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Mit Bio-Schweinen anspruchsvoll nach vorn

01.07.2022

Bei der Bioland-Schweinetagung wurden am 8. und 9. Juni in Ascheberg spannende Themen von der Schweinehaltung und -fütterung über Stallbau und Auslaufnutzung bis hin zum Tiergesundheitsmanagement und der Marktentwicklung diskutiert.

Die aktuell schwierige Versorgungssituation bei Eiweißfuttermitteln hat nach Ansicht von Rudolf Joost-Meyer zu Bakum, Inhaber der gleichnamigen Bio-Futtermühle, je nach Futtermittel unterschiedliche Ursachen. „Bio-Soja aus China ist derzeit mit hohen Logistikkosten belegt und vor allem Selbstmischer hatten Probleme, an ausreichend Ware zu kommen“, erklärte Joost-Meyer zu Bakum, der 2023 mit etwa 140 €/dt ähnliche Preise wie in diesem Jahr erwartet. Bei Raps- und Sonnenblumenkuchen fehlten 30 und 50 %, weil diese Futtermittel vor allem aus der Ukraine und Russland bezogen werden. Einen großen Importbedarf hat Deutschland auch bei Bio-Ackerbohnen, die preislich ebenfalls gestiegen sind. „Bio-Milchkühe werden in vielen Regionen Europas auch mit Bio-Soja im Kraftfutter versorgt und bei hohen Preisen sind viele Betriebe auf Bio-Ackerbohnen umgestiegen, was auch deren Preise deutlich ansteigen ließ“, so der Referent.

„Jede Krise ist ein Korrektiv“ und so bewirken die hohen Preise für Eiweißfuttermittel, sparsam mit ihnen umzugehen. Dazu gehöre zwingend eine dreiphasige Mast, weil die Tiere zum Ende hin einen deutlich geringeren Eiweißbedarf als zu Beginn haben. „Im letzten Drittel wird aber die Hälfte der Futtermenge verbraucht“, betonte Joost-Meyer zu Bakum. Wichtig sei auch die Verwendung geeigneter Mahlsiebe. Während Getreide gröber vermahlen werden müsse, um Darmentzündungen vorzubeugen, komme es bei Leguminosen auf eine feine Vermahlung an, damit sie im Dünndarm gut verdaulich sind. Schließlich sei bei der Mast auch auf die Wünsche des Abnehmers zu achten. Eine Fütterung nach Muskelfleischanteil erfordere eine andere Strategie, als wenn „Wurst, Speck und Schinken“ im Vordergrund stünden. Zum Abschluss kam noch der Hinweis, dass es in der Mast nicht nur vertretbar, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll sei, mit leicht abgesenkten Bedarfswerten zu rechnen.

Krise spornt zur Optimierung an

Martin Kötter-Jürß, Teamleiter der Schweineberatung beim Bioland-Verband, stellte in Vertretung den Betrieb von Jörg Aufenanger vor, der im westfälischen Borgentreich seit 2011 seinen Betrieb nach Bioland-Richtlinien bewirtschaftet und 840 Mastschweine hält. Die Schweine werden in Außenklimaställen, die leicht eingehaust wurden, gehalten. Kötter-Jürß wertet halbjährlich gemeinsam mit Landwirt Aufenanger die Mastschweine aus und lobte die getroffenen Optimierungsmaßnahmen. Innerhalb weniger Jahre konnte die Futterverwertung von 1 : 3,46 auf 1 : 3,08 verbessert werden und der Muskelfleischanteil liege mittlerweile bei über 57 %. „Der Landwirt reinigt sein eigenes und zugekauftes Getreide und Körnerleguminosen konsequent nach und hat in der Vormast zusätzliche Automaten eingebaut, um die Futteraufnahme zu steigern“, zählte Kötter-Jürß einige der Maßnahmen auf. Außerdem werde die Gabe von Raufutter nicht „als lästige Pflicht“ gesehen. Aufgrund der aktuell unsicheren Lage und stark gestiegener Kosten habe Aufenanger eine schon anvisierte Erweiterung um 500 Mastplätze zunächst zurückgestellt.

