Mit der Umsetzung der neuen EU-Öko-Verordnung ab 1. Januar 2022 müssen sich Bio-Geflügelhalter auf eine Reihe von Änderungen einstellen.
Dass Puten gerne hoch sitzen, weiß jeder Putenhalter, der einen Strohballen in den Stall gestellt hat: Die Tiere nehmen eine zweite Ebene im Stall gerne an. Erhöhtes Sitzen ist Teil ihres natürlichen Verhaltens. Ursprünglich ein Waldrandbewohner, baumen Puten zum Ruhen auf Ästen auf. Hier schärft die neue EU-Öko-Verordnung nun nach und schreibt ab dem 1. Januar 2022 erhöhte Sitzmöglichkeiten für Puten vor. Diese können als Ebenen oder Sitzstangen angeboten werden.
Wie diese erhöhten Sitzmöglichkeiten ausgestaltet sein müssen, damit sie gut von den Tieren angenommen werden, im Betriebsablauf nicht stören und keine Verletzungsgefahr für die Tiere darstellen, weiß Dr. Henrike Glawatz, Leiterin der Forschungsabteilung Kartzfehn, aus einem dort durchgeführten Versuch. Die Sitzstangen im Putenstall sollten möglichst griffig für die Tiere sein. Holz eignet sich deshalb ideal als Material, Kunststoff oder Metall weniger. Der Durchmesser der Stangen sollte mindestens 8 cm betragen, damit die Puten die Stange gut greifen können. Das gelingt den Tieren besser auf Kanthölzern, auf runden Stangen rutschen sie hingegen leicht ab. Allerdings sollten bei Kanthölzern die Ecken abgerundet oder zumindest gebrochen werden. Im Teststall werden auch in 60 cm Höhe montierte Sitzstangen bis zum Ende der Mast von den Puten angenommen.
Neben herkömmlichen Sitzstangen werden in der Praxis häufig A-Reuter genutzt. Auch hier gilt, dass die Kanten der Querlatten abgerundet werden sollten, um Fuß- und Brustverletzungen vorzubeugen. Der Abstand zwischen den Sprossen darf nicht zu groß gewählt werden, besonders gegen Ende der Mast besteht sonst die Gefahr, dass die Tiere zwischen die Sprossen treten und sich verletzen. Dr. Henrike Glawatz empfiehlt einen Abstand von 8 cm, ein Abstand von 16 cm ist zu groß. Ergänzend können die Sprossen von hinten mit einem Gitter hinterlegt werden, das den Tieren Halt bietet. Eine Sitzfläche auf dem A-Reuter erhöht die Attraktivität zusätzlich.
Als Alternative oder Ergänzung zu Sitzstangen können den Puten erhöhte Ebenen angeboten werden. Ideal ist eine Höhe von 50 bis 60 cm und eine Breite von mindestens 30 cm. Das Obermaterial der erhöhten Ebenen sollte ausreichend perforiert sein, damit sich keine Kotplatte auf der Ebene bildet. Es empfiehlt sich eine ovale Lochgröße von 2 cm. Ein Durchmesser von 3 cm belastet die Füße der Puten zu stark. Metallgitter sind nicht zu empfehlen, sie bergen ein erhöhtes Risiko für Fußverletzungen und Hämatome an der Brust. Gut geeignet sind Kunststoffplatten, die sich außerdem gut reinigen lassen und mit einem geringen Gewicht punkten. Unter den Ebenen kann normal eingestreut werden, sodass hier keine feuchte Einstreu zu befürchten ist. Im Testbetrieb wurde kein erhöhter Kotanfall um die Ebenen herum beobachtet, dieser konzentriert sich auf die Bereiche, in denen Futter und Wasser angeboten werden.
Rampen als Aufstiegshilfen sind von der EU-Öko-Verordnung nicht vorgeschrieben und auch nicht zwingend notwendig, da die Puten aus eigener Kraft auf die Ebenen flattern können. Dadurch lassen sich die Ebenen relativ frei gestalten: als Tische zum Aufstellen, von der Decke hängend oder als wandgehaltene Ebene. Auch Strohballen erfüllen die Anforderungen der EU-Öko-VO. Ideal ist, wenn sich Tische platzsparend stapeln und wandgehaltene Ebenen wegklappen lassen. Zu beachten ist, dass auch der Aufstellort einen Einfluss darauf hat, wie gut die Ebenen von den Puten angenommen werden. So berichtet Dr. Glawatz, dass die Puten im Sommer Sitzmöglichkeiten an der Außenwand bevorzugen, im Winter jedoch Ebenen an der wärmeren zugfreien Innenwand besser annehmen.
