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Umstieg auf die freie Abferkelung: Eine Herausforderung

21.03.2022

Das Netzwerk Fokus Tierwohl befragte Landwirte zu ihren Praxiserfahrungen. Die Ergebnisse zum Abferkeln in Bewegungsbuchten werden hier vorgestellt. In diesem zweiten Beitrag geht es um die Erfahrungen der Praktiker mit der freien Abferkelung.

Die Abschaffung des konventionellen Kastenstandes im Abferkelstall ist eine von mehreren geänderten Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Als Alternativen stehen zum einen der Einbau von Bewegungsbuchten und zum anderen die Umrüstung auf Buchten zur freien Abferkelung zur Wahl. Das Tierwohl-Kompetenzzentrum Schwein des Netzwerks Fokus Tierwohl rief im vergangenen Jahr Sauenhalter auf, ihre Praxiserfahrungen mit Bewegungsbuchten und der freien Abferkelung zu teilen.

Im ersten Teil wurden bereits die Erfahrungen zu Bewegungsbuchten vorgestellt. An der Umfrage nahmen insgesamt 214 Sauenhalter aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz teil. Von ihnen gaben 80 Teilnehmer an, mit der freien Abferkelung zu arbeiten. Dabei können 36 Betriebe auf mehr als fünf Jahre Erfahrung zurückgreifen. Weitere 27 Teilnehmer betreiben bereits seit einem bis fünf Jahren die freie Abferkelung.

Bezogen auf die Anzahl der Freilaufbuchten im Betrieb gab es, anders als bei den Umfrageteilnehmern mit Bewegungsbuchten, nur fünf Sauenhalter, die bisher nur eine geringe Anzahl von Buchten zum Testen eingebaut haben. Bei 56 Betrieben ermöglichen bereits alle Buchten im Abferkelstall die freie Abferkelung. Die Vermutung, dass es sich dabei vorwiegend um ökologisch wirtschaftende Betriebe handelt, bestätigen die Antworten in der Umfrage nicht. Die Verteilung der ökologisch und konventionell wirtschaftenden Betriebe war ausgeglichen. Ein Blick auf die angegebenen Betriebsgrößen zeigt, dass es sich bei den Teilnehmern vorwiegend um Betriebe mit weniger als 100 Sauen handelt, wie Grafik 1 verdeutlicht.

Als wesentlicher Unterschied zu Bewegungsbuchten wird die Sau bei der freien Abferkelung weder vor oder während der Geburt noch in der Säugezeit in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Um dennoch den Arbeitsschutz zu gewährleisten, kann es Vorrichtungen geben, um Sauen kurzzeitig, beispielsweise zur Behandlung, zu fixieren. In der ökologischen Schweinehaltung ist die freie Abferkelung seit vielen Jahren bereits Standard. Dort dient meist der vorgeschriebene Auslauf als Möglichkeit, Sauen kurzzeitig von ihren Ferkeln zu trennen. Auf die Frage, ob es eine Möglichkeit zur kurzfristigen Fixierung der Sau gebe antworteten zwei Drittel der Teilnehmer mit „Nein“.


Nicht nur die Größe

Auch für Buchten zur freien Abferkelung gilt ab 2036 eine Mindestfläche von 6,5 m², wenn der Betrieb konventionell wirtschaftet. Für ökologisch wirtschaftende Betriebe gilt wie bisher eine Mindestfläche von 7,5 m2 im Innenbereich. Von 30 Sauenhaltern gaben nur vier an, dass die Größe ihrer Freilaufbuchten kleiner als 6,5 m² ist. Der überwiegende Teil der Umfrageteilnehmenden hält die frei abferkelnden Sauen in Buchten mit 7 bis 8 m². In einigen Betrieben sind sogar Buchten installiert, die mit bis zu 12 m² deutlich mehr Fläche als die gängigen Bewegungsbuchten aufweisen, siehe auch Grafik 2.

Rechnet man die zum Teil vorhandenen Ausläufe in den teilnehmenden Betrieben hinzu, steht Sau und Ferkeln ein Platzangebot von bis zu 15 m2 während der Säugezeit zur Verfügung. Jedoch ist mehr Fläche nicht automatisch von Vorteil. Damit die Sau sich eine feste Kotecke anlegt oder auch die Saugferkel in ihren ersten Lebenstagen nicht auf der Suche nach dem Ferkelnest unterkühlen, ist eine gute Strukturierung der Bucht erforderlich. Eine Einteilung der Bucht in Bereiche zum Liegen, Fressen und Koten kann z. B. durch die Bodengestaltung oder die Platzierung des Ferkelnests sowie des Trogs und der Tränke erreicht werden.

Welches System?

Auf die Frage, welche Buchten in den Ställen der Befragten eingebaut sind, antworteten 39 Personen. Von diesen gaben 26 an, dass es sich bei ihren Buchten um Eigenkonstruktionen handelt. Da sich oft erst im praktischen Einsatz der Bucht zeigt, ob beziehungsweise wie gut sie funktioniert, wurde ebenfalls abgefragt, ob die Teilnehmer nachträgliche Umbauten vorgenommen haben.