Füttern von Kleegrassilage

Ralf Bussemas vom Thünen-Institut für Ökologischen Landbau formulierte ein klares Ziel für die Fütterung von Bio-Schweinen: „Das Futter stammt vorzugsweise vom eigenen Betrieb unter Berücksichtigung der physiologischen Bedürfnisse der Tiere.“ Raufutter beschleunigt den Kotabsatz, senkt die Aggressivität und wirkt sich positiv auf die Verdauung aus. „Bei tragenden Sauen kann man etwa 25 % des Kraftfutters durch Raufutter ersetzen“, stellte Bussemas heraus und ergänzte: „Mit Raufutter wird das Magen-Darm-Volumen erhöht und durch die beschleunigte Verdauung wird dem MMA-Komplex entgegengewirkt.“ Insbesondere bei Jungsauen sei auf die hohen Calciumgehalte beim Kleegras zu achten, damit das Verhältnis Calcium zu Phosphor im Lot bleibe und es nicht zu Schwergeburten komme. In Trenthorst habe man jedoch die Beobachtung gemacht, dass sich die Sauen an höheren Calciumgehalte gewöhnen können.

Nicht immer sei es notwendig, Bio-Ferkel mit besonders hochwertigen Komponenten zu füttern, die zudem in aller Regel nicht vom Betrieb selbst stammen. In eigenen Versuchen wurde festgestellt, dass auch mit abgesenkten Gehalten im Hauptfutter und der Gabe von guter Silage vergleichbare Aufzuchtleistungen erreicht werden können, ohne dass es zu negativen Auswirkungen auf Verluste und Tiergesundheit kommen müsse. Ähnliche Ergebnisse wurden auch in der Mast erzielt. „Die Schweine nehmen etwa 95 %der angebotenen Silage auf“, freute sich Bussemas. Auch hier wurden fast identische Leistungen erzielt und die Ausschlachtung war kaum schlechter. „Früh geerntetes und damit gut verdauliches Kleegras kann somit zur Versorgung der Schweine einen wertvollen Beitrag leisten“, fasste Bussemas zusammen.

Neue Wege aufzeigen, das hatte sich Dr. Gerhard Stalljohann, ehemaliger Referent für Schweinefütterung bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, vorgenommen und legte seinen Schwerpunkt auf die Fütterung der Ferkel und deren Darmgesundheit. „Bekommen Ferkel nach dem Absetzen direkt viel Getreide, kann das die Darmzotten geradezu abrasieren“, warnte Stalljohann, der in seinen vorgestellten Rationen unter anderem Hafer- und Weizenflocken favorisierte, deren Anteil langsam gesteigert werden solle. Beim Sojakuchen sei unbedingt darauf zu achten, dass er korrekt thermisch behandelt wurde und der Rapskuchen dürfe nicht zu viel Restfett aufweisen, weil dies die Futteraufnahme senke.

Bei der Fütterungstechnik empfiehlt Stalljohann Automaten, die nur wenig Futter herauslassen, sodass langsam gefressen und intensiv eingespeichelt werde. Das Einspeicheln trage mit 10 bis 15 % zur Verdaulichkeit bei. Mittels Fermentation lasse sich auch bei trockenen Futtermitteln die Verdaulichkeit sowohl der Nähr- als auch der Mineralstoffe erhöhen.


 

Tipps zum Stallbau

Martina Kozel von der Schweine-Fachberatung des Naturland-Verbandes stellte anhand vieler Fotos und kurzer Filme bauliche Details vor, die die Arbeit in Stall und Auslauf erleichtern und die Funktionsfähigkeit der Haltung verbessern. Ein schmaler Durchstieg zwischen den Abferkelbuchten erleichtere es dem Personal, von einer Sau zur anderen zu gelangen. Um die Handarbeit zu verringern, setzten manche Betriebe auf eine vollautomatische Entmistung. Der Schieber erkennt dabei Widerstände, wenn Tiere sich in dessen Bahn aufhalten. Nur bei den ferkelführenden Sauen müssen die Tiere zunächst weggesperrt werden, weil die Saugferkel zu wenig Widerstand bieten, sodass sich die Schieberautomatik nicht ausstellen würde.

