Das Netzwerk Fokus Tierwohl befragte Landwirte zu ihren Praxiserfahrungen mit Abferkelbuchten. In Teil 1 werden die Umfrageergebnisse zu den Bewegungsbuchten vorgestellt.
Im Zuge der Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) ließen die Diskussionen um die erlaubte Fixierungsdauer der Sauen um den Geburtszeitraum herum ausreichend Spielraum für Spekulationen. Nach Inkrafttreten der 7. Verordnung zur Änderung der TierSchNutztV im Januar 2021 steht fest, dass es nur noch eine maximale Fixierungsdauer von fünf Tagen rund um die Geburt in Buchten mit einer Fläche von mindestens 6,5 m2 geben darf. Eine Möglichkeit, um diese Anforderungen zu erfüllen, sind die sogenannten Bewegungsbuchten. Sie besitzen einen Ferkelschutzkorb und bieten den Sauen Bewegungsfreiheit, wenn sie nicht fixiert sind. Dagegen wird die Sau bei der „freien Abferkelung“ weder vor oder während der Abferkelung noch in der Säugezeit in ihrer Bewegung eingeschränkt (= Freilaufbucht). Eine Möglichkeit zur kurzzeitigen Fixierung der Sau, zum Beispiel zur Behandlung, kann jedoch auch hier vorhanden sein.
Mit dem Ziel einer Verbesserung des Tierschutzes gibt die Änderung der TierSchNutztV nun endlich die notwendige Planungssicherheit für die Ferkelerzeuger. Die neuen Vorgaben für die Abferkelbuchten gelten für Neubauten oder nach einer Übergangszeit von 15 Jahren auch in Bestandsbauten und sind mit hohen Investitionskosten verbunden. Eine Investition will gut überlegt sein. Noch bleibt Zeit für die Planung - ob eine Bucht letztendlich den Ansprüchen von Sau, Ferkel und Landwirt gerecht wird, stellt sich erst im praktischen Einsatz heraus.
Einige Betriebe arbeiten bereits mit Bewegungsbuchten oder freier Abferkelung und haben dabei wertvolle Erkenntnisse gewonnen, was geht und was nicht. Daher startete das Tierwohl-Kompetenzzentrum Schwein des Netzwerks Fokus Tierwohl im vergangenen Jahr eine Umfrage. Ziel war es, die in den Betrieben gesammelten Praxiserfahrungen mit Bewegungsbuchten und der freien Abferkelung zu bündeln, um sie weiteren Landwirten zur Verfügung zu stellen und damit bei den kommenden Herausforderungen zu unterstützen. An der Umfrage beteiligten sich insgesamt 214 Schweinehalter aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im Folgenden werden die Antworten von 134 Betrieben mit Bewegungsbuchten zusammengefasst.
Der Anteil an Bewegungsbuchten variiert in den Betrieben, siehe Grafik 1. Etwa die Hälfte der Sauenhalter gab an, seit einem bis fünf Jahren mit Bewegungsbuchten zu arbeiten. Knapp 32 % waren erst vor weniger als einem Jahr in diese Form der Haltung von Sauen eingestiegen, weitere 16,4 % brachten ihre Erfahrungen aus einem mehr als fünfjährigen Einsatz dieses Abferkelsystems ein. Bei 35 ausgewerteten Betrieben, zeigen die, die sich schon lange - mehr als fünf Jahre - mit den Bewegungsbuchten befassen, keine besseren Ergebnisse in Bezug auf abgesetzte Ferkel/Sau/Jahr als Betriebe mit kürzerer Einsatzdauer der Buchten. Der Grund dafür ist vermutlich nicht im mangelnden Erkenntniszuwachs zu sehen, sondern darin, dass auch die Technik besser geworden ist.
Von den Befragten machten 67 Personen eine Angabe zu den Herstellern der eingebauten Bewegungsbuchten. Mit 25,4 % waren Buchten der Firma Schauer Agrotronic GmbH am häufigsten vertreten. An zweiter Stelle kamen mit 17,9 % Bewegungsbuchten der Firma En-Sta Stalltechnik GmbH, während jeweils 13,4 % der Umfrageteilnehmer Buchten der Firmen Big Dutchman und Stallprofi Hof- und Stalltechnologie GmbH im Einsatz haben. In Bezug auf die Größe der Bewegungsbuchten gaben 20 Betriebe an, dass die verbauten Bewegungsbuchten eine Fläche von weniger als 6,5 m2 haben und damit nach Ablauf der Übergangsfrist ab Februar 2036 nicht mehr gesetzeskonform sind.
