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Bioschweine: Haltung wird anspruchsvoller

19.02.2021

Über 50 Landwirte, Wissenschaftler und Berater nahmen an der am 9. und 10. Februar online durchgeführten Bioland-Schweinefachtagung teil, bei der auch ein Bio-Schweinehalter "besucht" wurde. Christian Wucherpfennig, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, berichtet von der interessanten Veranstaltung.

Professor Wilhelm Pflanz, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, gab einen Überblick über die "Bio-Schweinehaltung in wachsenden Märkten". Die Bio-Schweinehaltung ist nach seiner Einschätzung ein "kleiner, feiner Bereich", der nur für etwa 1 % der Schweineerzeugung in Deutschland stehe, aber auf Wachstumskurs sei. Dabei hätten die letzten Jahre für auskömmliche und stabile Preise gesorgt. Im Jahr 2020 beobachtete er Aspekte der Freiwilligkeit, wie die Arbeit der Borchert-Kommission, und Aspekte des Ordnungsrechts, wie die geänderte Tierschutznutztierhaltungsverordnung. Bemerkenswert sei, dass die neuen Vorgaben auf die Bio-Schweinehaltung fast keine Auswirkungen haben, da der Abstand zur konventionellen Haltung sehr groß sei. "Beispielsweise steht Mastschweinen bei ökologischer Haltung das Dreifache an Platz zur Verfügung. Verbraucher verbinden mit ökologischer Landwirtschaft vor allem artgerechte Haltung. Und damit haben wir ein Alleinstellungsmerkmal, was man aber auch bestätigen und ausbauen muss", mahnte Pflanz aber auch.

Umweltschutz und Tierwohl berücksichtigen

Positiv erwähnte Pflanz, dass bei der Novellierung der TA Luft zum ersten Mal zwei Gesetzgebungsbereiche miteinander verknüpft wurden: "Neben dem Umweltschutz muss auch das Tierwohl bei neuen Stallbauten berücksichtigt werden. Bestimmte Maßnahmen zur Luftreinhaltung müssen nicht ergriffen werden, wenn man Tierwohlkriterien beim Stallbau verwirklicht." Kritisch bewertete Pflanz die Möglichkeit der neuen EU-Bio-Verordnung, die im Jahr 2022 in Kraft tritt, dass bis zu 50 % Spalten im Auslauf verlegt werden könnten. "Das Einstreugebot gilt vor allem innen und wenn man die EU-Bio-VO ausnutzen will, befindet sich im Teilspaltenauslauf kein Stroh mehr", erklärte Pflanz. Stroh aber sorgt für eine Minderung der Emissionen, weil es den Harn bindet. Darüber hinaus trägt es zur Beschäftigung der Schweine bei.

Zum Schluss machte Pflanz noch Anmerkungen zur Fütterung von Bio-Schweinen. Sie lieferten zwar wertvolles Protein und Mist, benötigen dafür aber auch hochwertige Futtermittel, die im nicht unerheblichen Maße importiert werden. "Der gesamte Stickstoff über die erstlimitierende Aminosäure hinaus landet im Mist und belastet zudem den Stoffwechsel der Schweine", warnte Pflanz. Das Potenzial für feinkörnige Leguminosen ist seiner Ansicht nach nicht ausgeschöpft und die Nutzung isolierter Aminosäuren, die mittels Fermentierung ohne Gentechnik hergestellt werden, sollte man nicht völlig ausschließen.

Sprunghafter Anstieg der Nachfrage

Christoph Dahlmann, Biofleisch NRW, und Dr. Uwe Balliet, Biohandel Nordwest GmbH, berichteten übereinstimmend von einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage nach Biofleisch durch die Corona-Pandemie. "Es gab auch vermehrt Nachfragen, in welchen Strukturen geschlachtet wird. In diesen Bereichen konnten wir natürlich punkten", berichtete Dahlmann, wenngleich er allgemein eine gewisse "Konventionalisierung der Strukturen" bei der Größe von Betrieben, Schlachthofstrukturen und Handelspartnern auch im Bio-Bereich feststelle. Die Biohandel Nordwest GmbH, im Eigentum eines Erzeugerzusammenschlusses, plant, mit einem Kooperationspartner ins Teilstückgeschäft einzusteigen. Balliet legt Wert darauf, sich bei den Qualitäten klar zu positionieren und den Markenfleischprogrammen immer ein Schritt voran sein. "Dabei benötigen wir ein höheres Preisniveau, denn aktuell reicht es nicht für eine Entlohnung aller Produktionsfaktoren", betonte Balliet. Man sei weiter auf der Suche nach Betrieben, denn die wachsende Nachfrage nach Bio-Produkten sei nicht nur pandemiebedingt. "Dabei setzt der Handel bis hin zum Discounter klar auf deutsche Herkunft", berichtete Balliet.