Zur Staubbindung empfiehlt Kozel Vernebelungsanlagen, mit denen auch ätherische Öle ausgebracht werden können. Zur Abkühlung eignen sich kleine Suhlen im Übergang zwischen Stall und Auslauf, die die Tiere im Sommer mittels Tränkenippel selbst fluten können. Auch Scheuerpfosten und Bürsten tragen zum Wohlbefinden der Schweine bei. Da viele Bio-Schweinehalter in Altgebäuden mit Umbaulösungen arbeiten, müssten häufig individuelle Lösungen gefunden werden, die ein funktionierendes Haltungssystem und Arbeitswirtschaftlichkeit vereinen.

Emissionen im Auslauf mindern

Zwischen Tierwohl und Umweltschutz kann es durch entstehende Ammoniakemissionen zu einem Zielkonflikt kommen. Ulrike Höne vom Friedrich-Löffler-Institut für Tierschutz und Tierhaltung in Celle untersuchte daher das Kotverhalten von Mastschweinen im Auslauf in acht Buchten mit je zehn Mastschweinen. Mit einem Anteil von 99,4 % koteten die Schweine beinahe ausschließlich im Auslauf. Dort wiederum koteten sie bis auf wenige Ausnahme im Bereich der Stallwand, da auf der anderen Seite des Auslaufs eine Raufe für Raufutter und die Tränke installiert waren, was die Schweine offensichtlich vom Koten abhielt. Höne wies darauf hin, dass man die Ergebnisse nicht 1 : 1 auf andere Buchten übertragen könne, dass es aber offensichtlich möglich sei, durch Gruppengröße und Auslaufgestaltung das Kotverhalten zu steuern und dafür zu sorgen, dass die Tiere einen möglichst kleinen Bereich des Auslaufs zum Koten nutzen.

Untersuchungen von Julika Wiskandt, Thünen-Institut für Ökologischen Landbau, belegen, dass die Auslaufnutzung bei ferkelführenden Sauen parallel zu den Temperaturen steigt, was sowohl für den Tages- wie für den Jahresverlauf zutrifft. Während bei unter 6 °C die Tiere sich nur 6 % der Zeit draußen aufhielten, stieg dieser Anteil bei über 14 °C auf rund 25 %. Bei höheren Temperaturen finden auch mehr Säugeakte im Außenbereich statt.

Bei den Ferkeln steigt die Nutzung des Auslaufs mit zunehmendem Alter. Zudem hängt es stark vom Verhalten ihrer Mutter statt. Hält sich die Sau oft draußen auf, folgen ihr auch die Ferkel. Die häufige Nutzung des Auslaufs ist für Wiskandt ein Beleg, dass er bei tiergerechter Haltung Teil des Haltungssystems sein sollte.

Tiergesundheitsmanagement

Nach Ansicht von Dr. Hendrik Nienhoff, Leiter des Schweinegesundheitsdienstes Niedersachsen, zielen zunächst alle Maßnahmen darauf ab, Erreger erst gar nicht in den Betrieb kommen zu lassen. Dabei sei zu beachten, dass manche Erreger, wie PRRS oder Influenza, über weite Strecken über die Luft eingetragen werden können, während beispielsweise APP nur per Tröpfcheninfektion übertragen wird. Andere Erreger können über Sperma oder auch über Ratten, die bei Futtermangel weite Strecken zurücklegen, in den Betrieb gelangen. „Die meisten Erreger werden aber über Tierzukauf oder Menschen hereingeholt“, betonte Nienhoff und führte als positives Beispiel das Landwirtschaftliche Bildungszentraum Echem an, bei dem durch konsequente Hygienemaßnahmen bis hin zum obligatorischen Einduschen bis heute dafür gesorgt werden konnte, dass der Betrieb PRRS-frei ist.

