Geflügelschlachterei Beimborn in Herscheid, hatte seinen mobilen Schlachtanhänger zur Düsse mitgebracht. Diese Möglichkeit zur regionalen Schlachtung sei gerade für Biobetriebe attraktiv: So lägen die Geflügelschlachthöfe oftmals weit weg, die kleine Partien Geflügel schlachten. Außerdem verspreche eine mobile Schlachtung eine bessere Schlachtkörperqualität durch den Tierwohl-Effekt, da der stressige Tiertransport vermieden werde, die Tiere seien insgesamt ruhiger. „Der Tierwohl-Effekt durch die mobile Schlachtung kommt auch bei der Kundschaft gut an! Auf einem Wochenmarkt werden die gleichen Tiere von einem Betrieb als Suppenhühner aus regionaler, mobiler Schlachtung der aus normaler Schlachtung trotz Mehrkosten vorgezogen“, bestätigte Beimborn.

Thorsten Beimborn wird aktuell regelmäßig begleitet von Rebecca Menten von der Fachhochschule Soest. In einem Projekt soll die mobile Geflügelschlachtung zwei Jahre hinsichtlich Tierwohl untersucht werden. Der Gesundheitsstatus und der optische Eindruck der Tiere, der Wartebereich und später der Schlachtkörper liegen dabei im Fokus der Forschungsarbeit.


Arbeitszeiterfassung bei Hühnermobilen

Pia Niewind, Referentin für Geflügelhaltung auf Haus Düsse, stellte ein weiteres Projekt der FH Soest vor, in dem die Arbeitszeit und die Effizienz der Arbeitsschritte von Mobilstallhaltungen untersucht wurden. 27 Betriebe nahmen mit 36 Ställen an dem Projekt teil, 29 konventionelle, sieben ökologische. „Von allen Arbeitsschritten haben die Eier mit 36 % den größten Aufwand ausgemacht, 17 % Wegezeiten und 12 % Kontrollgänge. Da die Stallvarianten sehr unterschiedlich sind, sind es auch die entsprechenden Arbeitsschritte“, meinte Niewind. Interessant seien die Wegezeiten: Bei kurzen Entfernungen entstünde schnell eine „Mal eben-Dynamik“, wohingegen die Arbeitsschritte bei weiteren Entfernungen zum Hühnermobil zusammengelegt und effizienter gestaltet würden.

Außerdem sei ein Zusammenhang zwischen Herdengröße und Arbeitszeit je Henne erkennbar. Betriebe mit etwa 1 000 Legehennen wiesen mit 34 Minuten den kürzesten Arbeitszeitbedarf pro Tier auf, danach sieht man keinen Effekt mehr. „Es ist sehr sinnvoll, Arbeitsschritte zu kombinieren. Dazu kann man sich beispielsweise Checklisten anfertigen, die man am Hof und auch am Hühnermobil nutzen kann, um an alle Materialien und Arbeitsschritte zu denken“, empfahl die Referentin.

Das Huhn hinter dem Ei

Olivia Müsseler, Naturland, stellte das Projekt „Regio Huhn“ vor, bei dem der Öko-Verband alte Hühnerrassen einkreuzt, um die Fleischqualität der Legehennen zu verbessern. Der Begriff Zweinutzungshuhn lenke die Aufmerksamkeit auf die Legehenne, das Huhn hinter dem Ei. Die heutigen Zuchtlinien seien so sehr auf das Ei fokussiert, dass die Legehennen keinen guten Fleischansatz verzeichnen würden. In diesem Projekt würden heutige Hybridhennen von White Rock (klassische Linie Legehenne) und die Ranger Gold (klassische Linie Masthähnchen) gekreuzt. Naturland setzt dabei auf den Einsatz von Hähnen alter Hühnerrassen, wie dem Bielefelder Kennhuhn, dem Altsteirer oder dem Mechelner Kennhuhn. „Gemäß EU-Verordnung soll der Ökolandbau Vorreiter für alte Rassen sein.“, so Müsseler. Das sei in der Praxis jedoch schwer umzusetzen – daher habe Naturland 2020 dieses Projekt gestartet und auf einzelnen Betrieben gemäß dem Spruch „Erhalten durch Aufessen“ verschiedene Kreuzungen in Feldtests eingesetzt. Das Projekt solle bis 2028 intensiviert werden, um adäquate Daten zu Tiergesundheit, Fruchtbarkeit, Tierwohl, Schlachtgewichten, Futterverbrauch, Legeleistung, Eierqualität und Wirtschaftlichkeit zu sammeln.

Durch den Einsatz alter Hühnerrassen kämen jetzt Krankheiten und Verhaltensweisen wieder zum Vorschein, die durch jahrelange Zuchtarbeit auf Resistenzen, Eiqualität und andere bearbeitet worden seien. Beispielsweise die Mauser, die bei manchen Hühnern trotz Lichtprogramm gestartet sei, die Brütigkeit oder eine sehr unterschiedliche Legereife. Aufgrund der Besonderheiten sind bei Zweinutzungshühnern mit der Einkreuzung alter Hühnerrassen ein spezifisches Management und ein Vermarktungskonzept erforderlich. „Letztlich fehlt für ein Zweinutzungshuhn auch noch ein geeigneter Begriff, bei dem das Wort Nutzung nicht mehr im Vordergrund steht!“, schloss die Referentin.



Henrike Renner,

Landwirtschaftskammer NRW

Weitere Informationen

Kontakt zur Bio-Geflügelberatung

Axel Hilckmann
Fachbereich 53 — Ökologischer Land- und Gartenbau

Gartenstr. 11, 50765 Köln-Auweiler
Telefon: 0251/ 23 76 -789
Mobil: 0 175/ 16 00 300
Email: Axel.Hilckmann@lwk.nrw.de

Abonnieren Sie den Ökolandbau NRW-Newsletter





Die obenstehende Einwilligungserklärung kann jederzeit formlos gegenüber dem Ministerium für Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Stadttor 1, 40219 Düsseldorf, (E-Mail: Poststelle@mlv.nrw.de) widerrufen werden: Die von Ihnen auf dieser Seite angegebenen personenbezogenen Daten (zum Beispiel Name, E-Mail-Adresse, Anschrift usw.) werden vertraulich und nur zur Versendung der von Ihnen abonnierten Newsletter des Ministeriums per E-Mail verwendet. Ihre Daten werden ausschließlich auf dem Server des Landesbetriebs Information und Technik NRW gespeichert. Das Abonnement kann von Ihnen auf dieser Seite jederzeit mit sofortiger Wirkung beendet werden. Ihre Daten werden dann unverzüglich gelöscht.