Funktionale Merkmale zur Zucht

Welchen Beitrag die Einbeziehung funktionaler Merkmale ferkelführender Sauen zur Züchtung und Eigenremontierung liefern können, untersuchte Elisabeth Sinz von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in einem mehrjährigen Projekt. Ihre vorgestellten Ergebnisse beziehen sich auf 848 Würfe im Zeitraum Mai 2018 bis August 2019. Zur Datenerfassung wurden die Landwirte geschult und gemeinsam mit ihnen eine sogenannte Mütterlichkeitskarte entwickelt. Die Wurfqualität wird anhand der Vitalität - sofort aktiv, gehen rasch zum Gesäuge, maximal ein lebensschwaches Ferkel - und der Homogenität - alle Ferkel gleich groß und maximal ein großes und ein kleines Ferkel im Wurf - ermittelt. "Ferkel aus homogenen Würfen sind vitaler und die Homogenität hat einen hochsignifikanten Einfluss auf die Aufzuchtleistung. Zudem konnte festgestellt wurden, dass Sauen mit einem intensiven Vorabliegeverhalten sich anschließend auch kontrollierter ablegen. Beides reduziert die Erdrückungsverluste", betonte die Expertin. Zwischen einem intensiven Verteidigungsverhalten der Sau und den Erdrückungsverlusten und Aufzuchtleistungen bestehe kein Zusammenhang, aber umgängliche Sauen erforderten einen geringeren Betreuungsaufwand. Auch ruhiges Geburtsverhalten senkt die Ferkelverluste. Die von der LfL Bayern entwickelte Mütterlichkeitskarte ist frei verfügbar. Die an dem Projekt beteiligte Landwirtin Heidi Zinner bezeichnete das Projekt als "einen Segen, um gezielt die geeigneten Sauen für die Vermehrung aussuchen" zu können.

Auf Wurfqualität züchten

Christina Pfeiffer, Zuchtleiterin bei PIG Austria, erläuterte, dass bisher, abgesehen von der Nutzungsdauer, in Österreich nur ökonomisch relevante Merkmale im Fokus standen. Da ab 2033 auch in konventionellen Betrieben freies Abferkeln Pflicht werde, war es notwendig, ein neues Zuchtprogramm zu entwickeln. Die neuen Zuchtziele wurden gemeinsam mit Landwirten entwickelt. Leitfragen waren "Was ist eine gute Muttersau?" und "Was zeichnet ein vitales Ferkel aus?". Als gute Muttereigenschaften wurden in erster Linie ruhiges Verhalten, eine gute Milchleistung und ein stabiles Fundament genannt. Bei der Wurfqualität stehen für die Landwirte Säugeverhalten und ein hohes Geburtsgewicht im Vordergrund. Ziel war es, Merkmale zu finden, auf die sich züchten lässt. Eine relativ hohe Erblichkeit bestehe bei den Wurfqualitätsmerkmalen. "Beim durchschnittlichen Geburtsgewicht haben wir beispielsweise eine Heritabilität von 0,36 und bei der Streuung der Geburtsgewichte von 0,15", berichtete Pfeiffer. "Die Wurfvitalität lässt sich über Hautfarbe, die Zeit bis zur ersten Bewegung und zum ersten Stehversuch sowie über den ersten Gesäugekontakt erfassen", erklärte Pfeiffer und schloss ihre Ausführungen so: "Die Sau übernimmt künftig die Aufzucht und nicht der Tierhalter."

Liegeverhalten der Ferkel

Mit der gezielten Beeinflussung des Liegeverhaltens neugeborener Ferkel befasste sich Katharina Heidbüchel, Thünen Institut für ökologischen Landbau. "Wenn sich die Ferkel möglichst früh und lange im Ferkelnest aufhalten, kühlen sie nicht aus und können nicht erdrückt werden", erklärte Heidbüchel. Während die Art der Heizung (Deckel- oder Bodenheizung) und die Beleuchtung (mit oder ohne) keinen nennenswerten Einfluss zeigten, hatte das Einsperren der Ferkel im Nest während der Fütterung der Sau einen deutlichen Einfluss auf die Nutzung des Nestes durch die Ferkel, wobei ein möglicher Zusammenhang zu Ferkelverlusten noch untersucht werde.