Auch wenn die Mehrheit keine Anpassungen vornehmen musste, wurden bei einigen Betrieben Verbesserungen zur Steuerung des Liegeverhaltens beziehungsweise des Abliegens und Veränderungen am Ferkelnest sowie an Trog und Tränke vorgenommen. So gab ein Betrieb an, die Ferkeltränke aus dem Nest in Richtung Kotbereich verlegt zu haben, damit das Nest trocken gehalten und Harn und Kot bereits von den Ferkeln an der geplanten Stelle abgesetzt werde. Auch die Ferkelnester wurden zum Beispiel mit Vorhängen optimiert, um für die Ferkel ein günstiges Kleinklima zu schaffen.

Am häufigsten wurden Abliegehilfen nachgerüstet, die gleichzeitig als Abstandshalter zu den Buchtenwänden fungieren und den Ferkeln damit rund um die Sau Fluchträume bieten, um Erdrückungsverluste zu minimieren.

Das Für und Wider

Des Weiteren wurden die Landwirte auch nach den Vor- und Nachteilen der freien Abferkelung gefragt. Die Antworten gehen aus der Tabelle im Anhang rechts hervor.

Vielfach wurde das Ausleben der natürlichen Verhaltensweisen sowohl der Sau als auch der Ferkel als positiver Aspekt genannt. Bei den Einschätzungen des Arbeitsaufwands gingen die Meinungen auseinander. Einige Teilnehmer gaben an, dass die Vorteile für die Sau wie beispielsweise ein positiver Einfluss auf Geburtsverlauf und Tiergesundheit gleichzeitig auch zu einem geringeren Arbeitsaufwand für den Tierbetreuenden führen. Bei anderen befragten Landwirten sorgte zum Beispiel das Fangen der Ferkel für Behandlungen für einen erhöhten Arbeitsaufwand.


Stimmen aus der Praxis

Was würden Sie Ihren Berufskolleginnen und Berufskollegen als Hilfestellung für den Umstieg auf die freie Abferkelung mit auf den Weg geben? Lesen Sie hier alle Antworten der Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer: https://fokus-tierwohl.de/de/schwein/fachinformationen-muttersau/bewegungsbuchten-und-freie-abferkelung/stimmen-aus-der-praxis

Größere Gefahr für den Landwirt

Die Frage zu den Nachteilen der freien Abferkelung für den Tierbetreuenden beantworteten 33 Sauenhalter. Die verringerte Arbeitssicherheit wurde dabei von 23 Schweinehaltern benannt. Dies spiegelt sich auch in den Antworten auf die Frage wider, wie die Arbeitssicherheit im Vergleich zu konventionellen Buchten eingeschätzt werde. Der Großteil der Befragten sieht für sich selbst bei der Arbeit mit der freien Abferkelung eine geringere Sicherheit. Gefahr gehe hauptsächlich von aggressiven beziehungsweise auch sehr mütterlichen Sauen aus, wodurch sowohl die Geburtshilfe, die Erstversorgung der Ferkel, deren Einfangen für Behandlungen als auch Behandlungen der Sau selbst erschwert werden.

Einige der Teilnehmenden sahen keinen Unterschied bei der Arbeitssicherheit zwischen den beiden Abferkelsystemen. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass man seine Tiere kenne und gefährliche Situationen abschätzen könne. Auch das Kennzeichnen besonders mütterlicher Sauen und entsprechende Vorkehrungen, wie das Betreten der Bucht nur mit einem Brett oder dem Aussperren der Sau im Auslauf, minimieren das Risiko. Außerdem erleichtere eine gute Mensch-Tier-Beziehung die Arbeit mit den Sauen enorm. Ein sehr gutes Verhältnis zur Herde und regelmäßiger Berührungskontakt wie beispielsweise Kopfkraulen sorge dafür, dass der Mensch nicht als Gefahr wahrgenommen werde, wodurch das Stresslevel der Sau geringer sei.

Auf was kommt es noch an?

Auch die Auswahl der Sauen spielt für den Erfolg bei der freien Abferkelung eine wichtige Rolle. Die Umfrageteilnehmer bezogen sich dabei sowohl auf die Wahl der Genetik als auch auf das Einzeltier. Nicht jede Sau sei für die freie Abferkelung geeignet. Viele Umfrageteilnehmer betonten, wie wichtig ruhige Sauen mit guten Muttereigenschaften seien. Die Frage, ob der Betrieb Eigenremontierung durchführe, beantworteten 32 Teilnehmer mit einem „Ja“. Für die Selektion der Sauen gaben sie an, dass die Kriterien „Mütterlichkeit“, „Fitness der Ferkel“ und „Aggressivität dem Menschen gegenüber“ den höchsten Stellenwert für sie hätten.

Der Umstieg auf die freie Abferkelung ist eine Herausforderung. Ein Teilnehmer fasste die Knackpunkte gut zusammen: „Der Schutzkorb muss durch Platz, Klima, Struktur und Management ersetzt werden.“


Dr. Sabine Schütze und Laura Schönberg,

Landwirtschaftskammer NRW/ Netzwerk Fokus Tierwohl

Weitere Informationen

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