Bei Zukauftieren, wie beispielsweise Jungsauen, solle eine sechswöchige Quarantäne selbstverständlich sein, damit sich die fremden Tiere mit dem betriebseigenen Keimmilieu auseinandersetzen und das Immunsystem die neuen Erreger kennenlernen könne. Zur Gewöhnung könnten Läufer oder Altsauen zugestallt oder Kot in den Quarantänestall verbracht werden. Menschliche Nahrungsmittel sollten laut Nienhoff generell vom Stall ferngehalten werden, um auch damit das Risiko eines Erregereintrages zu minimieren.

„Die Wahrheit hängt am Haken“, so das erste Statement von Mirjam Lechner, Fachberaterin für Tierwohl bei der UEG Hohenlohe in Franken, denn hier sehe man die Ergebnisse von Haltung und Management. Leider würden die Tiere manche Auffälligkeiten während ihres Lebens nicht zeigen. „Magengeschwüre haben keinen Einfluss auf die Leistungen“, hob Lechner hervor, erhöhten aber das Risiko von Schwanzbeißen. Nach ihrer Erfahrung und mittlerweile auch wissenschaftlich belegt sei, dass die „Evolution jede Berechnung“ schlage, denn die Tiere seien in der Lage, sich entsprechend ihrer Bedürfnisse zu ernähren. Wenn beispielsweise dem Kraftfutter bestimmte Inhaltsstoffe fehlten, nähmen die Schweine vermehrt Raufutter auf. Eine extreme Raufutteraufnahme könne daher auch ein Hinweis auf ein mangelhaftes Hauptfutter sein. Ziel sei immer, das Mikrobiom, also die Bakterienflora im Darm gesund zu erhalten und damit Entzündungen im Körper zu minimieren.

„Entzündungen aktivieren das Immunsystem, was zu einem erhöhten Energie- und Eiweißbedarf führt“, berichtete Lechner. Fehlen dem Tier Nährstoffe, die im Futter nicht zur Verfügung stehen, könne es zu Verhaltensstörungen wie beispielsweise Lecksucht oder auch Schwanzbeißen kommen. „Erstlimitierend wirkt Wasser“, betonte Lechner und setzt daher auf „Saufkomfort“. Auch wenige Tage alte Saugferkel benötigen Wasser, vor allem die, die wenig an Milch kommen.

„Wir müssen einen Weg zum garantierten Langschwanz finden“, ist der Ansatz von Professor Dr. Dr. Gerald Reiner von der Universität Gießen. Dabei seien die Optimierung der Haltung und die Minderung von Aggression richtig, aber nur die „halbe Miete“. Zunehmend in den Vordergrund rücke das „Entzündungs- und Nekrosesyndrom beim Schwein“, wobei davon ausgegangen wird, dass ein Großteil der Schwanzläsionen durch Nekrosen und Entzündungen entstehen, die „von innen“ kommen. Ursache sind häufig bakterielle Abbauprodukte, die von Darm und Leber nicht abgebaut werden können, sodass sie in den Blutkreislauf gelangen. Über das zentrale Nervensystem werden die Vorgänge vom Körper wahrgenommen, die Futteraufnahme verringert und die Tiere fühlen sich krank. Die Lösung liege also in der „Optimierung der Leber- und Darmgesundheit“. Durch Verbesserung des Wasserangebots und Rohfasergaben werde die Entgiftung unterstützt und Entzündungen ließen sich verringern. Die Thermoregulation lässt sich durch wärmeableitende Bodenbereiche sowie Suhlen und Schalentränken verbessern.

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Genetik, denn ein endogenes Syndrom lässt sich durch die Haltung zwar abmildern, aber nicht beheben. In Versuchen konnte nachgewiesen werden, dass die Nachkommen der stabileren Eberlinien rund ein Drittel weniger Probleme hatten.


Christian Wucherpfennig,

Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen

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