Grünleguminosenpellets für säugende Sauen

Ab dem Jahr 2022 sind laut neuer EU-Bio-Verordnung alle Bio-Schweine bis auf Ferkel bis 35 kg ausschließlich mit ökologischen Futtermitteln zu versorgen. Dr. Daniela Werner, Thünen Institut für ökologischen Landbau, möchte für die Eiweißversorgung möglichst heimische Futtermittel nutzen und sieht ein großes Potenzial in Rotklee und Luzerne, die in einem frühen Stadium in der Blattmasse mit bis zu 26 % hohe Rohproteingehalte aufweisen. Über Sortenwahl, Anbautechnik und Schnittnutzung seien die Gehalte sicher noch steigerbar. Die Blattmasse wurde in eine Pelletform gebracht und bei Gehalten von 10 % in der Ration zeigten ferkelführende Sauen in einzelnen Gruppen einen leichten Rückgang in der Futteraufnahme. "Da die Rohproteingehalte im eingesetzten Rotklee- und Luzernetrockenblatt auch stark schwankten, war es teilweise notwendig, etwas Bio-Sojakuchen einzusetzen, um den Bedarf decken zu können", zeigte Werner eine weitere Grenze der Grünmehlpellets auf. Damit sich die Sauen an den bitteren Geschmack der Luzerne gewöhnen konnte, wurden kleine Mengen schon in das Tragendfutter eingemischt.

Konventionelles Kartoffeleiweiß ersetzen

Auch in der Schweiz läuft die Möglichkeit, im geringen Umfang noch konventionelles Kartoffeleiweiß in der ökologischen Schweinefütterung einzusetzen, bald aus. Die als Ersatz in Frage kommenden Bio-Ölkuchen weisen jedoch höhere Fettanteile und damit auch einen höheren Anteil mehrfach ungesättigter Fettsäuren auf, deren Höhe Teil des Bezahlsystems in der Schweiz sind. Ab einem Anteil von 15,6 % gibt es empfindliche Preisabzüge beim Schlachtkörper. Dies war ein Grund für Nele Quander-Stoll, FIBL Schweiz, die Auswirkungen einer hundertprozentigen Biofütterung bei Schweinen zu untersuchen. Bei der Mast führte der Verzicht auf konventionelles Kartoffeleiweiß bei etwas geringerem Muskelfleischanteil und Ausschlachtung zu etwa 50 g geringeren Tageszunahmen. Trotz des erhöhten Anteils an Bio-Sojakuchen und der Zugabe von Luzerne-Grünmehl trat ein Defizit an schwefelhaltigen Aminosäuren und Threonin auf. In der Ferkelaufzucht konnten ohne Kartoffeleiweiß die gleichen Wachstumsleistungen erzielt werden, allerdings erholten sich Ferkel bei aufgetretenem Durchfall nicht so schnell, so dass Quander-Stoll den Anteil an Bio-Sojakuchen auf maximal 12 % begrenzen würde.

Fazit

Auch die ökologische Schweinehaltung muss stetig weiterentwickelt werden. Das freie Abferkeln stellt Bio-Ferkelerzeuger vor Herausforderungen. Neben einer optimalen Gestaltung der Abferkelbucht ist die Auswahl geeigneter Sauen von zentraler Bedeutung. Da viele Bio-Ferkelerzeuger ihre Jungsauen selbst remontieren, brauchen sie wirksame und zugleich einfach nutzbare Parameter zur Zuchtauswahl. Auch der Verzicht auf konventionelles Kartoffeleiweiß in der Sauen- und Mastschweinefütterung ab nächstes Jahr birgt die Gefahr, dass höhere Rohproteingehalte notwendig sind, um den Aminosäurenbedarf zu decken. Dem wird man künftig mit neuen Fütterungskonzepten begegnen müssen, um auch in Zukunft die Bio-Schweinhaltung erfolgreich praktizieren zu können.

► Besuch beim Bio-Schweinehalter in Münsterland: Erfolgreich mit 110 Bio-Sauen

Quelle: Christian Wucherpfennig, Ökoteam Landwirtschaftskammer NRW, Tel.: 02821-996-177, E-Mail: christian.wucherpfennig@lwk.nrw.de

 

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