Die Bewegungsbuchten bilden eine Brücke zwischen dem konventionellen Ferkelschutzkorb und der freien Abferkelung. Sie bieten dabei Vorteile wie auch Nachteile, die die Umfrageteilnehmenden, wie in der Tabelle dargestellt, skizzierten. Je größer eine Abferkelbucht wird, desto teurer wird der Platz pro Sau. Gerade bei Umbauten möchte man möglichst wenig Platz „verschenken“, ist dabei aber auch an die baulichen Gegebenheiten gebunden. Neben der Gesamtfläche der Bucht ist vor allem die Strukturierung und Geometrie der Freilauffläche der Sau von Bedeutung. Bei den erhältlichen Buchtentypen lassen sich drei Formen der Freilauffläche unterscheiden. Es gibt die quadratische Form, bei der die Seiten eher gleich lang sind und die trapezförmige Freilauffläche, bei der der Aktionsbereich für die Sau zum Trog hin spitz zuläuft. Hier bildet ein Verhältnis von Buchtenlänge zur Buchtenbreite von etwa 3:2 die Basis für eine vorteilhafte Geometrie des Aktionsbereiches. Die dritte Variante ist eine mehreckige Freifläche für die Sau, die nicht so häufig bei den gängigen Herstellern vertreten ist, zum Beispiel die L-förmige Knickbucht.
In vielen Untersuchungen wurden in Buchten mit einem trapezförmigen Aktionsbereich weniger Saugferkelverluste verzeichnet. Durch die Trapezform gibt man der Sau mehr oder weniger vor, dass sie den geöffneten Kastenstand als Hilfe zum Abliegen nutzt. Ein kontrolliertes Hinlegen ist für die Ferkel wesentlich ungefährlicher als wenn sich die Sau einfach in der Mitte der Bucht fallen lässt. Auch die Rollbewegungen der Sau werden etwas eingeschränkt. Zwar gaben nur wenige der Umfrageteilnehmenden zur Geometrie der Bucht eine Antwort, doch zeigte sich ebenfalls die Tendenz, dass Betriebe mit eher trapezförmigen Freiflächen für die Sau weniger Saugferkelverluste verzeichnen als bei den anderen beiden Buchtentypen.
Was würden Sie Ihren Berufskolleginnen und Berufskollegen als Hilfestellung für den Umstieg auf Bewegungsbuchten mit auf den Weg geben? Lesen Sie hier alle Antworten der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer: https://fokus-tierwohl.de/de/schwein/fachinformationen-muttersau/bewegungsbuchten-und-freie-abferkelung/stimmen-aus-der-praxis
Bei der Frage nach dem Zeitpunkt des Schließens und Öffnens des Ferkelschutzkorbs waren die Antworten (n = 66) sehr unterschiedlich. Die Mehrzahl der Umfrageteilnehmenden nutzt noch die Möglichkeit, die Sau im Abferkelstall länger als fünf Tage zu fixieren, siehe Grafik 2. Am häufigsten wurde angegeben, dass die Sauen zwei Tage vor dem errechneten Geburtstermin fixiert werden (27 %). Der Durchschnitt der gesamten Fixierdauer lag bei acht Tagen. Als längste Zeit der Fixierung waren 21 Tage angegeben.
Bei der Auswertung der Korbverschlusszeiten vor und nach der Geburt war es schwierig, Ursachen und Wirkung zu trennen, weil Betriebe die Probleme mit unbefriedigenden Ferkelverlustraten haben, dazu neigen, die Sauen länger, also mehr als zehn Tage, zu fixieren. Gemessen an den vorliegenden Zahlen zeigt sich aber, dass es richtig ist, den Ferkelschutzkorb vor der Geburt rechtzeitig zu schließen. Erfahrungen zeigen, dass die Sauen sich an die Fixierung gewöhnen müssen. Außerdem besteht sonst die Gefahr, dass zu viele Ferkel während der Geburt bei noch nicht geschlossenem Kastenstand erdrückt werden. Ein zu früher Verschluss ist jedoch eher negativ, weil die Fixierung auch Stress bedeutet und das Nestbauverhalten weniger gut ausgeführt werden kann. Es handelt sich um einen schmalen Grat zwischen der Befriedigung der Bedürfnisse der Sauen, der Ferkel und auch des Tierbetreuenden, wie in Grafik 3 dargestellt. Hier wird sicherlich jeder für sich ausprobieren müssen, wie er die erlaubten fünf Tage Fixierdauer betriebsindividuell über den Abferkelzeitraum verteilt.
In einer Sache sind sich die Befragten einig: Lassen Sie sich bei der Entscheidung für eine Bucht Zeit! Bauen Sie zunächst ein paar unterschiedliche Buchten zum Testen ein, die Sie neben den konventionellen Buchten laufen lassen. So können Sie Erfahrungen sammeln und Kriterien für sich herausarbeiten, die Ihnen bei der Gestaltung und dem Management der Bucht wichtig sind. Denn die Bucht muss zum Betrieb passen. Nutzen Sie, wenn möglich, auch den Austausch mit Berufskollegen zu deren praktischen Erfahrungen. Besichtigen Sie Betriebe und probieren Sie Handgriffe wie das Öffnen und Schließen des Ferkelschutzkorbs selbst aus.
Vor allem aber gilt: Geben Sie bei Rückschlägen zu Beginn nicht gleich auf. Sauen, die eine konventionelle Abferkelbucht gewohnt sind, können Schwierigkeiten mit einer neuen und anders gestalteten Bucht haben. Daher können während der Umstellungsphase vorübergehend höhere Ferkelverluste auftreten. Solche Rückschläge sollten aber nicht als Bestätigung dafür angesehen werden, dass das System als solches schlecht ist.
Dr. Sabine Schütze und Laura Schönberg,
Landwirtschaftskammer NRW/ Netzwerk Fokus Tierwohl