Gegenüber den Sitzstangen erfüllen erhöhte Ebenen einen Zusatznutzen, da unter den Ebenen ein Rückzugsraum entsteht, der gerne von schwächeren Tieren genutzt wird. Dieser Effekt wird durch Rampen verstärkt. Beachtet werden muss beim Einsatz von Rampen jedoch, dass tote Ecken vermieden werden, die den Tieren keinen Fluchtweg bieten. Um die Verletzungsgefahr zu minimieren, müssen erhöhte Ebenen vor dem Ausstallen der Tiere entfernt werden.
Auch bei Masthühnern haben sich mit der neuen EU-Öko-Verordnung ab dem 1. Januar 2022 die Anforderungen an die Stalleinrichtung geändert. Erhöhte Sitzmöglichkeiten und Staubbäder sollen es den Tieren ermöglichen, mehr Aspekte ihres natürlichen Verhaltens auszuüben. Diese beiden Aspekte der Stallstrukturierung untersucht Johanna Müsse zusammen mit ihrem Team von der Tierärztlichen Hochschule Hannover und der Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Das geschieht im Rahmen des vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Modell- und Demonstrationsvorhabens Tierschutz.
Im Rahmen des Projektes „Strukturierung und angepasste Fütterung im Masthühnerstall: Optionen für eine verhaltensgerechte und umweltschonende Tierhaltung“ (MaVeTi) wurde ein Prototyp für eine erhöhte Ebene mit Kotband entwickelt und auf vier konventionellen Praxisbetrieben mit jeweils zwei bis drei Ställen getestet. Die Ebene ist 120 cm breit, 70 cm hoch und verfügt über eine Rampe als Aufstiegshilfe. Die Oberfläche ist als Kunststoffrost mit einer Gitterweite von 1,4 x 1 cm und einer Stegbreite von 5 mm gestaltet. Auf der Ebene befindet sich eine Tränkelinie, darunter das Kotband. Aufgrund der Breite der Ebene wurde die Unterseite mit LED-Leuchten ausgestattet, sodass die Tierkontrolle unter der Ebene erleichtert wird. Die Ebene ist auf drei der vier Betriebe an der Decke aufgehängt und kann bei Bedarf komplett hochgezogen werden.
Erste Auswertungen von einem der Praxisbetriebe zeigen, dass die Hähnchen die Ebene tagsüber gut nutzen. Zum Schlafen suchen sie jedoch eher den Boden auf. Dieses Verhalten steht im Widerspruch zu der Hypothese, dass die Ebene zum nächtlichen Ruhen aufgesucht werden würde. Hier bleibt abzuwarten, wie die Verhaltensauswertungen auf den übrigen Praxisbetrieben ausfallen.
Vergleichsmessungen der Stalltemperatur unter der Ebene und in der Stallmitte zeigten keine wesentlichen Unterschiede. Lediglich bei sehr hohen Außentemperaturen von mehr als 35 °C war die Temperatur unter der Ebene am Nachmittag etwas erhöht. Im Vergleich zur Stallmitte war die CO2-Konzentration unter der Ebene minimal verringert, die Ammoniak(NH3)-Konzentration in der zweiten Masthälfte deutlich reduziert und die relative Luftfeuchtigkeit niedriger. Die Einstreu war unter der Ebene stets locker und trocken. Eine Reduktion der NH3-Konzentration im Vergleich zum Kontrollstall durch die Abfuhr des auf der Ebene angefallenen Kots über das Kotband konnte jedoch nach bisherigen Auswertungen nicht eindeutig belegt werden.
Die Reinigung der Ebene wurde von den Praxisbetrieben als erheblicher Mehraufwand von rund 8 Akh beziffert. Dabei wurde besonders die Reinigung des Kotbands als aufwändig beschrieben. Das Einweichen über eine Sprühkühlung oder in Wannen erleichtert die Reinigung. Laboruntersuchungen konnten zeigen, dass nach betriebsüblicher Reinigung und Desinfektion der Ebene keine erhöhte Keimbelastung bestand. Nach Einschätzung vieler Öko-Hähnchenmäster ist es sinnvoller, die erhöhte Ebene ohne Tränkelinie zu gestalten. Dann ist auch kein Kotband notwendig, um feuchte Einstreu unter der Ebene durch Wasser und erhöhten Kotanfall zu vermeiden und die Reinigung der Ebene wird deutlich erleichtert.
Im Projekt werden den Hähnchen in einem Wahlversuch drei verschiedene Materialien zum Staubbaden angeboten: Strohgranulat, Sägemehl und Gesteinsmehl. Es soll ausgewertet werden, welches Material bevorzugt genutzt wird und eine vollständige Ausübung des arttypischen Verhaltens ermöglicht. Die Auswertungen laufen noch, dem ersten Eindruck nach werden Sägemehl und insbesondere Gesteinsmehl gut angenommen. Staubbäder müssen regelmäßig gereinigt werden; außerdem baden die Tiere das Material aus dem Staubbad heraus, sodass es von Zeit zu Zeit wieder aufgefüllt werden muss.
Als weiteres Beispiel für die Strukturierung des Stalls durch Aktivitätszonen wird im Projekt eine Rohrförderanlage zur automatischen Vorlage von Beschäftigungsmaterial getestet. Damit kann zum Beispiel ein Gemisch aus Häckselstroh und ganzen Weizenkörnern angeboten werden. Die Hühner werden zum Scharren animiert – nach Einschätzung vieler Praktiker klasse Idee, denn dadurch würden nicht nur die Tiere beschäftigt, sondern auch die Einstreu locker gehalten.
Auf einem Naturland Hähnchenmastbetrieb in Calden, Hessen, wird derzeit die Kombination von Hühnerausläufen und Photovoltaik-Freiflächenanlagen getestet. Dort stehen 6 ha Auslauffläche zur Verfügung, die mit Photovoltaik(PV)-Modulen in Süd- und in West-Ost-Ausrichtung genutzt werden sollen.
Die Module werden so angeordnet, dass sie streifenförmig vom Stall wegführen. Dadurch wird der Auslauf strukturiert und die Tiere dazu angeregt, die Fläche komplett zu nutzen. Die Module sorgen für Schatten und schaffen trockene Stellen im Auslauf, die sich zum Staubbaden eignen. Erwartet wird außerdem, dass die Module den Hähnchen einen guten Schutz vor Greifvögeln bieten. Ein Vorteil gegenüber herkömmlichen Freiflächenanlagen besteht darin, dass keine zusätzliche Fläche aus der landwirtschaftlichen Nutzung genommen wird, sondern mit der Auslauffläche eine vorhandene Fläche sinnvoll doppelt genutzt werden kann.
Die Module lassen sich mit Profilrohren windsicher aufstellen. Dabei geht kaum Fläche verloren und auch ein späterer Rückbau ist einfach möglich. Die Höhe der Module ist variabel, die Tiere sollten nicht auf die Module springen können. Für das vorliegende Projekt wird die Unterkante auf 80 cm, die Oberkante auf 280 cm Höhe gesetzt. Aus Versicherungsgründen muss die PV-Fläche einmal im Jahr gemäht werden. Hier wird sich zeigen, ob die Masthähnchen als „Rasenmäher“ ausreichende Arbeit leisten, sonst kann mit Schlepper oder Aufsitzrasenmäher nachgemäht werden.
Insgesamt werden 36 % des Auslaufs mit PV überbaut - ein Zugeständnis an die Naturschutzbehörde, mit der sich die Planer auf einen maximalen Deckungsgrad von 40 % geeinigt hatten. Damit kann eine Leistung von 0,005 Terrawattstunden (TWh) bereitgestellt werden, dies entspricht dem Strombedarf von 1 400 Drei-Personen-Haushalten. Eine Förderung über das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) ist für Flächenanlagen nur möglich, wenn diese im benachteiligten Gebiet oder in 200 m-Streifen neben Autobahnen oder Schienen liegen. Außerhalb dieser Gebiete ist die Direktvermarktung des Stroms eine Möglichkeit, um eine rentable Anlage zu bauen. Mittlerweile werden dabei auch Lieferverträge mit einer Laufzeit von zehn bis 20 Jahren geschlossen, sodass ausreichend Planungssicherheit gegeben ist. Wichtige Voraussetzung für die Wirtschaftlichkeit ist allerdings ein Netzanschluss in akzeptabler Entfernung; ansonsten kann allein der Netzanschluss drastische Kosten verursachen.
Auch wenn die Module eine sehr lange Lebensdauer haben, sollten während des Betriebs Rückstellungen für einen eventuell nötigen Rückbau gebildet werden. Entsorgungskosten für ausgediente PV-Module fallen aktuell keine an, da sich die einzelnen Komponenten gut recyclen lassen. Im Bebauungsplan sollte festgeschrieben werden, dass die Fläche nach Rückbau der PV-Anlage wieder in die landwirtschaftliche Nutzung genommen werden kann.
Katharina Matull und Annette Alpers,
Naturland